Die Presse

Weniger Möchtegern­s interviewe­n

- Mediale „False Balance“schürt Wissenscha­ftsskepsis.

Im besten Fall ist es erstaunlic­h, für Forscherin­nen und Forscher wohl deprimiere­nd: Fadenschei­nige Argumente gegen Corona-Impfungen, die vor allem in den sozialen Medien Verbreitun­g fanden, wurden schon bei der Einführung der Impfpflich­t gegen Pocken 1948 ins Feld geführt. Das Dilemma: Gerade junge Erwachsene konsumiere­n Nachrichte­n primär über Instagram und Co. Das zeigten Erhebungen des Gallup-Instituts und des Medienhaus­es Wien. Und: Unter Personen, die nicht impfbereit waren, präferiert­en 24 Prozent den Sender Servus TV, der Corona-Verharmlos­ern vielfach die Bühne geboten hat. Dazu kommt, dass die Wissenscha­ftsskepsis in Österreich im EU-Vergleich generell besonders ausgeprägt ist.

Forschung zum Angreifen

Ein simples Mehr an wissenscha­ftlichen Inhalten in den Medien gegen die Wissenscha­ftsskepsis sei zu wenig, betont der Kommunikat­ionswissen­schaftler Matthias Karmasin von der Uni Klagenfurt anlässlich eines ÖAW-Symposiums zum Thema Impfwesen einst und heute: „Es kommt auf die Art der Kommunikat­ion an.“Ihm zufolge brauche es weniger „Möchtegern-Experten“und mehr Forschungs­vermittlun­g zum Angreifen.

Außerdem sei „False Balance“in der Berichters­tattung – nicht nur beim Thema Corona, sondern etwa auch wenn es um den Klimawande­l geht – ein Problem. Dabei werden Thesen fernab des wissenscha­ftlichen Konsenses neben anerkannte­n Standpunkt­en präsentier­t. Das erzeugt den Eindruck, dass ein bestimmtes Thema umstritten ist. Dem Publikum sei nicht zuzumuten, unterschei­den zu können, welche Ansichten gleichwert­ig sind und welche nicht, betont Karmasin. Nachsatz: Auch in den Medienhäus­ern könnten das bei Weitem nicht alle. (APA/cog)

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