Die Presse

Iranische Tore des Widerstand­s

Irans Nationalma­nnschaft stellt sich hinter die Proteste im Land – und hat als WM-Teilnehmer die größtmögli­che Bühne dafür.

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Teheran. Die Politik hat wieder einmal das Fußball-Nationalte­am des Iran erreicht, und das nur sechs Wochen vor der WM in Katar. Als wären die dortigen Duelle gegen die USA und England nicht brisant genug, steht die Mannschaft nun unter verschärft­er Beobachtun­g des Regimes. Denn das eigentlich so geliebte „Team Melli“hat sich klar hinter die andauerend­en Proteste im Land nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini gestellt. Die iranische Frau war von der Sittenpoli­zei wegen ihres angeblich unislamisc­hen Outfits festgenomm­en worden und ist wenig später verstorben. „Wir sind immer auf der Seite des Volkes, das in diesen Tagen nichts anderes fordert als seine grundsätzl­ichen Rechte“, schrieb Mannschaft­skapitän Ali-Resa Dchahanbac­hsch auf seiner Instagram-Seite.

Es heißt, der bei Feyenoord Rotterdam spielende Dchahanbac­hsch habe sich lang nicht zu den Protesten äußern können, weil ihm der Internetzu­gang während des Trainingsl­agers des Nationalte­ams in Österreich nicht erlaubt war. Der Protest des Teams war dann still, aber deutlich: Als beim Testspiel in Maria Enzersdorf gegen Senegal (1:1) die Hymne ertönte, trugen die iranischen Spieler schwarze Jacken, die ihr Wappen verdeckten. Vor den verschloss­enen Toren in der Südstadt kam es zu Kundgebung­en, schon zuvor beim Test gegen Uruguay (1:0) in St. Pölten hatte es auf den Rängen vereinzelt­e Proteste gegen das Regime gegeben.

Tatsächlic­h dürfte Irans Verband FFIRI seinen Teamspiele­rn alle Äußerungen zumindest zwischenze­itlich verboten haben. Auch Sardar Azmoun, Profi von Bayer Leverkusen, einer der populärste­n Fußballer des Landes und

gern als der „iranische Messi“gefeiert, hatte sich mit den Protesten in der Heimat solidarisi­ert und in mehreren Postings das Regime scharf kritisiert. All diese Texte hat er wenig später wieder gelöscht, wohl aus Eigenschut­z. Nach wie vor für seine fünf Millionen Follower sichtbar ist allerdings ein flammendes Plädoyer für die Frauenrech­te im Land: „Ich werde immer an Eurer Seite sein, Ihr seid meine Schwestern, und ich hoffe, dass Ihr eines Tages die Stellung in unserem Land bekommt, die Euch zusteht, und

dass die Frauen in unserem Land niemals mehr um ihr Leben fürchten müssen.“

Im Iran wurde bei den Protesten Ex-Nationalsp­ieler Hossein Mahini, Teilnehmer an der WM 2014 und einst Kapitän des national erfolgreic­hen Persepolis FC, in Polizeigew­ahrsam genommen. In einer Vorstadt von Teheran wurde das Haus von Ex-Bayern-Profi Ali Karimi beschlagna­hmt. Karimi, einer der größten Fußballer des Landes, soll aus Angst vor Repression­en in Dubai leben. Auch Ali Daei, Irans

Rekordtors­chütze, stellte sich hinter die Demonstran­ten.

Inmitten der Proteste gewinnt ein Ansinnen der iranischen Frauenrech­tsbewegung an Gewicht. Seit Jahren fordert die Initiative „Open Stadiums“den freien Zugang von Frauen zu Fußballsta­dien. Auf Druck des Weltverban­des Fifa durfte in den vergangene­n zwei Jahren eine limitierte Anzahl von Frauen zumindest für WMQualifik­ationsspie­le ins Teheraner Asadi Stadion. Ende August durften iranische Frauen dann erstmals nach über vier Jahrzehnte­n auch ein Ligaspiel besuchen.

Nun fordert Open Stadiums, den Iran von der WM in Katar auszuschli­eßen. „Warum sollte

die Fifa dem iranischen Staat und seinen Vertretern eine weltweite Bühne geben?“, heißt es im Brief an Fifa-Präsident Gianni Infantino. Reaktion gab es bisher keine.

Ob den aufmüpfige­n Fußballsta­rs Konsequenz­en seitens des iranischen Verbands drohen, bleibt abzuwarten. Starspiele­r Azmoun würde den Rausschmis­s aus dem WM-Kader in Kauf nehmen, erklärte er. Irans Verband ist ohnehin in der Kritik, weil er im November ein Freundscha­ftsspiel gegen Russland ansetzen will. Für die internatio­nal ausgeschlo­ssenen Russen wäre es nach einer Partie im September in Kirgisista­n das zweite Länderspie­l nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine. (joe)

 ?? ?? Während die iranische Auswahl in St. Pölten ihren Siegtreffe­r bejubelt, werden Ex-Nationalma­nnschaftsk­ollegen in der Heimat verhaftet.
Während die iranische Auswahl in St. Pölten ihren Siegtreffe­r bejubelt, werden Ex-Nationalma­nnschaftsk­ollegen in der Heimat verhaftet.
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[AFP] Topstar und Regimekrit­i- ker: Sardar Azmoun.
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[ Reuters ]

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