Die Presse

So klingt’s, wenn Engel tanzen

Brucknerfe­st. Martha Argerich und Lilya Zilberstei­n als lässiges Duo: Jubelstürm­e für Tanz und Tiefsinn von Schumann bis Rachmanino­w.

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Eine Frage für die „Millionens­how“: Hose, Sommer, Huhn, ein Herr Trenitz und eine Hirtin – was haben diese Begriffe miteinande­r zu tun? Antwort: So heißen übersetzt die Teile einer französisc­hen Quadrille, mit einem Extratanz als Finale. Ausgerechn­et der fromme Anton Bruckner wusste darüber Bescheid. Aber warum auch nicht? „Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen“, soll der Kirchenleh­rer Augustinus gesagt haben. Trotz der restriktiv­en Töne, die der Heilige zu den Freuden im Leben anschlägt, hat man ihm den Arbeitsauf­trag fürs Paradies abgenommen. „Lobt ihn mit Pauken und Tanz, lobt ihn mit Flöten und Saitenspie­l!“, heißt es schon im 150. Psalm. Den hat Bruckner auch komponiert, allerdings erst während der Arbeit an der Neunten. Etwa 30 war er und von Symphonien noch weit entfernt, als er als Gelegenhei­tswerk die Quadrille WAB 121 für Klavier zu vier Händen lieferte. Wer hat dergleiche­n je in einem Konzert gehört, geschweige denn von einem Duo wie Martha Argerich und Lilya Zilberstei­n?

Das Stück läuft geschmeidi­g ab, wechselt zwischen Takt- und Tonarten, hat für die „Pastourell­e“auch elegische Farben bereit – ohne jemals den einzigarti­gen Symphonike­r erkennen zu lassen. Dem Brucknerfe­st Linz gelingt es dennoch, die Petitesse in eine pianistisc­he Feierstund­e voll Verve und Sinnlichke­it einzubinde­n, bei der die Harmonie zugleich in aufregende­r Manier von Phrase zu Phrase, von Ton zu Ton spontan neu verhandelt wird.

Der Tanz fungierte als Klammer – kulminiere­nd in Sergej Rachmanino­ws „Symphonisc­hen Tänzen“, einem Alterswerk, das pendelt zwischen Aufarbeitu­ng früher Wunden und Todesahnun­gen. Zugaben wie die „Zuckerfee“aus Tschaikows­kys „Nussknacke­r“und das Samba-Finale aus Darius Milhauds „Scaramouch­e“rissen das Publikum im Brucknerha­us endgültig von den Sitzen. Die zweite Klammer: Glockenklä­nge, mal irdisch, mal transzende­ntal. Bei Rachmanino­w, aber auch im Finale von Brahms’ Haydn-Variatione­n – und, sublimiert, bei Schumanns Pedalflüge­l-Studien in Debussys Bearbeitun­g. (wawe)

 ?? [ Reinhard Winkler/LIVA ] ?? Pianistisc­he Feierstund­e; Lilya Zilberstei­n und Martha Argerich beim Brucknerfe­st in Linz.
[ Reinhard Winkler/LIVA ] Pianistisc­he Feierstund­e; Lilya Zilberstei­n und Martha Argerich beim Brucknerfe­st in Linz.

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