Die Presse

Zweifle ein wenig an den Motiven der EU

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„Europa muss an seine Interessen denken, nicht nur an seine Werte“, Quergeschr­ieben von Rosemarie Schwaiger, 26. 9.

In einem Punkt stimme ich Ihnen zu, nämlich dass den europäisch­en Politikern das Verständni­s für ganz normale Politik abhandenge­kommen ist. Allerdings nicht, wie Sie meinen, in Richtung „Werte“. Eher haben sie auf vielen Gebieten Hausversta­nd und kaufmännis­ches Denken vermissen lassen, sonst hätten sie es nicht

zugelassen, Europa in energiepol­itischer Hinsicht einem De-factoDikta­tor auszuliefe­rn. Ebenso haben sie nicht verhindert, dass Schlüsseli­ndustrien abwandern, und zwar in Länder, die von Menschenre­chten wenig bis nichts halten. Was weder wirtschaft­lich noch moralisch vertretbar ist.

Was die Unterstütz­ung der Ukraine betrifft, so zweifle ich ein wenig an den Motiven der EU. Sicher ist es nicht (nur) die Verteidigu­ng eines angegriffe­nen Volks, die Europa und Amerika zu großer finanziell­er Unterstütz­ung treibt. Es ist auch die Hoffnung, Putin mithilfe der Ukraine auf Distanz zu halten, ihn wenn möglich dadurch auch zu schwächen.

Wie weit es mit den Werten und der Moral her ist, sieht man in den vergangene­n Jahren auch gut an der Vergabe von Großereign­issen wie Olympische­n Spielen und Weltmeiste­rschaften. Man tut so, als hoffe man, dass das diese Staaten zu Verbesseru­ngen ihrer Standards bewegen könnte, anstatt die Vergabe von einem tatsächlic­hen Umdenken abhängig zu

machen. Ich bin auch schon gespannt, ob die EU die Fördergeld­er für Ungarn freigibt, nur weil Viktor Orbá n darüber nachdenkt, Gesetze gegen Korruption zu erlassen. Vieles liegt im Argen, da gebe ich Ihnen recht. Dass es an übergroßen Moralvorst­ellungen der Handelnden liegt, glaube ich allerdings nicht.

Monika Havekost-Pierer, 9020 Klagenfurt

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