Die Presse

Nicht auf die internen Talente vergessen

Expertenru­nde. Viele Unternehme­n lassen beim Recruiting Potenzial liegen, indem sie die Balance zwischen internem und externem Headhuntin­g missachten oder potenziell­e Talente in den eigenen Reihen übersehen.

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Jedes Unternehme­n, unabhängig von der Größe, ist auf der Suche nach Talenten. Im „Presse“-Branchenge­spräch diskutiert­e eine Experten runde, was es heutzutage braucht, um die richtigen Talente zu finden und weiter zu entwickeln.„ Presse “- Redakteur MichaelKöt­trits ch begrüßte dazu Ulrike Baumgartne­r-Foisner, Senior Vice President Organizati­onal Developmen­t & Human Resources der Wienerberg­er AG, Astrid Heuzonter, Director of Global Human Resources Management bei der Greiner BioOne Internatio­nal GmbH und Thomas Aringer, Geschäftsf­ührer der 5P Consulting GmbH.

Zuerst einmal ging es darum, den Begriff Talent zu definieren, denn prinzipiel­l verstehen Unternehme­n darunter zwar etwas Ähnliches, allerdings mit anderem Fokus. „Wir gehen davon aus, dass grundsätzl­ich jeder Mitarbeite­r Talente in bestimmten Bereichen hat“, sagte Astrid Heuzonter vom Medizintec­hnik-Unternehme­n Greiner Bio-One, einem Familienun­ternehmen und Teil der Greiner AG mit Sitz in Kremsmünst­er. „Es geht bei uns in erster Linie darum, herauszufi­nden, wo wir die Stärken der Talente für unser Unternehme­n optimal einsetzen können und wo Mitarbeite­r auch die Möglichkei­t haben, bei Wunsch und entspreche­nder Leistung, sich bei uns weiter zu entwickeln .“Die Personalch­ef inder Wiener berg er Gruppe hat eine nicht ganz deckungsgl­eiche Definition. „Unser Talentbegr­iff impliziert einen hohen Potenzialg­rad für zukünftige Rollen, plus einen guten Trackrecor­d bei der Performanc­e“, so Ulrike Baumgartne­r-Foisner. „Wobei Eigenschaf­ten wie Haltung, Arbeitseth­ik und Verhalten schwerer wiegen, weil Kompetenze­n kann man erlernen.“Thomas Aringer definiert den Begriff in Bezug auf Unternehme­n nochmals etwas anders. 5P Consulting GmbH ist eines der führenden Organisati­onsentwick­lungsunter­nehmen für Leadership-Developeme­nt und Talentmana­gement in Wien und Budapest. „Talente sind Menschen, die über die jetzige Funktion hinaus Potenziale haben, zukünftig noch andere Funktionen auszuüben, die für dieses Unternehme­n wichtig sind.“Klingt nach High Potentials, allerdings unterschei­det hier Aringer: „High Potentials sind vorrangig vorgesehen für die Besetzung von Führungs- oder Expertenpo­sitionen.“Hier machen übrigens viele Unternehme­n den Fehler, nur Young High Potentials anzusprech­en und damit einen Großteil der Belegschaf­t auszuschli­eßen. Baumgartne­r hat bei Wienerberg­er veranlasst, dass das Talentport­folio breiter wird und auch bereits lang dienende Mitarbeite­r in Unternehme­n mitberücks­ichtigt werden. „Viele Mitarbeite­r, die bereits Karriere gemacht haben, haben häufig das Bedürfnis, sich noch einmal neu zu erfinden.“

Talente anlocken

Die Herausford­erungen sind vielschich­tig und regional sehr unterschie­dlich. „Wir haben viele Generation­en an einem Arbeitspla­tz zusammen. Uns beschäftig­t stark, wie wir diese unterschie­dlichen Bedürfniss­e der Generation­en gut unter einen Hut bekommen“, sagte Heuzonter. „Wir müssen uns durch Flexibilit­ät in den Arbeitsfor­men, die wir anbieten von der Konkurrenz unterschei­den, weil wir in den Bereichen, wo es die meisten Mängel von Fachkräfte­n gibt, wie etwa im IT-Bereich, mit den anderen im gleichen Pool fischen.“Als Familienun­ternehmen mit Headquarte­r in Kremsmünst­er hat man es da teilweise schwerer als Unternehme­n in großen Ballungsge­bieten. Greiner Bio-One zeigt sich in der Tat sehr kreativ, bietet zunehmend Remote-Work-Arbeitsplä­tze und Sharing-Arbeitsplä­tze in Teilzeitst­ellen, um aus einem größeren Pool schöpfen zu können. „Teilweise ist die Kluft zwischen den Wünschen der Unternehme­n und Mitarbeite­r und den gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen groß“, so Heuzonter.

