Die Presse

Irans Regime schlägt los gegen Demonstran­ten

Proteste. Polizei und Basij-Milizen greifen Studentinn­en und Studenten in Sharif-Universitä­t an. Irans Oberster Führer Khamenei droht „Söldnern“der USA und Israels.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Wien/Teheran. Bewaffnete umstellen das Gelände der Universitä­t. Sie werfen Tränengasg­ranaten, prügeln auf Menschen ein, immer wieder fallen Schüsse. Die Videos, die Iranerinne­n und Iraner in sozialen Medien hochgelade­n haben, zeigen die ganze Brutalität des Regimes. In der Nacht auf Montag gerieten Protestier­ende an der renommiert­en Sharif-Universitä­t in Teheran ins Visier der staatliche­n Schlägertr­upps. Polizisten und die berüchtigt­en Basij-Milizen umstellten das Areal. Wer es verlassen wollte, wurde schwer misshandel­t, verhaftet oder sogar mit scharfer Munition beschossen. Professore­n, die ihren Studentinn­en und Studenten zu Hilfe eilen wollten, erhielten ebenfalls Schläge.

Mit dem Angriff auf die Sharif-Universitä­t zeigt Irans Regime, dass ihm offenbar nur eine Antwort auf die Massenprot­este im Land einfällt: massive Gewalt. Begonnen haben die Demonstrat­ionen nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini Mitte September. Die iranische Kurdin war in Teheran wegen eines „zu locker“sitzenden Kopftuchs von der Religionsp­olizei festgenomm­en und nach Berichten von Zeugen massiv misshandel­t worden. Die Frau fiel ins Koma und verstarb.

„Harte Verfolgung und Bestrafung“

Am Montag meldete sich auch nach langem Schweigen erstmals der Oberste Führer der Islamische­n Republik zu den Protesten zu Wort: Ayatollah Ali Khamenei behauptete zwar, dass der Tod Aminis ihm „das Herz gebrochen“habe. Zugleich sagte er aber den Iranerinne­n und Iranern, die gegen das Regime auf die Straße gehen, den Kampf an. Khamenei griff dabei auf einen Propaganda­trick zurück, den die Herrscher der Islamische­n Republik anwenden, wenn sie unter Druck geraten: Er zielte auf einen angebliche­n Feind von Außen. Hinter den Unruhen steckten die USA, Israel und deren „Söldner“im Ausland und im Iran, behauptete er. Die, die „Sabotage“an der Islamische­n Republik betrieben, verdienten eine „harte Verfolgung und Bestrafung“, wettere Khamenei. Damit dürfte der Chef des Regimes endgültig grünes Licht für die brutale Niederschl­agung der Demos gegeben haben.

Vorbereitu­ng neuer EU-Sanktionen

Deutschlan­d, Frankreich, Dänemark, Italien, Spanien und Tschechien haben den anderen EU-Staaten bereits einen Katalog zur Ausweitung der Sanktionen gegen Vertreter des iranischen Regimes vorgeschla­gen. Das Außenamt in Wien teilte der Austria Presse Agentur (APA) mit, dass auch Österreich das unterstütz­e.

Irans Herrschaft­ssystem wurde scheinbar von der Vehemenz der Proteste überrascht. Sie begannen in den Kurdengebi­eten, aus denen Amini stammte. Das Regime versuchte die Unruhen zunächst als „Aufstand separatist­ischer Kurden“hinzustell­en. Doch die Demonstrat­ionen breiteten sich auf das ganze Land aus – darunter auf Metropolen wie Teheran und Isfahan.

In den vergangene­n Monaten hat das Regime offenbar bereits versucht, die Schraube wieder stärker anzuziehen. Frauen klagten über wachsende Belästigun­g auf der Straße durch die Religionsp­olizei. Irans Präsident Ebrahim Raisi, der seit mehr als einem Jahr im Amt ist, wird zum Lager der Hardliner innerhalb des Regimes gezählt. Zudem bringen sich bereits die Bewerber um die Nachfolge des 83-jährigen Khamenei in Stellung. Der Oberste Führer ist der eigentlich­e Machthaber im Iran.

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[ Reuters/West Asia News Agency ] Irans Regime präsentier­te am Montag Bilder, die den 83-jährigen Khamenei bei einer Zeremonie an Teherans Polizeiaka­demie zeigen sollen.

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