Gemeinschaftlich zu grüner Energie
Chancen. Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) und Agrar-Fotovoltaik machen es für KMU und Privatpersonen einfacher, sich an der Energiewende zu beteiligen und langfristig Kosten zu sparen. Einige Beispiele.
Alternative Energie-Erzeugung ist jetzt nicht mehr nur aus umweltschonenden, sondern auch aus finanziellen Gründen unabdingbar. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die über eine Fotovoltaik (PV-)Anlage verfügen, können den selbst produzierten Strom im Rahmen einer Energiegemeinschaft mit anderen KMU und Privatpersonen in der Umgebung teilen und eventuelle Überschüsse verkaufen. Agrar-Fotovoltaik bietet landwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit, ihre Flächen effizienter zu nutzen. „Sobald eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) etabliert ist, ergeben sich viele Synergieeffekte, um Kosten zu senken – für Heizung und Mobilität zum Beispiel“, sagt Wolfgang Bernhuber, Unternehmensberater, Universitätslektor und Geschäftsführer der Bürgerbeteiligungs-GmbH Sonnenkraft. Das beeinflusse auch die gesamtwirtschaftliche Lage: Je mehr Sonnenstrom produziert wird, desto stärker werde die Inflation gedämpft, da die Energiebranche großteils für den Inflationsanstieg verantwortlich sei.
Marktprämie fürs Teilen
„Der aktuelle Energiepreisschub wirkt sich teilweise auf EEG aus, da die Anschaffungskosten für PV-Anlagen wegen der höheren Nachfrage und dem Personalmangel bei den Installationsfirmen etwas gestiegen sind“, sagt Bernhuber. Diese Entwicklung werde sich seiner Einschätzung nach in den nächsten ein bis zwei Jahren beruhigen – und ändere nichts an der Tatsache, dass die Energiekosten durch den eigenen Strom bedeutend geringer sind. Für PV-Strom, den man zur Gänze selbst erzeugt und nutzt, spart man sich die Netzgebühren und Steuern. Beim Teilen mit KMU oder Haushalten in der Umgebung fallen niedrigere Gebühren an. Zudem können bis zu 50 Prozent der erzeugten und nicht verbrauchten Strommengen innerhalb einer EEG mittels Marktprämie gefördert werden.
Voraussetzung für die Gründung einer EEG ist lediglich ein digitaler Stromzähler, „Smart Meter“genannt. Die EEG Schnüfner Strom im Vorarlberger Bezirk Feldkirch macht es vor: „Unsere EEG hatte ihren Ausgangspunkt in der Biogasanlage der Familie Stachniss. Dort wird aus der Molke der ortsansässigen Sennerei und der Gülle aus der Landwirtschaft schon seit Längerem Strom produziert – rund 320.000 Kilowattstunden jährlich. Das Ziel war, den Strom zurückzuspielen, um ihn wieder für die Käseproduktion verwenden zu können“, erzählt der Schnifner Bürgermeister, Simon Lins. Nach den Vorgesprächen mit dem Innovationslabor der Vorarlberger Kraftwerke Aktiengesellschaft (VKW) startete 2020 die Umsetzung des Projekts: Auf dem Dach der Sennerei wurde mittels Bürgerbeteiligung eine PV-Anlage errichtet, die zusätzlich zur Biogasanlage
180.000 Kilowattstunden Energie pro Jahr erzeugt. Die Biogasanlage versorgt die Sennerei dann mit Strom, wenn die PV-Anlage zu wenig produziert.
Inzwischen sind alle Gemeindegebäude, verschiedene Wirtschaftsbetriebe und 30 von rund 300 privaten Haushalten der Gemeinde Schnifis an der EEG beteiligt.
AUF EINEN BLICK
Energiegemeinschaften sollen den Mitgliedern (z. B. KMU, Privatpersonen und Gemeinden) ökologische, sozialgemeinschaftliche und wirtschaftliche Vorteile bringen. Informationen gibt es bei der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften: www.energiegemeinschaften.gv.at Agrar-Fotovoltaik bedeutet, dass eine Fläche gleichzeitig für Sonnenstromproduktion und Landwirtschaft genutzt wird. 2019 wurde die erste Anlage in Österreich in Betrieb genommen. Rund zwei Drittel des Stroms verbraucht die EEG selbst, der Überschuss wird an die Illwerke VKW bzw. Ömag verkauft. „Bis 2025 wollen wir den Produktionsanteil der PV-Anlage verdreifachen und 200 weitere Haushalte überzeugen, sich uns anzuschließen“, sagt Lins. Übrigens: Der Grund, warum die Initiative „Schnüfner Strom“heißt, obwohl im Ortsnamen kein Ü zu finden ist, liegt bei der Identitätsbildung: „Einheimische würden niemals ,Schnifner Strom‘ sagen.“
Viehweide unter PV-Modulen
Bei Agrar-PV-Projekten steht ebenfalls die Gemeinschaft im Vordergrund: Dabei wird die Fläche, auf der die PV-Anlagen Sonnenstrahlen einfangen, gleichzeitig als Viehweide oder für Getreideanbau genutzt. Eines der größten Solarkraftwerke Österreichs ist seit März 2021 in Wien Donaustadt in Betrieb
und versorgt 4900 Haushalte mit Strom. Von April bis Oktober grasen dort je nach Mähbedarf und Futterverfügbarkeit 90 bis 150 Jura-Schafe des Vollerwerbszüchters Hannes Neidl aus Maria Gugging. Auch Ackerbau wird betrieben: Neben den 25.000 regulären PV-Modulen wurden 400 bifaziale, also senkrecht aufgestellte und doppelseitig arbeitende, Module errichtet. Dank dem Abstand von rund zehn Metern können Traktoren dazwischen durchfahren. „Um die Notwendigkeit der Bewässerung zu vermeiden, bauen wir Wintergetreide an, das im Herbst ausgesät und im Mai oder Juni geerntet wird“, sagt Julia Wenin, PV-Projektentwicklerin bei Wien Energie.
Bis dato betreibt Wien Energie fünf PV-Anlagen mit Schafen, die sechste soll bis Jahresende in Betrieb gehen. Für die Zukunft kommen auch PV-Projekte mit Hühnern infrage.