Ein Denkzettel für Bosniens größte Scharfmacher
Wahlmarathon. SDA-Chef Izetbegovíc geriet ins Straucheln. Gegen Serbenführer Milorad Dodik wurden schwere Manipulationsvorwürfe laut.
Belgrad/Sarajewo. Selbst in ihrem Heimatdorf Krajisˇnik wollte für die Oppositionskandidatin angeblich kein Wähler stimmen. „Die Leute rufen mich an und versichern mir, dass sie mich gewählt haben“, berichtete am Tag nach den Wahlen in Bosnien und Herzegowina Jelena Trivić (PDP) nach ihrer knappen Niederlage gegen Milorad Dodik (SNSD) beim Rennen um das Präsidentenamt im Teilstaat der Republika Srpska.
Über „Manipulationen und Stimmenraub“und ein „betrügerisches Wunder“in der Wahlnacht klagte angesichts der ungewöhnlich hohen Zahl von über 30.000 für ungültig erklärten Stimmen PDP-Chef Branislav Boronović. Bis zur Auszählung von 72 Prozent der Stimmen habe Trivić geführt. Doch dann seien „unglaubliche Dinge“passiert in Dörfern, in denen die PDP-Kandidatin angeblich keine einzige Stimme erhielt, und Städten, in denen Dodik mit 5000 bis 10.000 Stimmen vorne lag: „Wir werden die Wahl anfechten. Es gibt genügend Grundlage, sie für ungültig erklären zu lassen.“
Über ein „maximales Resultat“freute sich in der Wahlnacht hingegen Trivićs zumindest vorläufig siegreicher Rivale Dodik. Er werde auch in Zukunft mit Serbien, Russland und Ungarn kooperieren, sagte der Putin- und Orbán-Freund seinen Anhängern, bevor er seinen Lieblingshit anstimmte: „Uns kann niemand etwas anhaben. Wir sind stärker als das Schicksal!“
Überraschende Niederlage
Große Verschiebungen im komplizierten Machtgefüge von Bosniens Politlabyrinth haben die Parlaments-, Präsidentschafts-, Teilstaatsund Kantonswahlen am Sonntag laut den vorläufigen Ergebnissen nicht gebracht. Doch neben dem in den Verdacht von Wahlmanipulation geratenen Dodik ist mit dem muslimischen Bosniaken Bakir Izetbegović ein weiterer Scharfmacher unerwartet ins Straucheln geraten: Überraschend verlor der favorisierte SDA-Chef die Wahl um den bosniakischen Sitz im Staatspräsidium gegen den SDP-Kandidaten Denis Bećirović.
Für erneute Verstimmungen zwischen Sarajewo und Zagreb ˇhat die erwartete Wiederwahl von Zeljko Komsić zum kroatischen Mitglied des Staatspräsidiums geführt. Obwohl kroatischstämmig wurde Komsić erneut fast ausschließlich von bosniakischen, aber kaum von kroatischen Wählern gewählt. Nicht nur die unterlegene Borjana Kristo (HDZ BiH) zeigte sich nach der Niederlage angesäuert. „Dies war das letzte Mal, dass wir mit diesen Regeln zur Wahl angetreten sind“, erklärte verärgert ihr Parteichef Dragan Cˇ ović. In Zagreb forderte die oppositionelle Most-Partei aufgebracht, Bosniens kroatisches Präsidiumsmitglied in Kroatien zur unerwünschten Person zu erklären.
Zwar kündigte der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, der frühere deutsche Verkehrsminister Christian Schmidt, in der Wahlnacht von ihm verfügte Änderungen des Wahlgesetzes an. Doch was die Machtverhältnisse angeht, bleibt in Bosniens vertracktem Staatskonstrukt auch nach den Wahlen vieles so, wie es war.
Koalition der Großparteien
Im Gegensatz zu Dodik gewann seine Vertraute Zˇeljka Cvijanović (SNSD) die Wahl um den serbischen Sitz im Staatspräsidium ohne Mühe. Im nationalen Parlament zeichnet sich nun erneut eine Koalition um die sich ethnisch definierenden Parteien der bosniakischen SDA, der serbischen SNSD und der kroatischen HDZ BiH ab.
In der Republika Srpska hat Dodik zwar einen Denkzettel erhalten, doch bleibt seine SNSD im Teilstaatsparlament die klar dominierende Kraft. Auch im Teilstaat der Föderation teilen weiter die SDA und die HDZ die Karten aus.