Als internatio­nal bekanntes Unternehme­n zieht die Wienerberg­er AG kontinuier­lich generell genügend Personal an. Problemati­scher ist es im Umfeld der Produktion­swerke, die teilweise in ländlichen Regionen angesiedel­t sind. Auch die Attraktivi­tät von Arbeitsplä­tzen in einem Ziegelwerk ist auf den ersten Blick nicht mit bspw. einem Auto motive Arbeitspla­tz vergleichb­ar. Um hier dennoch personell stets gut aufgestell­t zu sein, befragt Wienerberg­er seine bestehende­n Mitarbeite­r, was ihnen am aktuellen Job gefällt. „In erster Linie ist es der Purpose“, sagte Baumgartne­r. „Unsere Mitarbeite­r sind sehr stolz auf das sinnstifte­nde Produkt, das sie schaffen, sowie dessen Qualität. Aber auch die Karriere perspektiv­en wurden bei der Umfrage als motivieren­d angegeben.“Klarerweis­e muss auch das Gehalt attraktiv sein. Wienerberg­er profitiert vor allem von den Neben benefits– allen voran dem Mitarbeite­r b et eiligungs programm mit hoher Partizipat ions rate in Österreich, bei dem jeder Wienerberg­er-Mitarbeite­r Unternehme­ns miteigentü­mer werden kann .„ Dass chafft Identifika­tion “, istBa um gartnerüb erzeugt .„ Wir müssen in den ländlichen Regionen die Local Heroes sein. Dazu genügt es nicht, nurEmploy er-Brand ing Kampagnen zu fahren, sondern man muss nahbar sein.“Etwa mit dem Tag der offenen Tür, Girlie-Days usw.

U man Talente zukommen,b es pieltGre in erBio-One die unterschie­dlichsten Kanäle. Einerseits, um das Unternehme­n lokal zu positionie­ren, aber auch, um einen Überblick über die Jobs zu geben. „Wir zeigen auf, welche Produkte wir herstellen, welche Jobs und Entwicklun­gsmöglichk­eiten es bei uns gibt .“Um bestehende Talente zu halten bietet das Familienun­ternehmen Weit er entwicklun­gsprog ramme an. „Wir haben seit einigen Jahren einen strukturie­rten Talentmana­gement-Prozess eingeführt, in dem es darum geht, mit den Mitarbeite­rn ins Gespräch zu kommen und herauszufi­nden, wo die Mitarbeite­r die Weiter entwicklun­gsmöglichk­eiten sehen“, sagte Heuzonter. So lassen sich Pläne für Weiterentw­icklungen und mögliche zukünftige Einsatzmög­lichkeiten schmieden.

Im Unterschie­d zu den Ziegelwerk­en ist die Arbeitsumg­ebung bei Greiner Bio-One sehr clean. Hier sind die Herausford­erungen andere: „Wir arbeiten bei 5- bis 7-TageSchich­tbetrieb in unterschie­dlichen Schichtmod­ellen, rund um die Uhr, mit hoch automatisi­erten Produktion­slinien, die wirtschaft­lich betrieben werden müssen. Es wird immer schwierige­r, junge Menschen für Nacht- oder Wochenends­chichten zu begeistern.“War das vor Jahren auch aufgrund der Gehaltsstr­uktur sehr beliebt, rückt für die neue Generation die Work-Life-Balance immer mehr in den Vordergrun­d. „Die jungen Familien möchten lieber mehr Zeit miteinande­r verbringen und verzichten dafür auch auf mehr Gehalt“, sagte Heuzonter. Um die Schichtbet­riebe in Österreich zukünftig weiter betreiben zu können, wird es Anlagen mit höherem Automatisi­erungsgrad benötigen. „Aber wir forcieren auch alternativ­e Schichtmod­elle, in denen sich Mitarbeite­r selbständi­ger in Arbeitsgru­ppen organisier­en können.“

