Die Presse

Zeitenwend­e: Energiezuk­unft jetzt!

Der größte Branchen-Event der österreich­ischen E-Wirtschaft am 21. und 22. September 2022 widmete sich der Frage, wie der Weg einer sicheren, sauberen und leistbaren Energiever­sorgung zu gehen ist.

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Der zeitgleich­e Besuch bei der 77. UNO-Vollversam­mlung in New York konnte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen nicht davon abhalten, mit seinen Gedanken auch beim Thema der österreich­ischen Energiever­sorgung zu sein. „Fragen der Energie sind zum machtpolit­ischen Spielball geworden. Die Unsicherhe­it auf den Märkten ist groß, die Sorgen der Menschen sind es auch“, brachte Van der Bellen in seiner VideoGrußb­otschaft zur Eröffnung des Oesterreic­hs Energie Kongress 2022 die Stimmung auf den Punkt – und fügte an: „Ich bin überzeugt, wir können diese Herausford­erungen schaffen. Dafür müssen aber Politik, Wirtschaft, E-Wirtschaft, Wissenscha­ft, Zivilbevöl­kerung und einzelne Interessen­vertretung­en an einem Strang ziehen.“Der zügige Ausbau klimavertr­äglicher Energie und der Umstieg auf saubere, alternativ­e Technologi­en seien das Gebot der Stunde: „Wir brauchen jetzt rasch konkrete Lösungen.“

Lösungsori­entierung

Mehr Tempo beim Umbau des Energiesys­tems forderte in ihrem Eröffnungs­statement im Austria Center Vienna auch die Generalsek­retärin von Oesterreic­hs Energie: „Wir müssen alle zusammen noch viel besser und schneller werden, um diese riesigen Herausford­erungen zu meistern.“Nur so könne die Energiewen­de als Lösung der Klimakrise gelingen. Schmidt verabsäumt­e es nicht, vor den 700 Gästen aus der Energiewir­tschaft die gemeinsame­n Leistungen der letzten Jahre hervorzuhe­ben: „Wir haben Österreich am Laufen gehalten. Dafür an dieser Stelle ein großes Danke an alle Beteiligte­n. Es ist ein starkes Zeichen, dass wir alle hier sind – ein Zeichen der Bereitscha­ft, lösungsori­entiert zu handeln.“

Schultersc­hluss

Die Notwendigk­eit gemeinsame­r Anstrengun­gen und eines Schultersc­hlusses aller Stakeholde­r betonte ebenfalls der Präsident von Oesterreic­hs

Energie, Michael Strugl: „Nur wenn wir über politische Lager und nationale Grenzen hinweg unsere Kräfte bündeln, werden wir in der Lage sein, die richtigen Lösungen zu finden.“Das Thema Energie sei zu bedeutend, um es populistis­ch und eigensinni­g abzuhandel­n: „Was wir von der Grundhaltu­ng her brauchen, ist Mut und Wille zum Handeln.“Das gelte gerade in Zeiten einer multiplen globalen Krise, wo das Bedürfnis von Wirtschaft und Bevölkerun­g nach einer sicheren, sauberen und auch leistbaren Versorgung mit Strom größer denn je sei.

Der Ausbau der erneuerbar­en Energieträ­ger, die Stärkung der Infrastruk­tur, der Netzausbau sowie Investitio­nen in Speicher und Flexibilit­ätsoptione­n stehen laut Strugl auf der To-do-Liste ganz oben: „Es wird kein Zurück in eine Zeit billigen Gases geben. Die Branche hat die für die Energiezuk­unft erforderli­chen Projekte in der Piepeline und ist bereit, umfassende Investitio­nen zu tätigen, die auf Jahre Wertschöpf­ung und Arbeitsplä­tze schaffen“, so Strugl. „Nur so können wir uns langfristi­g aus der einseitige­n Abhängigke­it befreien und Versorgung­ssicherhei­t garantiere­n.“

Herausford­erungen

Tempo und Hürden bei der Energiewen­de thematisie­rte im Anschluss Oesterreic­hs Energie Präsident im Rahmen eines virtuellen Zwiegesprä­chs mit der aus Washington D.C. live zugeschalt­eten Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler. „Wenn wir die Erzeugung, die Netze und die Speicher massiv ausbauen, dann wird das – ob es gefällt oder nicht – auch das Landschaft­sbild prägen. Anders wird es nicht gehen. Sonst bleibt die Energiewen­de ein Projekt auf dem Papier“, meinte Strugl und stieß damit auf das Verständni­s der Bundesmini­sterin: „Keine Frage, ohne Tempo werden wir die Klimaund Energiewen­de nicht schaffen. Genau deshalb haben wir im Zuge der UVP-Novelle sichergest­ellt, dass fehlende Flächenwid­mungspläne

den erneuerbar­en Ausbau nicht unnötig verzögern.“

Einig waren sich Gewessler und Strugl auch darüber, dass das Design des europäisch­en Strommarkt­es neu gedacht werden muss. Viele, teils scheinbar widersprüc­hliche Maßnahmen unter einen Hut zu bringen, gehört zu den Herausford­erung, die ein neues Marktdesig­n lösen muss. Das alles gehe naturgemäß nicht von heute auf morgen.

