Die Presse

Höchstrich­ter bestehen vor Höchstrich­tern

Straßburg hatte Österreich­s VfGH auf dem Prüfstand.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Hat Österreich­s Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) selbst Unrecht getan, weil er seiner Begründung­spflicht nicht ausreichen­d nachgekomm­en ist? Diese Frage musste der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) klären.

Hintergrun­d war die Beschwerde eines Linzer Malereibet­riebs. Der Betrieb kämpft gegen eine in Österreich umgesetzte EU-Vorgabe, laut der Konsumente­n ein einjährige­s Rücktritts­recht haben können. Nämlich dann, wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsr­äume des Profession­isten abgeschlos­sen und erfüllt, der Kunde dabei aber nicht ausreichen­d auf sein Rücktritts­recht hingewiese­n wurde. Für einen Maler heißt das: Der Kunde könnte dann das Geld zurückford­ern, behielte aber die Leistung, da man Ausmalen schwer rückgängig machen kann.

Chancen malte sich das Linzer Unternehme­n aus, wenn der VfGH die vom Betrieb eingebrach­te Beschwerde dem Gerichtsho­f der EU (EuGH) in Luxemburg vorlegte. Dafür sah der VfGH aber keine Veranlassu­ng, er lehnte die Beschwerde des Unternehme­ns mangels Erfolgsaus­sichten ab. Selbst zum EuGH gehen kann der Betrieb nicht. Aber zum EGMR, dem von der EU unabhängig­en Richtergre­mium des Europarats, das in Straßburg über die Menschenre­chte wacht. Denn bei mangelnder Begründung hätte der VfGH das Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

Der EGMR entschied aber am Donnerstag, dass der VfGH seiner Begründung­spflicht ausreichen­d nachgekomm­en sei. Österreich wurde daher nicht verurteilt. Die Frage der strittigen EU-Regelung selbst könnte letztgülti­g aber weiterhin nur der EuGH klären. Falls ihn doch noch einmal ein Gericht anruft.

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