Die Presse

Wenn ein Sieger neue Freunde braucht

Lettland. Konservati­ve von Premier Krĭsj¯an¸is Karinˇs nach Wahl mit Abstand stärkste Kraft. Allerdings schnitten die anderen Koalitions­partner schlecht ab, Karinˇs braucht neue Partner. Russen-Partei fliegt wohl aus Parlament.

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Riga. Die Menschen der kleinen baltischen Republik Lettland (zwei Millionen Einwohner) haben vor dem Hintergrun­d des russischen Angriffskr­iegs in der Ukraine und der Sorgen über steigende Energiepre­ise die liberalkon­servative Partei Vienot¯ıba (Einigkeit) von Regierungs­chef Krisˇja¯n¸is Karinsˇ am Samstag zur stärksten politische­n Kraft gewählt. Wegen des schlechten Abschneide­ns der drei anderen bisherigen Partner in der Koalition, blieb allerdings offen, wie die künftige Regierung aussehen könnte.

Vienot¯ıba erhielt nach Angaben der Wahlkommis­sion vom Sonntag (Auszählung­sgrad etwa 97 Prozent) etwa 19 Prozent der Stimmen. 2018 hatte sie nur 6,7 Prozent erhalten, Sieger waren damals eigentlich die prorussisc­hen Sozialdemo­kraten (ca. 20%). Allerdings bildete sich eine tragfähige rechtskons­ervative Koalition aus anfangs sogar fünf Parteien, und just deren kleinste, Vienot¯ıba, stellte den Premier. Im EU-Parlament gehört Vienot¯ıba zur EVP-Fraktion.

Zweitstärk­ste Kraft wurde nun das opposition­elle Bündnis der Bauern und Grünen (rund 13%) vor dem neugebilde­ten Mittelinks-Wahlbündni­s

Vereinigte Liste (elf Prozent). Von Karinsˇ’ bisherigen drei Koalitions­partnern schaffte nur einer sicher den Sprung ins Parlament, nämlich die Nationale Vereinigun­g „Alles für Lettland“(9,3 %).

Aus mit der „Harmonie“

Im Wahlkampf hatte Premier Karinsˇ (57) den Wählern versproche­n, die Sicherheit des Ostseestaa­ts zu stärken und das Wohlergehe­n der Bevölkerun­g zu erhöhen. Lettland grenzt an Russland und Belarus und sieht den Krieg in der Ukraine als direkte Gefahr für seine Sicherheit, es sind auch Truppen aus anderen Nato-Staaten in Lettland stationier­t.

Gemeinsam mit Estland und Litauen forderte die Regierung in der alten Hansestadt Riga immer wieder ein härteres Vorgehen des Westens gegen Russland. Den aktuellen Beitrittsa­ntrag der Ukraine zur Nato begrüßen sie und lehnen die Aufnahme fliehender russischer Reserviste­n ab.

Größter Verlierer des Votums ist die auch „Harmonie“genannte Sozialdemo­kratenpart­ei. Ihre Kernwähler kommen aus der großen russischst­ämmigen Minderheit (etwa 26 % der Bevölkerun­g). Diese bei Wahlen seit Langem meist stärkste Partei erhielt jetzt nur knapp unter fünf Prozent und fliegt wohl aus dem Parlament, der Saeima. Zur Wahl angetreten waren satte 19 Parteien, mindestens acht ziehen ins Parlament ein.

Karinsˇ, der als erster lettischer Premier eine volle Amtszeit von vier Jahren überstand, würde gern auch die neue Regierung führen. Dazu braucht der in den USA geborene Unternehme­r und frühere EU-Abgeordnet­e aber neue Alliierte. Die Sache dürfte nicht eben einfach werden, Experten rechnen mit schwierige­n Koalitions­verhandlun­gen. Präsident Egils Levits, der den Auftrag zur Regierungs­bildung erteilen muss, will am Montag entspreche­nde Gespräche führen. (APA/DPA/wg)

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[AFP] Premier Karinˇs möchte gern weitermach­en.

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