Firmenanleihen mit bösem Omen
Analyse. Die Zinsdifferenz zwischen ausstehenden und aktuell neu begebenen Unternehmensanleihen stieg auf den höchsten Wert seit dem Jahr 1998.
Frankfurt. Es war noch nie so teuer für europäische Unternehmen, bestehende Anleihen durch neue zu refinanzieren. Für künftige Zahlungsausfälle lässt das nichts Gutes erwarten.
Die Zinsdifferenz zwischen ausstehenden und aktuell neu begebenen Unternehmensanleihen stieg laut einem von Bloomberg aggregierten Index am vergangenen Montag auf 250 Basispunkte – der höchste Wert seit 1998, als der Index erstmals berechnet wurde. Anders gesagt, Unternehmen müssen pro 100 Millionen Euro, die sie umschulden, 2,5 Millionen Euro mehr an Zinsen zahlen.
Damit hat sich die Situation am Kreditmarkt in ihr Gegenteil verkehrt: für den größten Teil des letzten Jahrzehnts waren die Refinanzierungskosten niedriger, nicht höher. Noch zu Jahresanfang etwa lag die Rendite neuer Anleihen etwa 90 Basispunkte unter der ausstehender Schulden.
Auch das Ausmaß der Kehrtwende ist beispiellos. Der Sprung von 339 Basispunkten seit Anfang 2022 ist weit größer als der letzte Rekord, der von 1999 stammt. Und da die Europäische Zentralbank ihre Zinswende gerade erst begonnen hat, werden die Kosten weiter steigen.
„Die Unternehmen gehen zwar aus einer Position der Stärke in diese schwierige Zeit, aber Tempo und Ausmaß des Anstiegs lassen eine erhebliche Zunahme der Zahlungsausfälle erwarten, wenn auch von einem sehr niedrigen Niveau aus“, sagt Daniel Ender von Actiam, einem Fonds mit rund 22 Milliarden Euro unter Verwaltung. „Die Ausfälle werden wohl von einem historischen Tiefstand auf einen Wert ansteigen, der über dem langfristigen Durchschnitt liegt.“
Anstieg der Kreditausfälle
Ein weiteres ominöses Zeichen: Mehr als ein Viertel der rund 750 in Euro begebenen Ramschanleihen, die von einem weiteren Bloomberg-Index abgebildet werden, handeln derzeit auf einem Niveau, das impliziert, dass sie nicht vollständig bedient werden. Ende vergangenen Jahres traf das nur auf zwei zu. Die Strategen der ING Bank erwarten einen Anstieg der Kreditausfälle auf etwa 5,6 Prozent, von derzeit unter zwei Prozent.
Unternehmen, die sich trotz der Kosten für die Refinanzierung entscheiden, treffen auf einen Markt, der mehr verlangt – sowohl im Hinblick auf Sicherheit als auch auf Kosten. Im September wurden bis Freitag, 24. September, 138 neue Anleihetranchen begeben, von denen 96 Prozent mit Investment Grade eingestuft waren. Und der für Neuemissionen verlangte Aufschlag betrug zwölf Basispunkte, etwa das Dreifache von dem, was noch zu Jahresanfang fällig war.
„Die sich verschlechternden Fundamentaldaten müssten theoretisch zu einer weiteren Ausweitung der Spreads führen“, so die Strategen Timothy Rahill und Jeroen van den Broek von ING. „Wir erwarten für die Zukunft mehr Schwäche und Volatilität an den Kreditmärkten.“(Bloomberg)