Nur ein Pyrrhussieg für „Bojkos“mächtige Gerb-Partei
Bulgarien. Bei der Parlamentswahl führte Ex-Premier Borissow seine Bewegung zurück an die Spitze. Doch eine Regierungsbildung wird schwierig.
Belgrad/Sofia. Ausgelassen feierten Sonntagabend die Fans von Ex-Premier Bojko Borissow auf dem Sofioter Witoscha-Boulevard das vermeintliche Comeback von Bulgariens Seriensieger. „Wir wollen Bojko, wir wollen Bojko!“, skandierten die mit Bussen aus der Provinz herangekarrten Anhänger der rechten Gerb-Partei: Gerb-Chef und Wahlsieger Bojko Borissow hatte sein magerer Triumph bei der bulgarischen Parlamentswahl hingegen die Sprache verschlagen. „Danke an alle, die uns unterstützt haben“, lautete seine wortkarge Facebook-Botschaft in der Wahlnacht.
Mit 25,33 Prozent hat seine Gerb-Partei bei der vierten Parlamentswahl in 18 Monaten ihre im vergangenen Jahr verlorene Position als stärkste Kraft im Balkanstaat zurückerobert. Doch nicht nur wegen der fehlenden Aussicht auf eine stabile Regierungsmehrheit kann sich der langjährige Ex-Premier über den Pyrrhussieg kaum freuen. Sondern dieser Urnengang hat auch den rasanten Schwund seiner lang als loyal geltenden Wahlklientel bestätigt. Machten bei der Parlamentswahl im Jahr 2017 noch 1,14 Millionen bei der Gerb-Partei ihr Kreuz, ist deren Zahl in fünf Jahren um über die Hälfte geschrumpft.
Von 2009 bis 2021 amtierte der Karatekämpfer fast ununterbrochen als Regierungschef des bitterarmen EU-Mitgliedstaates. Seine Anhänger priesen den Hobbykicker lang als tatkräftigen Macher. Seine Kritiker hingegen warfen ihm nicht nur einen schroffen und selbstgefälligen Amtsstil vor, sondern machten ihn auch für die florierende Korruption und Vetternwirtschaft in Bulgarien verantwortlich. Wegen Korruptionsverdacht wurde der 63-Jährige im März kurzzeitig festgenommen, aber nach einer Nacht hinter Gittern wieder freigelassen.
Borissow will keine „Revanche“
Er wolle keine Revanche, hatte Borissow bei seiner Stimmabgabe am Sonntag versichert. Seine insgeheime Hoffnung, sich mit seinem Erzrivalen Kiril Petkow, dem Chef der Antikorruptionspartei PP, auf die Unterstützung für ein proeuropäisches Technokratenkabinett verständigen zu können, erhielt jedoch gleich am Sonntag einen gehörigen Dämpfer: Einerseits hat die PP mit 20,2 Prozent der Stimmen nicht so viel Boden eingebüßt wie zuvor erwartet. Andererseits schloss ExPremier Petkow noch in der Wahlnacht ein Bündnis mit der Gerb kategorisch aus.
Die Gerb habe eine „große Auswahl“, sagte er und schlug Borissow stattdessen spöttisch ein Bündnis mit der als Oligarchenpartei verrufenen DPS (13,76%) und der nationalistischen Wiedergeburt (10,17 %) vor: „Es wäre doch unverantwortlich für die erste Kraft, bei all diesen Kombinationsmöglichkeiten keine Regierung zu bilden.“
Drei prorussische Parteien
Tatsächlich sind für den Gerb-Chef die Koalitionsmöglichkeiten für eine proeuropäische Regierung begrenzt: Neben der Partei Wiedergeburt sitzen mit der sozialistischen BSP (9,3%) und dem Bulgarischen Aufstieg (4,6 %) nun gleich drei ausgesprochen prorussische Parteien im Parlament. Scheitert die Regierungsbildung, sind erneute Wahlen im Frühjahr unausweichlich: Es wären die fünften Parlamentswahlen in zwei Jahren.