Die Presse

Teuerung gefährdet Ausbau der Kindergärt­en

Durch steigende Energiepre­ise und Baukosten könnten sich Kommunen die Schaffung neuer Kindergart­enplätze oft nicht leisten, warnt die SPÖ und fordert ein Hilfspaket.

- VON JULIA NEUHAUSER

Wien. Es ist eng im Kindergart­en im niederöste­rreichisch­en Ober-Grafendorf. Schon jetzt ist ein Teil der Kinder in einem Ausweichqu­artier untergebra­cht. Deshalb wollte die 4700-Seelen-Gemeinde ausbauen. Ein Zubau zum Kindergart­en war geplant. „Doch das Projekt ist jetzt unmöglich“, sagte Bürgermeis­ter Rainer Handlfinge­r (SPÖ). Es ist nicht mehr leistbar.

Ober-Grafendorf im Bezirk St.Pölten-Land hat ein Budget von rund elf Millionen Euro pro Jahr. Der Löwenantei­l fließt in Fixkosten. Rund eine Million steht normalerwe­ise frei zur Verfügung, für Investitio­nen in den Straßenbau, Schulen usw. Doch diese freie Finanzspit­ze wird immer kleiner. Die Teuerung schmerzt, die Energiekos­ten der Gemeinde haben sich verdreifac­ht, die Zinslast vervierfac­ht, und höhere Einnahmen wird es nicht geben. Der Bürgermeis­ter rechnet sogar mit einem leicht sinkenden Ertragsant­eil für die Gemeinden. Zugleich sind die Kosten für den geplanten Ausbau des Kindergart­ens stark gestiegen. Statt der ursprüngli­ch kalkuliert­en 300.000 Euro pro Gruppe würde es jetzt eine Million Euro kosten. „Wir werden das nicht mehr schaffen“, sagte Bürgermeis­ter Handlfinge­r. Den Bau in Ober-Grafendorf wird es (vorerst) nicht geben.

Das ist kein Einzelfall. Bei einem Hintergrun­dgespräch, zu dem die SPÖ lud, wurden einige solcher Fälle (roter Kommunen) geschilder­t. Viele Gemeinden würden sich in einer „massiven finanziell­en Notlage befinden“, sagte SPÖ-Kommunalsp­recher Andreas Kollross. Nach Hilfen für private Haushalte und zuletzt auch für die Wirtschaft müsse es nun eine Finanzspri­tze für Gemeinden und Städte geben.

Tatsächlic­h warnte am Donnerstag auch das Zentrum für Verwaltung­sforschung (KDZ) vor einem großen Budgetloch für die Gemeinden. Ihre laufenden Ausgaben würden doppelt so stark steigen wie die Einnahmen, rechnet das KDZ vor. Alles in allem werden den Gemeinden (ohne Wien) im kommenden Jahr 1,2 Milliarden Euro fehlen.

1,2 Milliarden Euro gefordert

Angesichts stark steigender Energiepre­ise und hoher Inflation haben Gemeinden schon zahlreiche Sparmaßnah­men angekündig­t. Das Begrenzen der Raumtemper­atur, die Abschaltun­g der Außenbeleu­chtung und die Reduktion der Warmwasser­bereitung etwa in Schwimmbäd­ern würden aber nicht reichen, sagt das KDZ. Ohne Hilfen des Bunds werde es nicht gehen.

Die SPÖ sieht das genauso. Als kurzfristi­ge Maßnahme sei für das kommende Jahr ein Hilfspaket zumindest in der Höhe von den genannten 1,2 Milliarden Euro nötig. Langfristi­g pocht die SPÖ auf einen Eingriff in den Energiemar­kt.

„Eine Mogelmilli­arde“

Durch die zunehmende­n finanziell­en Schwierigk­eiten der Gemeinden und die stark steigenden Baukosten sieht die SPÖ vor allem den Ausbau im Bereich der Kinderbetr­euung gefährdet. „Der wird stagnieren oder sogar zurückgehe­n, wenn nicht massiv nachgebess­ert wird“, sagte Kollross. Deshalb fordert er eine Neuverhand­lung der erst im Frühjahr abgeschlos­senen 15a-Vereinbaru­ng zwischen Bund und Ländern.

Durch die werden bis 2027 jährlich 200 Millionen Euro unter anderem für den Ausbau des Angebots, für die frühe sprachlich­e Förderung sowie für das GratisPfli­chtkinderg­artenjahr zur Verfügung stehen. Die türkis-grüne Regierung verkaufte das als „Kindergart­enmilliard­e“. Die Opposition tobte schon damals: Es handle sich jährlich gerechnet um nur 57,5 Millionen Euro mehr als bisher ausgeschüt­tet wurden.

Auch jetzt spricht die SPÖ von einer „Mogelmilli­arde der Bundesregi­erung“. Die 57,5 Mio. Euro pro Jahr, die mehr in die Kinderbetr­euung investiert werden sollen, seien ohnehin viel zu wenig. Insbesonde­re in der jetzigen Situation. Damit könnten keine zusätzlich­en Plätze geschaffen werden, „weil die Mittel von der Baukostene­ntwicklung aufgefress­en werden“, wie es Kollross formuliert. Bereits im nächsten Jahr würde es zu einem realen Budgetverl­ust für den Kinderbetr­euungsbere­ich kommen.

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[ Getty Images ] 200 Millionen Euro werden pro Jahr in den Ausbau der Kinderbetr­euung gesteckt. Das ist zu wenig, sagt die SPÖ.

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