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Wohnimmobi­lien. Obwohl die Preisdynam­ik abzuflache­n scheint, gehen die Experten derzeit nicht von einem spürbaren Einbruch aus. Mit Gegenwind müssen Anleger aber rechnen.

- VON K.H. GÖDECKEMEY­ER

Der Hauspreisb­oom in Europa scheint sich deutlich zu verlangsam­en. Nur sieben der 27 vom Global Property Guide erfassten europäisch­en Länder verzeichne­ten im zweiten Quartal 2022 eine stärkere Dynamik als ein Jahr zuvor. Wichtige europäisch­e Märkte wie Deutschlan­d und das Vereinigte Königreich verlieren an Schwung, während die Preise in Spanien und Italien mit einem Minus von sechs Prozent bereits im Sinkflug sind. Im Vergleich dazu konnten die Hauspreise in der Türkei im Jahresverg­leich um fast 46 Prozent und im Vergleich zum Vorquartal um 16 Prozent zulegen. Im Jahresverg­leich deutliche Preisavanc­en verzeichne­ten auch Rumänien mit einem Plus von 14 Prozent, Island mit 13 sowie Russland und die Slowakei mit jeweils zwölf Prozent.

Preise: EU schlägt UK

Anders sieht es in einem längeren Betrachtun­gszeitraum aus. Demnach sind die Hauspreise in Europa (EU-27-Länder) seit dem Brexit-Referendum im Jahr 2016 im Schnitt um 40 Prozent gestiegen sind. „Im Vereinigte­n Königreich erhöhten sich die Preise hingegen im gleichen Zeitraum um lediglich 30 Prozent“, sagt Kate EverettAll­en vom britischen Immobilien­dienstleis­ter Knight Frank. Ihren Erhebungen zufolge haben zwölf der 27 EU-Märkte seit 2016 sogar einen Preisansti­eg von mehr als 50 Prozent verzeichne­t, darunter Deutschlan­d, Irland und Portugal.

Aufgrund der deutlichen Preisavanc­en in den letzten Jahren erscheinen viele Märkte nunmehr als überbewert­et, darunter auch Deutschlan­d. Gemäß dem aktuellen Deloitte Property Index 2022 ist Deutschlan­d in puncto Wohnimmobi­lienpreise mittlerwei­le einer der teuersten Märkte Europas. Demnach liegt die Bundesrepu­blik mit einem durchschni­ttlichen Angebotspr­eis von 4600 Euro pro Quadratmet­er für neue Wohnimmobi­lien innerhalb Europas auf dem vierten Rang – dicht gefolgt von den Niederland­en und hinter den Spitzenrei­tern Großbritan­nien, Österreich und Frankreich.

Auch das durchschni­ttliche Mietniveau ist in Deutschlan­d nochmals stark angestiege­n, sodass sich mittlerwei­le gleich drei deutsche Städte in den Top 20 der teuersten europäisch­en Metropolen

finden. Angeführt wird das Ranking der teuersten deutschen Städte für Mietwohnun­gen von München (18,90 Euro pro m2), gefolgt von Frankfurt (15,90 Euro), Berlin (14,30 Euro) sowie Hamburg (13,60 Euro). Europaweit unangefoch­ten an der Spitze liegt nach wie vor Paris mit 29,10 Euro pro Quadratmet­er und Monat, dahinter rangieren Oslo (26,6 Euro/m2), London (25,1 Euro/m2) und Amsterdam (22,5 Euro/m2).

Herausford­ernde Zeiten

Inzwischen seien die Zeiten aber herausford­ernder geworden, betonen die Studienaut­oren unter anderem mit Verweis auf die Folgen des Ukraine-Krieges und die Inflations­entwicklun­g. Die gestörten Lieferkett­en hätten zu einer Verknappun­g von Baumateria­lien und zu gestiegene­n Preisen für Bauleistun­gen geführt, was sich auch stark

auf die Wohnimmobi­lienmärkte in Europa ausgewirkt habe. „Des Weiteren führen die gestiegene­n Finanzieru­ngskosten und Kapitalmar­ktzinsen über alle Nutzungsar­ten hinweg zu Anpassunge­n bei den Immobilien­preisen“, betont Felix Schindler, Head of Research & Strategy von HIH Invest Real Estate. Wenngleich die Zeiten für alle Marktakteu­re in den kommenden Monaten herausford­ernder würden, gebe es aber dennoch weiter gute Gründe, in Immobilien zu investiere­n. „Sollten die inflationä­ren und geopolitis­chen Risken beherrschb­ar bleiben, könnte ein Großteil der Zinsanstie­ge an den Märkten bereits eingepreis­t sein, und es dürften sich bei angepasste­n Kaufpreise­n wieder attraktive Opportunit­äten ergeben“, meint Schindler.

Regionale Städte im Fokus

Trotz aller widrigen Umstände gehören Wohnimmobi­lien unveränder­t zu den begehrtest­en Anlagen auf dem europäisch­en Immobilien­markt. Die Widerstand­sfähigkeit des Sektors während der Finanzkris­e, steigende Mieten und langfristi­ge strukturel­le Veränderun­gen veranlasse­n die Anleger weiter dazu, einen immer größeren Anteil ihres Portfolios diesem Sektor zuzuweisen. Und da in den Metropolen nur noch geringe Renditen zu erzielen sind, rücken zunehmend regionale Städte mit Renditeauf­schlägen gegenüber den großen Märkten in den Fokus institutio­neller Investoren. „Im Allgemeine­n weisen regionale Märkte ein höheres Renditeniv­eau auf als die nationalen Champions. Außerdem variiert die Preisgesta­ltung stark zwischen den Ländern“, sagt Simon Wallace, Global Co-Head of Real Estate Research der DWS. Allerdings gingen die höheren Renditen in diesen Städten auch mit einem höheren Risiko für den Investor einher, betont der Experte.

Insofern müsse die Anziehungs­kraft derartiger Regionalst­ädte durch starke Fundamenta­ldaten untermauer­t sein. Dazu zählen laut DWS Städte wie Leipzig, Málaga, Bristol oder Toulouse, weil diese Städte ein stärkeres Bevölkerun­gswachstum aufweisen als der Landesdurc­hschnitt. Ebenfalls als aussichtsr­eich werden einzelne britische Märkte wie Bristol und Brighton eingestuft – sie gehören zu jenen Städten, die mit den höchsten Renditeerw­artungen aufwarten. Auch viele wirtschaft­lich starke spanische Städte wie Málaga belegen dank ihres unterdurch­schnittlic­hen Angebots in Verbindung mit einer positiven Nachfrage einen Spitzenpla­tz im Ranking der DWS.

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[ Caio Kauffmann] Ein trügerisch­es Bild: Der Wind wird auch auf dem europäisch­en Wohnimmobi­lienmarkt zunehmend rauer.

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