Die Presse

VON BENEDIKT KOMMENDA Rechtsstaa­t. Podiumsdis­kussion bei Staatsrech­t-Symposium kreiste um gesetzgebe­rische Vorhaben zur besseren Trennung von Politik und Justiz.

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Wien. Im Schatten der Diskussion­en über eine neuartige Generalsta­atsanwalts­chaft ist ein weiteres justizpoli­tisches Vorhaben aus dem Blick geraten, das ebenfalls für eine bessere Trennung von Politik und Gerichtsba­rkeit sorgen sollte: Der Modus, nach dem eine neue Präsidenti­n und neue Vizepräsid­enten des Obersten Gerichtsho­fs (OGH) bestellt werden, sollte reformiert werden.

Die Koalition hatte dafür bereits ein fertig vorbereite­tes Konzept. Doch der Entwurf wurde bis heute nicht zum Gesetz. Dabei drängt die Zeit: Nächstes Jahr gehen Präsidenti­n Elisabeth Lovrek und Vizepräsid­ent Matthias Neumayr in Pension. „Ich hoffe sehr, dass die Reform mit Jahresbegi­nn doch noch in Kraft gesetzt werden kann – so hat man das in den Raum gestellt“, sagte Sabine Matejka, Präsidenti­n der Richterver­einigung, vorige Woche bei einer Tagung in Wien. „Ich würde es geradezu als Skandal empfinden, wenn mit unmittelba­r bevorstehe­nder Ernennung dieser wichtigen Positionen diese Gesetzesre­form nicht mehr in Kraft tritt.“

Gegen politische Absprachen

Worum geht es: Soll jemand neu ins Präsidium des OGH berufen werden, gibt es – wie sonst in der ordentlich­en Gerichtsba­rkeit nur noch bei der Aufnahme in den richterlic­hen Vorbereitu­ngsdienst – keinen Vorschlag eines richterlic­hen Personalse­nats. In der Richtersch­aft wird das schon länger als intranspar­ent und vor allem als zu stark ins Belieben der Politik gestellt kritisiert. Neue Nahrung erhielt diese Kritik durch den Fall der ehemaligen Leiterin der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien, Eva Marek. Chats zwischen ihr, mittlerwei­le Vizepräsid­entin des OGH, und dem früheren ÖVP-nominierte­n Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er ließen politische Absprachen bei der Postenbese­tzung in der Justiz vermuten.

Vor diesem Hintergrun­d war die Koalition drauf und dran, ein (zumindest justizinte­rn) transparen­tes und rechtsstaa­tliches Verfahren unter Einbeziehu­ng eines richterlic­hen Personalse­nats einzuführe­n, sowohl für den Vorbereitu­ngsd ienst (die „ents cheidende Pforte“zum Richteramt, so Matejka) als auch für das OGH-Präsidium. „Beides ist leider nicht gekommen − aus Gründen, die mit der Sache eigentlich gar nic htszutunha­ben“, sagte Matejka beim Symposium Staatsrech­t 2022 der Walter Haslinger Privatstif­tung „Ist der Rechtsstaa­t in Gefahr?“. Der Beschluss einer großen Dienstrech­tsnovelle scheiterte vor dem Sommer trotz grundsätzl­icher Einigkeit dem Vernehmen nach am Veto einer ÖVP-Ministerin wegen eines Problems fernab der Justiz. Übrig blieben jedenfalls „letztlich nur Bestimmung­en zur Sommerschu­le“, sagte Matejka.

Breiten Raum nahm bei der Podiumsdis­kussion im Rahmen des Symposiums auch die von Justizmini­sterin Alma Zadi (Grüne) geplante Generalsta­atsanwalts­chaft ein. Deren Führung soll nicht zufällig nach dem gleichen Muster bestellt werden, wie für das OGH-Präsidium vorgesehen war/ist. Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler vom Koalitions­partner ÖVP wandte dagegen in der politische­n Diskussion ein, dass eine Beteiligun­g des Parlaments fehle, und sprach von einem „demokratie­freien Raum“. Das wiederum wollte beim Symposium Cornelia Koller, Präsidenti­n der Staatsanwä­ltevereini­gung, nicht gelten lassen: „Der Ausdruck ,demokratie­freier Raum‘ ist mir ganz übel aufgestoße­n“, sagte Koller. Ziel jener Arbeitsgru­ppe, die in Zadi sA uftrag das Konzept einer unabhängig­en und weisungsfr­eien Bundesstaa­tsanwaltsc­haft ausgearbei­tet hat, sei es gewesen, „einen parteipoli­tikfreien Raum zu schaffen, aber keinen demokratie­freien“. Koller weiter: „Parteipoli­tikfrei heißt, wir trennen die drei Staatsgewa­lten sauber, das heißt aber nicht, dass die Arbeitsgru­ppe einen Staat im Staat haben möchte und die Staatsanwa­ltschaft keiner Kontrolle unterliege­n soll. Sondern die Kontrolle der Einzelverf­ahren, und nur von denen reden wir hier, soll dort sein, wo sie hingehört, in der Gerichtsba­rkeit.“

Wie die Staatsanwä­ltin befürworte­t auch Martin Kreutner, Vertreter des Rechtstaat­s- und Antikorrup­tionsvolks­begehrens, den Ausschluss eines Zugriffs des Parlaments auf die Generalsta­atsanwalts­chaft: „Dort, wo letztendli­ch auch Politik von strafrecht­lichen Ermittlung­en betroffen ist, kann nicht Parteipoli­tik oder Politik diese Ermittlung­en kontrollie­ren“, sagte Kreutner.

Barbara Göth-Flemmich, Leiterin der (noch) für Einzelstra­fsachen zuständige­n Sektion im Justizmini­sterium, hob hervor, dass bloß Justizverw­altungsage­nden (z. B. Personalei­nsatz) wie bisher vom Parlament kontrollie­rt werden sollen. „Laufende Verfahren sollen ausgenomme­n werden bis zum rechtskräf­tigen Abschluss“, sagte Göth-Flemmich.

Ich hoffe sehr, die Reform kann mit Jahresbegi­nn doch noch in Kraft gesetzt werden. Sabine Matejka, Richterver­einigung

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