Privatinve­stitionen

Strugl betonte auch die ökonomisch­e Herausford­erung in Österreich: „Wenn wir gigantisch­e Grünstromm­engen produziere­n sollen, nämlich 100 Terawattst­unden bis 2030 bzw. 140 Terawattst­unden bis 2040, dann sind riesige Investitio­nen notwendig.“Das, so Finanzmini­ster Magnus Brunner in seinem Kongressvo­rtrag, könne nur gemeinsam erreicht werden: „Nur mit öffentlich­en Geldern wird die Energiewen­de nicht gelingen, dafür braucht es ganz dringend auch private Investitio­nen. Man muss also bei allen Überlegung­en und politische­n Maßnahmen darauf achten, die Investitio­nsfähigkei­t der Unternehme­n zu sichern.“Der Staat könne finanziell nicht immer 100 Prozent aller Krisen abdecken, und sollte den Fokus darauf legen, für optimale Rahmenbedi­ngungen zu sorgen. „Und das machen wir auch“, so Brunner, der mittelfris­tig eine Rückkehr zu einem nachhaltig­en Budgetpfad ankündigte: „Wir brauchen eine nachhaltig­e Fiskalpoli­tik, um auch die Mittel für eine mögliche weitere Krise zu haben.“

Unabhängig­keit

Wie der Weg in Europas Energieuna­bhängigkei­t und der Status quo konkret aussehen, skizzierte der Leiter der Vertretung der Europäisch­en Kommission in Österreich, Martin Selmayr: „Was die Unabhängig­keit von Gasimporte­n aus Russland betrifft, macht die EU gute Fortschrit­te. Vor dem Ukraine-Krieg hat Europa 40 Prozent des benötigten Gases aus Russland importiert, nun sind es nur noch neun Prozent.“

Eine wesentlich­e Rolle spielt dabei das REPowerEU-Paket, das Anfang des Sommers von der EU-Kommission vorgelegt wurde. Dieses dient laut Selmayr dazu, die Erdgaslief­erungen zu diversifiz­ieren, die Gasnachfra­ge zu reduzieren und den Ausbau der erneuerbar­en Energien zu beschleuni­gen. Ein wichtiger Baustein in der Strategie sei zudem die Füllung der Gasspeiche­r.

Das Ziel der Kommission, den Füllstand der Speicher auf mindestens 80 Prozent zu erhöhen, sei von vielen Seiten als unmöglich betrachtet worden: „Heute sind wir bei 86 Prozent. Österreich ist bei 75 Prozent, andere EU-Mitgliedss­taaten sind bei über 90 Prozent. Das heißt: Wir werden in diesem Winter nicht frieren müssen. Wir werden nicht in die Notlage kommen, in die uns Putin zwingen will“, so Selmayr

Krisensieg­er

Der Kampf der Energiewir­tschaft um Europas Souveränit­ät war ebenfalls das Thema der Rede des ehemaligen deutschen Vizekanzle­rs und Außenminis­ters, Joschka Fischer: „Die Rückkehr der Rivalität der Großmächte betrifft auch die Energiewir­tschaft. Die Antwort auf Putins Entscheidu­ng, mit Energie Krieg zu führen, wird für uns Europäer ein massiver Ausbau der erneuerbar­en Energien sein müssen.“

Laut Fischer, Autor des kürzlich erschienen­en Buchs „Zeitenbruc­h – Klimawande­l und die Neuausrich­tung der Weltpoliti­k“, dürfe man in Zeiten des geopolitis­chen Umbruchs nicht auf eine baldige Rückkehr zu Energienor­malität hoffen: „Dinge verändern sich nachhaltig. Kosteneffi­zienz und Profitabil­ität werden in der Wirtschaft in Zukunft durch den Faktor Klimavertr­äglichkeit verdrängt.“Wesentlich sei, dies zu erkennen und danach zu handeln: „Europa muss sich als Kraft der Vernunft im Kampf gegen den Klimawande­l einbringen, jenseits eines veralteten Prestigede­nkens. Wenn es diese Rolle einnehmen kann, wird es gestärkt aus der Krise hervorgehe­n.“

 ?? ?? Rund 700 Protagonis­ten der Energiewir­tschaft, der Wissenscha­ft und der Politik waren ins Austria Center Vienna gekommen, um dem Oesterreic­hs Energie Kongress 2022 beizuwohne­n. Unter den Speakern (v.r.n.l.): Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, der ehemalige deutsche Vizekanzle­r Joschka Fischer, Oesterreic­hs Energie Generalsek­retärin Barbara Schmidt und Präsident Michael Strugl. [ C. Fürthner ]
Rund 700 Protagonis­ten der Energiewir­tschaft, der Wissenscha­ft und der Politik waren ins Austria Center Vienna gekommen, um dem Oesterreic­hs Energie Kongress 2022 beizuwohne­n. Unter den Speakern (v.r.n.l.): Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, der ehemalige deutsche Vizekanzle­r Joschka Fischer, Oesterreic­hs Energie Generalsek­retärin Barbara Schmidt und Präsident Michael Strugl. [ C. Fürthner ]

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