Freiberufler stehen schon wieder im Regen
Energiekostenzuschuss. Freie Berufe sollen von der Förderung ausgeschlossen sein – das sorgt bei Berufsverbänden für Empörung. Es könnten sich aber auch verfassungsrechtliche Fragen stellen.
Wien. Die Richtlinien für den Energiekostenzuschuss für Unternehmen stoßen aus sehr unterschiedlichen Gründen auf Kritik. Einerseits wird mangelnde Treffsicherheit beklagt: „Alle“würden etwas bekommen, ohne Unterschied, ob sie die Förderung brauchen oder nicht. Andererseits moniert eine große Unternehmergruppe, dass man sie – einmal mehr – im Regen stehen lässt.
Es geht um die freien Berufe, dazu zählen unter anderem Ärzte, Apotheker, Ziviltechniker, Wirtschaftstreuhänder oder rechtsberatende Berufe. Deren Dachverband BUKO (Bundeskonferenz der freien Berufe Österreichs) reagierte in einer Aussendung empört darauf, dass diese rund 85.000 Betriebe laut den Förderrichtlinien nicht miterfasst sein sollen. Auch Ärzte- und Zahnärztekammer meldeten sich prompt zu Wort: Aus Arztordinationen gebe es mittlerweile schon Berichte über einen Anstieg der Energiekosten von über 700 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart, der via Aussendung die Forderung bekräftigte, die Politik habe „den Ordinationen alle zusätzlichen Energiekosten im Vergleich zum Vorjahr abzugelten“. Ähnlich reagierte der Präsident der Zahnärztekammer, Hannes Gruber: Schon in Coronazeiten sei bei der Gestaltung der verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen immer wieder auf die Freiberufler „vergessen“worden. „Dass die Bundesregierung diese Berufsgruppen nunmehr neuerlich diskriminiert, stellt den Handelnden wahrlich kein gutes Zeugnis aus.“
Nicht alle sitzen „nur“im Büro
Wobei es sein mag, dass zum Teil auch falsche Vorstellungen bestehen, wie Freiberufler arbeiten. Das Bild vom Gutverdiener, der im Büro sitzt und bloß einen PC, eine LEDLampe und die Heizung im Winter braucht, mag für manche stimmen – „aber jene, auf die das zutrifft, würden die Drei-ProzentGrenze bei den Energiekosten ohnehin nicht erreichen“, sagt Rudolf Kolbe, Präsident des Freiberufler-Dachverbands, im Gespräch mit der „Presse“. Tatsächlich seien jedoch die Tätigkeiten von Freiberuflern teils sehr energieintensiv – und das betreffe nicht nur Apotheken oder Ordinationen. „Auch manche Ziviltechniker, die im Umweltbereich tätig sind, brauchen ein Labor.“
Für Kolbe ist der Ausschluss vom Zuschuss schlicht widersinnig. „Wir werden immer wieder als Unternehmer zweiter Klasse behandelt“, sagt er. Und das ist nicht nur ein politisches Thema. Es wirft möglicherweise sogar verfassungsrechtliche Fragen
auf. Der „Presse“liegt ein Rechtsgutachten vor, in dem es um den Ausschluss von Ziviltechnikern von einer anderen Fördermaßnahme geht: Damit man als Einpersonen-Unternehmen (EPU) die AMS-Beihilfe für die Anstellung der ersten Arbeitskraft beantragen kann, muss man GSVG-versichert sein. Wer sich also – was bei Ziviltechnikern möglich ist – für eine private Gruppenversicherung entschieden hat, ist von der Förderung ausgeschlossen.
Fiskalgeltung der Grundrechte
Hier liege eine Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung vor, heißt es in dem von der Anwaltskanzlei Ethos Legal erstellten Papier. Zwar bestehe kein Rechtsanspruch auf die Beihilfe, aufgrund der sogenannten „Fiskalgeltung der Grundrechte“seien der Staat und die anderen Gebietskörperschaften jedoch auch bei der privatrechtlichen Vergabe von Subventionen an das aus dem
Gleichheitsgrundsatz abzuleitende Sachlichkeitsgebot gebunden.
Die „Fiskalgeltung der Grundrechte“wird auch vom Verfassungsgerichtshof immer wieder betont – zuletzt etwa in einer Entscheidung im Zusammenhang mit den Covid-Förderungen. Es ging um die Frage,
AUF EINEN BLICK
Das Fördermodell. „Energieintensiven Unternehmen“sollen im Rahmen eines vierstufigen Modells 30 Prozent der gestiegenen Energiekosten ersetzt werden. Das betrifft Strom, Gas und teilweise auch Treibstoffkosten. Voraussetzung ist, dass die Energiekosten zumindest drei Prozent des Produktionswerts ausmachen – das muss man sich von einem Steuerberater belegen lassen (der übrigens – als Freiberufler – für sich selbst den Zuschuss nach dem jetzigen Stand nicht beantragen dürfte). Bei einem Jahresumsatz unter 700.000 Euro fällt die Drei-Prozent-Schwelle weg. ob es verfassungskonform ist, Rechtsansprüche auf Entschädigungen laut Epidemiegesetz durch Förderungen zu ersetzen, auf die formal kein Anspruch besteht. Der VfGH bejahte das – unter der Prämisse, dass betroffene Unternehmen einen „gerichtlich durchsetzbaren Anspruch“haben, dass ihnen solche Förderungen „in gleichheitskonformer Weise und nach sachlichen Kriterien ebenso wie anderen Förderungswerbern gewährt werden“(G 202/2020 u. a.).
Dass eine Regelung, die freie Berufe vom Energiekostenzuschuss ausschließt, dieses Kriterium erfüllen würde, darf zumindest bezweifelt werden. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll die Einbeziehung dieser doch recht großen Gruppe in die Fördermaßnahme vor allem am zusätzlichen Verwaltungsaufwand scheitern, für den schlicht die Personalkapazitäten fehlen. Kaum vorstellbar, dass das als sachlicher Grund für eine solche Ungleichbehandlung reichen würde.