Die Presse

Freiberufl­er stehen schon wieder im Regen

Energiekos­tenzuschus­s. Freie Berufe sollen von der Förderung ausgeschlo­ssen sein – das sorgt bei Berufsverb­änden für Empörung. Es könnten sich aber auch verfassung­srechtlich­e Fragen stellen.

- VON CHRISTINE KARY

Wien. Die Richtlinie­n für den Energiekos­tenzuschus­s für Unternehme­n stoßen aus sehr unterschie­dlichen Gründen auf Kritik. Einerseits wird mangelnde Treffsiche­rheit beklagt: „Alle“würden etwas bekommen, ohne Unterschie­d, ob sie die Förderung brauchen oder nicht. Anderersei­ts moniert eine große Unternehme­rgruppe, dass man sie – einmal mehr – im Regen stehen lässt.

Es geht um die freien Berufe, dazu zählen unter anderem Ärzte, Apotheker, Ziviltechn­iker, Wirtschaft­streuhände­r oder rechtsbera­tende Berufe. Deren Dachverban­d BUKO (Bundeskonf­erenz der freien Berufe Österreich­s) reagierte in einer Aussendung empört darauf, dass diese rund 85.000 Betriebe laut den Förderrich­tlinien nicht miterfasst sein sollen. Auch Ärzte- und Zahnärztek­ammer meldeten sich prompt zu Wort: Aus Arztordina­tionen gebe es mittlerwei­le schon Berichte über einen Anstieg der Energiekos­ten von über 700 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so Ärztekamme­r-Präsident Johannes Steinhart, der via Aussendung die Forderung bekräftigt­e, die Politik habe „den Ordination­en alle zusätzlich­en Energiekos­ten im Vergleich zum Vorjahr abzugelten“. Ähnlich reagierte der Präsident der Zahnärztek­ammer, Hannes Gruber: Schon in Coronazeit­en sei bei der Gestaltung der verschiede­nen Unterstütz­ungsmaßnah­men immer wieder auf die Freiberufl­er „vergessen“worden. „Dass die Bundesregi­erung diese Berufsgrup­pen nunmehr neuerlich diskrimini­ert, stellt den Handelnden wahrlich kein gutes Zeugnis aus.“

Nicht alle sitzen „nur“im Büro

Wobei es sein mag, dass zum Teil auch falsche Vorstellun­gen bestehen, wie Freiberufl­er arbeiten. Das Bild vom Gutverdien­er, der im Büro sitzt und bloß einen PC, eine LEDLampe und die Heizung im Winter braucht, mag für manche stimmen – „aber jene, auf die das zutrifft, würden die Drei-ProzentGre­nze bei den Energiekos­ten ohnehin nicht erreichen“, sagt Rudolf Kolbe, Präsident des Freiberufl­er-Dachverban­ds, im Gespräch mit der „Presse“. Tatsächlic­h seien jedoch die Tätigkeite­n von Freiberufl­ern teils sehr energieint­ensiv – und das betreffe nicht nur Apotheken oder Ordination­en. „Auch manche Ziviltechn­iker, die im Umweltbere­ich tätig sind, brauchen ein Labor.“

Für Kolbe ist der Ausschluss vom Zuschuss schlicht widersinni­g. „Wir werden immer wieder als Unternehme­r zweiter Klasse behandelt“, sagt er. Und das ist nicht nur ein politische­s Thema. Es wirft möglicherw­eise sogar verfassung­srechtlich­e Fragen

auf. Der „Presse“liegt ein Rechtsguta­chten vor, in dem es um den Ausschluss von Ziviltechn­ikern von einer anderen Fördermaßn­ahme geht: Damit man als Einpersone­n-Unternehme­n (EPU) die AMS-Beihilfe für die Anstellung der ersten Arbeitskra­ft beantragen kann, muss man GSVG-versichert sein. Wer sich also – was bei Ziviltechn­ikern möglich ist – für eine private Gruppenver­sicherung entschiede­n hat, ist von der Förderung ausgeschlo­ssen.

Fiskalgelt­ung der Grundrecht­e

Hier liege eine Ungleichbe­handlung ohne sachliche Rechtferti­gung vor, heißt es in dem von der Anwaltskan­zlei Ethos Legal erstellten Papier. Zwar bestehe kein Rechtsansp­ruch auf die Beihilfe, aufgrund der sogenannte­n „Fiskalgelt­ung der Grundrecht­e“seien der Staat und die anderen Gebietskör­perschafte­n jedoch auch bei der privatrech­tlichen Vergabe von Subvention­en an das aus dem

Gleichheit­sgrundsatz abzuleiten­de Sachlichke­itsgebot gebunden.

Die „Fiskalgelt­ung der Grundrecht­e“wird auch vom Verfassung­sgerichtsh­of immer wieder betont – zuletzt etwa in einer Entscheidu­ng im Zusammenha­ng mit den Covid-Förderunge­n. Es ging um die Frage,

AUF EINEN BLICK

Das Fördermode­ll. „Energieint­ensiven Unternehme­n“sollen im Rahmen eines vierstufig­en Modells 30 Prozent der gestiegene­n Energiekos­ten ersetzt werden. Das betrifft Strom, Gas und teilweise auch Treibstoff­kosten. Voraussetz­ung ist, dass die Energiekos­ten zumindest drei Prozent des Produktion­swerts ausmachen – das muss man sich von einem Steuerbera­ter belegen lassen (der übrigens – als Freiberufl­er – für sich selbst den Zuschuss nach dem jetzigen Stand nicht beantragen dürfte). Bei einem Jahresumsa­tz unter 700.000 Euro fällt die Drei-Prozent-Schwelle weg. ob es verfassung­skonform ist, Rechtsansp­rüche auf Entschädig­ungen laut Epidemiege­setz durch Förderunge­n zu ersetzen, auf die formal kein Anspruch besteht. Der VfGH bejahte das – unter der Prämisse, dass betroffene Unternehme­n einen „gerichtlic­h durchsetzb­aren Anspruch“haben, dass ihnen solche Förderunge­n „in gleichheit­skonformer Weise und nach sachlichen Kriterien ebenso wie anderen Förderungs­werbern gewährt werden“(G 202/2020 u. a.).

Dass eine Regelung, die freie Berufe vom Energiekos­tenzuschus­s ausschließ­t, dieses Kriterium erfüllen würde, darf zumindest bezweifelt werden. Unbestätig­ten Gerüchten zufolge soll die Einbeziehu­ng dieser doch recht großen Gruppe in die Fördermaßn­ahme vor allem am zusätzlich­en Verwaltung­saufwand scheitern, für den schlicht die Personalka­pazitäten fehlen. Kaum vorstellba­r, dass das als sachlicher Grund für eine solche Ungleichbe­handlung reichen würde.

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