Interview. Alphatier, Affenkönig, Eierbär: So heißen die Biere, die Raphael Schröer und Thomas Christenn mit ihrer Firma BrewAge brauen. Ein Gespräch über Unternehmertum, lustige Biernamen und Spekulation mit Wertpapieren.
VON ALOYSIUS WIDMANN
Die Presse: Ihr neuestes Bier heißt Eierbär. Wie kommt’s? Raphael Schröer: Wir haben das in unserer Jugend schon gesagt als liebes Schimpfwort. Wir haben dann ein bisschen Marktforschung im Freundeskreis betrieben und sind draufgekommen, dass das eigentlich sehr viele zueinander gesagt haben in Schulzeiten. Wir haben viele lustige Namen für Biere, Eierbär hat gut dazu gepasst. Und es kommt sehr gut an. Viele kaufen das Bier, weil sie es einem Freund schenken wollen, den sie auch Eierbär nennen.
Wann haben Sie beschlossen, Ihre Berufe an den Nagel zu hängen und Bier zu machen?
Thomas Christenn: Unser Braumeister ist eines Tages mit einem selbst gebrauten Bier bei mir gestanden. Ich habe gesagt: „Ich weiß nicht, wo du das gebraut hast, in der Badewanne? Das trinke ich nicht!“Er bestand aber darauf, dass ich es koste. Und es war sehr gut. Ich habe gefragt, warum
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er das so gut kann, und er meinte, dass er bei „Monster Garage“gesehen hat, dass die dort Bier in einem Feuerwehrauto gebraut haben . Und er dachte si c h, dass er das zu Hause auch kann, wenn die das können.
Sie sind 2014 gestartet. Gab es damals schon eine Craft-BeerSzene in Österreich?
Christenn: Es gab viele sehr gute Kleinbrauereien, die meisten waren aber völlig unbekannt. Wir haben sicher mitgeholfen, die CraftBeer-Szene sichtbarer zu machen.
Aber ging es bei der Craft-BeerWelle um neue Stile? Oder ging es eher darum, dass man das Helle von der kleinen statt von der großen Brauerei trinkt?
Schröer: Die Craft-Beer-Welle fußt schon auf den Sorten, die kein klassisches Lage r, Märzen oder Pils sind. Aber wir haben gelernt, dass es ohne diese Sorten nicht geht. Nur von Sorten wie IPA oder Stout kann man in Österreich schwer leben. Man braucht auch diese trinkbaren Biere, um auf dem Markt überleben zu können. Der Österreicher trinkt gern Lagerbiere. Wir bedienen auch die Feuerwehr, Pfarrfeste und so weiter. Da braucht man ein helles Bier. Die meisten kleinen Brauereien fahren zweispurig und produzieren klassische wie spezielle Biere. Christenn: Man muss aber auch betonen, dass ein Helles von Brauereien wie uns doch spezieller ist. Die Großbrauereien machen technologisch einwandfreie Biere, das ist kein schlechtes Bier. Aber die schmecken alle ähnlich. Wenn man blind verkostet, ist es schwer zu sagen, welches das Ottakringer ist und welches das Gösser. Wir und viele andere Kleine machen ein spezielleres normales Bier.
Bei BrewAge stechen auch die Flaschen, Dosen und Namen der Biere hervor. Nehmen wir den Eierbär: Kaufen die Leute, weil sie neugierig auf das Bier, in dem Fall ein IPA, sind? Oder weil ihnen die Dose gefällt?
Schröer: Am Ende geht es um die Qualität, man kauft das Bier ja kein zweites Mal, wenn man es nicht gut findet. Die Aufmachung ist aber schon auch wichtig. Wir wollten immer, dass es ein buntes, witziges Gesamtpaket ist. Die Marke sollte jung wirken.
Sie kommen eigentlich aus der Finanzbranche, Herr Schröer?
Schröer: Ja, ich war bei einer Privatbank, als die Finanz- und Bankenkrise ausgebrochen ist. Die ging in Insolvenz. Das war, als die ersten Bier-Ideen entstanden. Ab 2010 wuchs schon die Idee, etwas mit Bier zu machen . Das war ein guter Übergang in die handwerkliche Schiene, die mir von Anfang an gelegen ist.
Fehlt Ihnen die Finanzwelt?
Schröer: Überhaupt nicht.
Und Herr Christenn, Sie kommen ursprünglich . . .
Christenn: . . . aus dem sozialen Bereich. Mir hat es immer Spaß gemacht, auch mit dem Raphael viel zu arbeiten, er ist einer meiner langjährigsten und besten Freunde. Er hat Hirn, aber er hat auch Muskeln und kann anpacken. Ich habe gesagt: Auch wenn du Zahlen nicht liebst, kennst du dich damit aus. Kannst du dir vorstellen, das zu machen?
Ist Finanzwissen nützlich, wenn man ein Unternehmen aufbaut?
Schröer: Unternehmertum ist Ausprobieren. Das lernt man nicht auf der Uni oder in einer Bank. Wir haben viele Fehler gemacht. Es hat sicher geholfen, dass wir immer
ZU DEN PERSONEN
RAphAel Schröer (36, r.) hat bei einer Privatbank gearbeitet, ehe er mit drei Freunden 2014 die Brauerei BrewAge gegründet hat. Einer dieser Freunde ist ThomAs Christenn (37, l.), der zuvor im sozialen Bereich gearbeitet hat. Von den ursprünglich vier Gründern sind nur noch die beiden operativ im Unternehmen aktiv. Schröer und Christenn sind – wie die anderen beiden Gründer auch – je zu einem Viertel am Unternehmen beteiligt. nur Eigenkapital reingesteckt haben und keine Kredite zurückzahlen mussten.
