Vertikale und horizontale Karrieren gleichwertig
Stellenwert. In immer mehr Betrieben werden auch horizontale Karriereentwicklungen angeboten, geschätzt und für genauso wichtig angesehen wie der rein vertikale Karrierepfad.
Klassische Karrierepfade zeigen immer nach oben – der vertikale Weg wurde in der Vergangenheit immer am meisten geschätzt. Nun zeigt sich eine Zeitenwende. Die Bedeutung an horizontalen Karrieren nimmt zu. „Mitunter, weil Führung aufgeteilt wird“, erklärte Talentmanagement-Experte Thomas Aringer, Geschäftsführer der 5P Consulting GmbH. Früher hat man in drei Schienen gedacht: Führungskarriere, Expertenkarriere, Projektkarriere. Nach der Annahme, dass eine Führungskraft grob gesagt anders tickt als ein Experte oder Projektmanager.
Sieht man sich Potenzialanalysen an, zeigt sich jedoch, dass es viele Gemeinsamkeiten in den Mustern zwischen Führungskräften, Experten und Projektmanagern gibt. Mit Konsequenz: „Früher hatte man in einer klassischen Unternehmenshierachie durchschnittlich zehn Mitarbeiterinnen für eine Führungskraft. Heute gibt es drei bis vier Personen, die unterschiedliche führende Rollen übernehmen.“Darunter etwa personenorientierte, fachliche, strukturierende oder moderierende Führung. Dadurch nehmen die klassischen Hierarchien ab. „Zusätzlich gibt es auch viele Personen, die in Teilzeit verantwortliche Positionen übernehmen“, sagte Aringer. Dadurch sei es auch leichter geworden, einen vermeintlichen Schritt zurück oder zur Seite zu machen. „Es ist ungleich akzeptierter geworden.“Das sei ein Riesenfortschritt.
In Unternehmen muss es für Mitarbeiter die Option geben, aus Führungsrollen in Expertenrollen zu wechseln. Auch Astrid Heuzonter, international zuständig für HR bei Greiner Bio-One International GmbH, stellt fest, dass es in der Führungsrolle nicht immer stets nach oben gehen muss. „Deshalb ist es wichtig, es auch als vollwertige Weiterentwicklung im Unternehmen zu sehen, wenn sich jemand entscheidet, Abzweigungen in eine Expertenkarriere zu wählen, die für das Unternehmen wertvoll ist“, so Heuzonter.
Ulrike Baumgartner-Foisner, Senior Vice President Organizational Development & Human Resources der Wienerberger AG, vermutet, dass es den meisten Unternehmen bewusst ist, dass horizontale Karrieren genauso wertvoll sind wie vertikale. „Es hängt stark von der Führungskultur und dem Willen ab, horizontale Karrieren auch entsprechend wertzuschätzen – auch monetär“, so Baumgartner-Foisner.
Eine Wende bemerkt man bei den Unternehmen auch in der Anstellung und Bezahlung von Personen mit unterschiedlichen Ausbildungsniveaus.
Formale Ausbildung
„In gewissen Bereichen ist eine formale Ausbildung natürlich Grundvoraussetzung, um überhaupt einen Job annehmen zu können“, sagte Heuzonter. Wenn man zum Beispiel einen Biologen benötigt, ist selbstverständlich, dass die Bewerbungskandidaten entsprechende Ausbildungen mitbringen müssen. „Aber am Ende des Tages bewerten wir unsere Funktionen jedoch nach dem Wertbeitrag im Unternehmen.“Dieser Wertbeitrag ist auch das Maß der Dinge bei der Gehaltsfindung. Dass die formale Ausbildung bei Anstellung und Gehalt eine immer geringere Rolle spielt, liegt für Aringer auch an den zunehmenden Ausbildungssystemen. „Es ist nicht mehr so einfach, zu beurteilen, was eine bestimmte Ausbildung wert ist.“Viele Mitarbeiter absolvieren zudem neben dem Beruf Weiterbildungen. „Die klassischen ausbildungsorientierten Jobprofile nehmen ab.“
Andererseits gibt es auch einen anderen Trend: „Wir sehen schon auch, dass bestimmte Positionen, die früher mit Lehrlingen oder Schulabsolventen besetzt wurden, nun zunehmend an Akademikern vergeben werden“, so Aringer.
Karriere mit Coach
Ein Trend bei Führungsstrukturen lautet: agile Führungsrollen. Eine Führungskraft, die den Mitarbeitern als Entwicklungspartner zur Verfügung steht, ist in vielen Führungsansätzen kaum vorhanden. „Aber es ist wichtig, eigene Führungskräfte zu entwickeln“, betonte Baumgartner-Foisner. „Früher wurden Vakanzen häufig gefüllt, indem man den besten Experten zur Führungskraft ernannte.“Vor allem in technikorientierten Branchen war diese Praxis oft der gängigste Vorgang. „Da kann es passieren, dass man dann nicht die beste Führungskraft hat, gleichzeitig aber den besten Techniker verloren.“
Gerade junge Mitarbeiter wünschen sich gerne einen Coach oder Mentor, der auf sie eingeht und sie ganzheitlich als Person wahrnimmt und nicht bloß als Ressource. Vorbildliche Unternehmen hingegen bemühen sich, auf das Individuum einzugehen und gemeinsam eine Lösung zu finden. „So etwas ist natürlich wesentlich aufwendiger, dafür steigt die Chance, das Potenzial der Mitarbeiter voll auszuschöpfen“, sagte Baumgartner-Foisner.
Aringer beobachtet, dass viele Organisationen die Potenziale und Karrierewünsche ihrer Mitarbeiter nicht ausreichend kennen, und gar nicht wissen, auf welchem Schatz sie sitzen und welche Kompetenzen sie intern entwickeln könnten.