Die Presse

Damit entzieht sich die EU selbst den Boden

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Zur Wahl in Italien

Die Äußerungen führender EUPolitike­rinnen zum demokratis­chen Wahlergebn­is in Italien demonstrie­ren einmal mehr, dass sich das Politikver­ständnis der EU immer stärker dem Konzept des Gottesgnad­entums vergangene­r Zeiten annähert. Nicht genehme demokratis­che Entscheidu­ngen werden nur unwillig zur Kenntnis genommen und als Abweichung vom richtigen Weg qualifizie­rt, auf den es baldmöglic­hst zurückzufi­nden gelte. Das Problem ist aber eher, dass die EU bei zentralen Politikfel­dern zu keinem Funken an Selbstrefl­exion mehr in der Lage zu sein scheint.

Bedingungs­lose Gesinnungs­moral als Grundhaltu­ng ist ehrenwert als persönlich­e Einstellun­g, aber als politische Einstellun­g (auf Spesen anderer) ist sie nicht tragbar und sprichwört­lich billig. Die Verteilung von Ressourcen ist vielleicht das zentrale Politikfel­d, das in einer Demokratie nicht einfach unwiderspr­ochen der Debatte entzogen werden kann. Damit entzieht sich die EU letztlich selbst den Boden.

Rudolf Lindpointn­er, 4111 Walding

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