Aber gestartet sind Sie zu viert, heute führen Sie das Unternehmen nur noch zu zweit. Warum?
Schröer: Das war eine schwierige, auch emotionale Entscheidung vor etwa einem Jahr. Für die nahe Zukunft war nicht absehbar, dass vier Personen gut vom Unternehmen leben können. Zwei Mitgründer sind aus dem operativen Geschäft ausgestiegen. Aber sie sind noch je zu einem Viertel beteiligt. Inzwischen geht sich ein existenzsicherndes Gehalt aus, das passt jetzt. Davor haben wir alle lang ein niedriges Gehalt geduldet.
Bleibt vom Gehalt etwas für die private Vorsorge übrig?
Schröer: Ich habe schon etwas investiert, aber das ist kein Geld, das ich aus der Firma habe, sondern ein Erbe. Ich beschäftige mich sehr mit Veranlagung, aber dass das Einkommen so hoch ist, dass ich einen Teil weglegen kann, ist derzeit nicht der Fall.
Handeln Sie mit Aktien?
Schröer: Ich habe das während meines Studiums exzessiv betrieben, auch mit Optionshandel und solchen Sachen. Aber mittlerweile bin ich eher bei Open-End-Zertifikaten. Und die gehebelt, weil ich nicht sehr viel Geld habe. Wenn ich an etwas glaube, dann hebel ich das gern. Wenn es aufgeht, dann geht es auf. Wenn nicht, dann habe ich halt einen kleinen Verlust gemacht. Aber das ist eher eine Spielerei.
Haben Sie schon einmal komplett danebengegriffen?
Schröer: Ich könnte mehrfacher Millionär sein. Ich habe 2013 Tesla-Aktien gehebelt gekauft und sie etwas später dann überglücklich mit 5000 Euro Gewinn wieder verkauft. Das war ein Open-End-Zertifikat. Ich habe damals als Student 800 Euro investiert. Unlängst habe ich nachgerechnet: Hätte ich die
Papiere einfach vergessen und liegen gelassen, wären sie jetzt mehrere Millionen Euro wert.
Geht Ihnen das auf die Nerven? Schröer: Nein, Geld geht mir nicht so nah.
Haben Sie Bitcoin gekauft?
Schröer: Nein, ich verstehe es als Währung auch nicht in der Tiefe. Als Spekulationsobjekt verstehe ich es, aber an der Schürfung stört mich der Umweltaspekt. Mir ist unklar, warum das ein so großer Markt sein muss. Ich würde auch auf Rohstoffe nicht spekulieren.
Aber auf Hopfen und Malz?
Christenn: Das wäre ja schlecht für uns, das treibt auch die Preise.
Investieren Sie, Herr Christenn?
Christenn: Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Aktie gekauft. Ich habe nur Aktien, die ich geerbt habe, verkauft. Mich fasziniert es, wenn der Raphael über diese Themen philosophiert. Aber selber investieren interessiert mich nicht. Mich würde das fertigmachen, ständig die Kurse zu beobachten und zu überlegen, ob ich jetzt verkaufen soll oder nicht.
Aber als Unternehmer sind Sie
auch ständig mit Unsicherheit konfrontiert.
Christenn: Am Anfang haben wir uns schon hin und wieder gefragt, ob sich das alles ausgeht.
Schröer: Es gibt kein Loslassen, es gibt auch keinen wirklichen Urlaub. Man kümmert sich ständig ums Unternehmen.
Christenn: Ich habe die Unsicherheit in der Firma und brauche sie woanders nicht mehr. Die Firma war meine größte Spekulation.
Setzen Sie auf Sponsoring und Werbung, um Ihre Marke bekannter zu machen?
Christenn: Wir sind keine Anhänger eines Turbokapitalismus, wo man maximal wachsen will. Dann müssten wir uns Investoren ohne Ende holen, jedes Jahr Millionen in Marketing und Gratisware stecken und schauen, ob es bei den Menschen ankommt. Der Getränkemarkt ist in Wahrheit völlig übersättigt. Wir leben in einer Bedarferweckungsgesellschaft, man penetriert die Menschen so lang mit Werbung, bis sie das Getränk zumindest kosten. Ein paar bleiben vielleicht picken.
Einen Bedarf für Bier scheint es in Österreich zu geben.
Christenn: Ja, Gott sei Dank. Aber der Bierkonsum geht zurück. Schröer: Die jüngere Generation trinkt weniger, Fitness und Gesundheit sind dort wichtiger. Für uns ist das aber nicht so entscheidend. Wir sprechen Kunden an, die, wenn sie ein Bier wollen, ein spezielles Bier wollen.
Vor dem Eierbär haben Sie Biere mit Namen Affenkönig oder Alphatier gemacht. Welche Namen waren noch im Gespräch?
Schröer: Die Augenweide, da hatten wir aber Bedenken . . . Christenn: . . . mit feministischen Tendenzen, wobei ich das nicht ganz verstanden habe. Bread Pitt. Laktosaurus wollten wir haben, stattdessen kam Fructosaurus. Game Changer haben wir für das Alkoholfreie überlegt. Es ist einfacher, wenn man beim Brainstormen schon ein Bier getrunken hat.
Was ist der gelungenste Name?
Schröer: Bestseller sind Affenkönig, Hopfenauflauf und Alphatier, die auch beim Spar gelistet sind. Die gehen wegen der Bekanntheit auch in der Gastronomie gut. Beim Alphatier hat mich überrascht, dass das so einen Absatz findet. Ich liebe es, aber es ist wirklich trüb und extrem hopfig. Christenn: Am verrücktesten finde ich, dass der Affenkönig so arg zieht. Das ist ein super geiles Bier, aber es hat 8,2 Prozent. Der Spar hat gesagt, den mag er. Wir dachten, dass das nie funktioniert mit einem so starken IPA.