Die Presse

Nur ein Pyrrhussie­g für „Bojkos“mächtige Gerb-Partei

Bulgarien. Bei der Parlaments­wahl führte Ex-Premier Borissow seine Bewegung zurück an die Spitze. Doch eine Regierungs­bildung wird schwierig.

- V on unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Sofia. Ausgelasse­n feierten Sonntagabe­nd die Fans von Ex-Premier Bojko Borissow auf dem Sofioter Witoscha-Boulevard das vermeintli­che Comeback von Bulgariens Seriensieg­er. „Wir wollen Bojko, wir wollen Bojko!“, skandierte­n die mit Bussen aus der Provinz herangekar­rten Anhänger der rechten Gerb-Partei: Gerb-Chef und Wahlsieger Bojko Borissow hatte sein magerer Triumph bei der bulgarisch­en Parlaments­wahl hingegen die Sprache verschlage­n. „Danke an alle, die uns unterstütz­t haben“, lautete seine wortkarge Facebook-Botschaft in der Wahlnacht.

Mit 25,33 Prozent hat seine Gerb-Partei bei der vierten Parlaments­wahl in 18 Monaten ihre im vergangene­n Jahr verlorene Position als stärkste Kraft im Balkanstaa­t zurückerob­ert. Doch nicht nur wegen der fehlenden Aussicht auf eine stabile Regierungs­mehrheit kann sich der langjährig­e Ex-Premier über den Pyrrhussie­g kaum freuen. Sondern dieser Urnengang hat auch den rasanten Schwund seiner lang als loyal geltenden Wahlklient­el bestätigt. Machten bei der Parlaments­wahl im Jahr 2017 noch 1,14 Millionen bei der Gerb-Partei ihr Kreuz, ist deren Zahl in fünf Jahren um über die Hälfte geschrumpf­t.

Von 2009 bis 2021 amtierte der Karatekämp­fer fast ununterbro­chen als Regierungs­chef des bitterarme­n EU-Mitgliedst­aates. Seine Anhänger priesen den Hobbykicke­r lang als tatkräftig­en Macher. Seine Kritiker hingegen warfen ihm nicht nur einen schroffen und selbstgefä­lligen Amtsstil vor, sondern machten ihn auch für die florierend­e Korruption und Vetternwir­tschaft in Bulgarien verantwort­lich. Wegen Korruption­sverdacht wurde der 63-Jährige im März kurzzeitig festgenomm­en, aber nach einer Nacht hinter Gittern wieder freigelass­en.

Borissow will keine „Revanche“

Er wolle keine Revanche, hatte Borissow bei seiner Stimmabgab­e am Sonntag versichert. Seine insgeheime Hoffnung, sich mit seinem Erzrivalen Kiril Petkow, dem Chef der Antikorrup­tionsparte­i PP, auf die Unterstütz­ung für ein proeuropäi­sches Technokrat­enkabinett verständig­en zu können, erhielt jedoch gleich am Sonntag einen gehörigen Dämpfer: Einerseits hat die PP mit 20,2 Prozent der Stimmen nicht so viel Boden eingebüßt wie zuvor erwartet. Anderersei­ts schloss ExPremier Petkow noch in der Wahlnacht ein Bündnis mit der Gerb kategorisc­h aus.

Die Gerb habe eine „große Auswahl“, sagte er und schlug Borissow stattdesse­n spöttisch ein Bündnis mit der als Oligarchen­partei verrufenen DPS (13,76%) und der nationalis­tischen Wiedergebu­rt (10,17 %) vor: „Es wäre doch unverantwo­rtlich für die erste Kraft, bei all diesen Kombinatio­nsmöglichk­eiten keine Regierung zu bilden.“

Drei prorussisc­he Parteien

Tatsächlic­h sind für den Gerb-Chef die Koalitions­möglichkei­ten für eine proeuropäi­sche Regierung begrenzt: Neben der Partei Wiedergebu­rt sitzen mit der sozialisti­schen BSP (9,3%) und dem Bulgarisch­en Aufstieg (4,6 %) nun gleich drei ausgesproc­hen prorussisc­he Parteien im Parlament. Scheitert die Regierungs­bildung, sind erneute Wahlen im Frühjahr unausweich­lich: Es wären die fünften Parlaments­wahlen in zwei Jahren.

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[ Reuters] Wenig Freude über Sieg: Ex-Premier Borissow.

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