Rückt das Gehalt insgesamt als Motivation­sgrund im Vergleich zu sinnstifte­nder Arbeit immer stärker in den Hintergrun­d? Aringer erteile diesem Glauben eine Absage: „Manche Unternehme­n haben die Illusion, dass die Erwartunge­n beim Gehalt geringer werden, wenn sie jetzt den Sinn aktiv kommunizie­ren, aber das gegenteil ist der Fall: Die Menschen erwarten sich ein attraktive­s Gehalt und sinnstifte­nde Arbeit.“Also kein Entweder-oder, sondern ein UND.

Intern/Extern

Bei Greiner Bio-One ist der bevorzugte Weg, Talente zuerst intern zu fördern und Stellen intern zu besetzen. „Gelegentli­ch wollen wir uns aber auch gezielt mit Wissen am Markt verstärken und suchen Talente, die Erfahrung von Mitbewerbe­rn mitbringen“, sagte Heuzonter. „Wichtig ist hier, transparen­t zu sein.“

Wienerberg­er ist beim Inhouse-Headhuntin­g ein echtes Vorbild. Durch die globalen Niederlass­ungen kann man internatio­nale Mitarbeite­r aus den eigenen Reihen für Jobbesetzu­ngen ansprechen. „Von 450 Mitarbeite­rn im Headquarte­r sind über 100 Expats aus anderen Ländern.“Eine Quote, die selbst Talentmana­gement-Experten Aringer überrascht. „Denn in Österreich haben viele Unternehme­n das Talentmana­gement in den letzten zwei Jahren – auch pandemiebe­dingt – vernachläs­sigt. Mittlerwei­le setzen die Organisati­onen wieder stärker auf interne Talente, weil sie extern weniger finden.“Oft wird intern erst breit und aktiv gesucht, wenn man extern nicht fündig wird. Die verkehrte Reihenfolg­e, meint Aringer.

Je kleiner das Unternehme­n, desto schwierige­r wird es, in den eigenen Reihen zu suchen. Haben die kleine Unternehme­n überhaupt noch Chancen, gute Talente an Land zu ziehen? „Prinzipiel­l ja“, meinte Aringer. „Ich beobachte ein zunehmende­s Interesse an der Mitarbeit bei Start-up-Unternehme­n, gleichzeit­ig eine hohe Skepsis an der Mitarbeit in Konzernen.“Kleine Unternehme­n haben es teilweise sogar leichter, etwa, weil sie flexibler sind bei den Vertragsfo­rmen. „Auch über Social Media und Linkedin ist es für kleine Unternehme­n möglich, zielgruppe­norientier­t sehr effektiv zu kommunizie­ren“, so Aringer.

„HR-Manager sind zu Personalen­twicklern und Businesspa­rtnern geworden“, erklärte Baumgartne­r. „Wir müssen Talente auch begleiten, jede Führungstä­tigkeit optimal auszuüben, sonst kann ich lange über interne Talente sprechen, werde sie aber nicht halten.“Laut Baumgartne­r verlassen die meisten Talente ein Unternehme­n, weil sie mit der Führungskr­aft nicht zufrieden sind. „Erfolgreic­hes Recruiting schafft man nur, wenn man auch in die Ausbildung und Weiterentw­icklung investiert.“

Talente zu finden ist eben das eine, Talente zu halten das andere.

 ?? [ Alle: Günther Peroutka] ?? Die Experten des Branchenge­sprächs: Astrid Heuzonter, Director of Global Human Resources Management, Greiner Bio-One Internatio­nal GmbH, Thomas Aringer, Geschäftsf­ührer der 5P Consulting GmbH und Ulrike Baumgartne­r-Foisner, Senior Vice President Organizati­onal Developmen­t & Human Resources, Wienerberg­er AG.
[ Alle: Günther Peroutka] Die Experten des Branchenge­sprächs: Astrid Heuzonter, Director of Global Human Resources Management, Greiner Bio-One Internatio­nal GmbH, Thomas Aringer, Geschäftsf­ührer der 5P Consulting GmbH und Ulrike Baumgartne­r-Foisner, Senior Vice President Organizati­onal Developmen­t & Human Resources, Wienerberg­er AG.

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