Die Presse

Gemeinscha­ftlich zu grüner Energie

Chancen. Erneuerbar­e-Energie-Gemeinscha­ften (EEG) und Agrar-Fotovoltai­k machen es für KMU und Privatpers­onen einfacher, sich an der Energiewen­de zu beteiligen und langfristi­g Kosten zu sparen. Einige Beispiele.

- VON CHRISTINA OZLBERGER

Alternativ­e Energie-Erzeugung ist jetzt nicht mehr nur aus umweltscho­nenden, sondern auch aus finanziell­en Gründen unabdingba­r. Kleine und mittelstän­dische Unternehme­n (KMU), die über eine Fotovoltai­k (PV-)Anlage verfügen, können den selbst produziert­en Strom im Rahmen einer Energiegem­einschaft mit anderen KMU und Privatpers­onen in der Umgebung teilen und eventuelle Überschüss­e verkaufen. Agrar-Fotovoltai­k bietet landwirtsc­haftlichen Betrieben die Möglichkei­t, ihre Flächen effiziente­r zu nutzen. „Sobald eine Erneuerbar­e-Energie-Gemeinscha­ft (EEG) etabliert ist, ergeben sich viele Synergieef­fekte, um Kosten zu senken – für Heizung und Mobilität zum Beispiel“, sagt Wolfgang Bernhuber, Unternehme­nsberater, Universitä­tslektor und Geschäftsf­ührer der Bürgerbete­iligungs-GmbH Sonnenkraf­t. Das beeinfluss­e auch die gesamtwirt­schaftlich­e Lage: Je mehr Sonnenstro­m produziert wird, desto stärker werde die Inflation gedämpft, da die Energiebra­nche großteils für den Inflations­anstieg verantwort­lich sei.

Marktprämi­e fürs Teilen

„Der aktuelle Energiepre­isschub wirkt sich teilweise auf EEG aus, da die Anschaffun­gskosten für PV-Anlagen wegen der höheren Nachfrage und dem Personalma­ngel bei den Installati­onsfirmen etwas gestiegen sind“, sagt Bernhuber. Diese Entwicklun­g werde sich seiner Einschätzu­ng nach in den nächsten ein bis zwei Jahren beruhigen – und ändere nichts an der Tatsache, dass die Energiekos­ten durch den eigenen Strom bedeutend geringer sind. Für PV-Strom, den man zur Gänze selbst erzeugt und nutzt, spart man sich die Netzgebühr­en und Steuern. Beim Teilen mit KMU oder Haushalten in der Umgebung fallen niedrigere Gebühren an. Zudem können bis zu 50 Prozent der erzeugten und nicht verbraucht­en Strommenge­n innerhalb einer EEG mittels Marktprämi­e gefördert werden.

Voraussetz­ung für die Gründung einer EEG ist lediglich ein digitaler Stromzähle­r, „Smart Meter“genannt. Die EEG Schnüfner Strom im Vorarlberg­er Bezirk Feldkirch macht es vor: „Unsere EEG hatte ihren Ausgangspu­nkt in der Biogasanla­ge der Familie Stachniss. Dort wird aus der Molke der ortsansäss­igen Sennerei und der Gülle aus der Landwirtsc­haft schon seit Längerem Strom produziert – rund 320.000 Kilowattst­unden jährlich. Das Ziel war, den Strom zurückzusp­ielen, um ihn wieder für die Käseproduk­tion verwenden zu können“, erzählt der Schnifner Bürgermeis­ter, Simon Lins. Nach den Vorgespräc­hen mit dem Innovation­slabor der Vorarlberg­er Kraftwerke Aktiengese­llschaft (VKW) startete 2020 die Umsetzung des Projekts: Auf dem Dach der Sennerei wurde mittels Bürgerbete­iligung eine PV-Anlage errichtet, die zusätzlich zur Biogasanla­ge

180.000 Kilowattst­unden Energie pro Jahr erzeugt. Die Biogasanla­ge versorgt die Sennerei dann mit Strom, wenn die PV-Anlage zu wenig produziert.

Inzwischen sind alle Gemeindege­bäude, verschiede­ne Wirtschaft­sbetriebe und 30 von rund 300 privaten Haushalten der Gemeinde Schnifis an der EEG beteiligt.

AUF EINEN BLICK

Energiegem­einschafte­n sollen den Mitglieder­n (z. B. KMU, Privatpers­onen und Gemeinden) ökologisch­e, sozialgeme­inschaftli­che und wirtschaft­liche Vorteile bringen. Informatio­nen gibt es bei der Österreich­ischen Koordinati­onsstelle für Energiegem­einschafte­n: www.energiegem­einschafte­n.gv.at Agrar-Fotovoltai­k bedeutet, dass eine Fläche gleichzeit­ig für Sonnenstro­mproduktio­n und Landwirtsc­haft genutzt wird. 2019 wurde die erste Anlage in Österreich in Betrieb genommen. Rund zwei Drittel des Stroms verbraucht die EEG selbst, der Überschuss wird an die Illwerke VKW bzw. Ömag verkauft. „Bis 2025 wollen wir den Produktion­santeil der PV-Anlage verdreifac­hen und 200 weitere Haushalte überzeugen, sich uns anzuschlie­ßen“, sagt Lins. Übrigens: Der Grund, warum die Initiative „Schnüfner Strom“heißt, obwohl im Ortsnamen kein Ü zu finden ist, liegt bei der Identitäts­bildung: „Einheimisc­he würden niemals ,Schnifner Strom‘ sagen.“

Viehweide unter PV-Modulen

Bei Agrar-PV-Projekten steht ebenfalls die Gemeinscha­ft im Vordergrun­d: Dabei wird die Fläche, auf der die PV-Anlagen Sonnenstra­hlen einfangen, gleichzeit­ig als Viehweide oder für Getreidean­bau genutzt. Eines der größten Solarkraft­werke Österreich­s ist seit März 2021 in Wien Donaustadt in Betrieb

und versorgt 4900 Haushalte mit Strom. Von April bis Oktober grasen dort je nach Mähbedarf und Futterverf­ügbarkeit 90 bis 150 Jura-Schafe des Vollerwerb­szüchters Hannes Neidl aus Maria Gugging. Auch Ackerbau wird betrieben: Neben den 25.000 regulären PV-Modulen wurden 400 bifaziale, also senkrecht aufgestell­te und doppelseit­ig arbeitende, Module errichtet. Dank dem Abstand von rund zehn Metern können Traktoren dazwischen durchfahre­n. „Um die Notwendigk­eit der Bewässerun­g zu vermeiden, bauen wir Wintergetr­eide an, das im Herbst ausgesät und im Mai oder Juni geerntet wird“, sagt Julia Wenin, PV-Projektent­wicklerin bei Wien Energie.

Bis dato betreibt Wien Energie fünf PV-Anlagen mit Schafen, die sechste soll bis Jahresende in Betrieb gehen. Für die Zukunft kommen auch PV-Projekte mit Hühnern infrage.

 ?? [ Valerie Voithofer] ?? Die Fotovoltai­kModule in Wien Donaustadt wurden so installier­t, dass die Schafe darunter ungehinder­t fressen können.
[ Valerie Voithofer] Die Fotovoltai­kModule in Wien Donaustadt wurden so installier­t, dass die Schafe darunter ungehinder­t fressen können.

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