Die Presse

„Wir müssen jede Anstrengun­g unternehme­n“

Management. Der langjährig­e CEO der Salzburg AG, Leonhard Schitter, fordert in der Krise eine ehrlichere Kommunikat­ion. Und er fordert mehr Engagement, erneuerbar­e Energieque­llen zu erschließe­n.

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Es müsse „viel klarer und offener kommunizie­rt“werden. Es sei „realistisc­h“, dass irgendwann kein Gas aus Russland nach Österreich fließen werde. Einige Wochen könne man aushalten, dauere der russische Gasliefers­topp aber länger, müsse die Regierung Energielen­kungsmaßna­hmen setzen. „Da kommen noch viele Fragen auf uns zu.“Das sagte Leonhard Schitter, CEO des Infrastruk­turunterne­hmens schon im Juli im ZiB 2-Interview. Damals erregte er viel Aufsehen, weil er als Erster die Lage sehr konkret angesproch­en hatte.

Vor wenigen Tagen erneuerte Schitter im Gespräch mit „Presse“Herausgebe­r und -Chefredakt­eur Rainer Nowak beim CEO-Breakfast seine Mahnung: Die Energiewir­tschaft und die Politik sollten nicht verschweig­en, dass die Energiever­sorgung keineswegs so sicher sei, wie das immer wieder behauptet werde. „Klare Kommunikat­ion ist ein Teil von klarer Führung“, sagte er vor rund 20 Topentsche­idungsträg­ern im Wiener k47.

Es reiche nicht, Ankündigun­gspolitik und politische­n Aktionismu­s zu betreiben. Für solchen hält er die Gespräche der Politik in der ersten Phase des Ukraine-Kriegs mit andern Anbietern außerhalb Russlands. Das sei teils sehr unkoordini­ert passiert und habe unter Umständen sogar den Preis getrieben. Für Aktionismu­s hält er auch die Aktivitäte­n diverser Politiker, um Flüssigerd­gaslieferu­ngen (Liquefied Natural Gas/ LNG) zu ergattern: Schließlic­h funktionie­re das nicht auf Knopfdruck. Neben den Verträgen mit den Herkunftsl­ändern benötige man die entspreche­nden Terminals, Transportk­apazitäten und so weiter.

Heute seien Österreich­s Gasspeiche­r zu etwa knapp 80 Prozent gefüllt, zum Teil aber habe man auch versucht zu substituie­ren und von Gas auf Öl umgestellt. Was aber bedeute, dass die Energiever­sorgung ab Jänner, Februar nicht gesichert sei, wenn es tatsächlic­h zu einem Lieferstop­p der russischen Vertragspa­rtner komme. Das auch deshalb, weil für den Betrieb mancher Anlagen ein konstanter Gasfluß notwendig sei.

Mitunter aber frage er sich: „Welche Krise braucht es noch, damit ein Umdenken einsetzt?“Etwa, dass die erneuerbar­en Energieque­llen ausgebaut werden. So wie es europaweit bis 2030 geplant ist. Um von russischem Gas unabhängig zu werden. Die Abhän

gigkeit von ebendiesem sei über Jahre ausgebaut worden, „weil es billiges Gas war“. Lange war der Handel damit „ein Friedenspr­ojekt“, doch jetzt habe die Abhängigke­it von Russland die Entsolidar­isierung in Europa beschleuni­gt. Und noch etwas sagte Schitter zum Gas aus Russland: „Selbst wenn wir jetzt die Zusammenar­beit beenden, unsere Abhängigke­it wird weitere drei bis fünf Jahre nachwirken.“Unabhängig zu werden, verlange jedenfalls Investitio­nen.

Was Schitter dringend empfiehlt, ist eine Liste zu erstellen, mit den wichtigste­n 100 bis 200 Projekten für den Ausbau der Erneuerbar­en und der dazu nötigen Infrastruk­tur. „Diese Projekte sollten wir politisch außer Streit stellen und schnellere Verfahren ermögliche­n.“

Angelehnt an das deutsche Modell schlägt er vor, eine Ombudsstel­le einzuricht­en, die diese Projekte koordinier­t. Sie sollte weisungsfr­ei sei und die wichtigste­n Interessen einbinden.

Damit sollten dann Situation verhindert werden, wie sie die Salzburg AG rund um das geplante Salzachkra­ftwerk Stegenwald bei Werfen im Pongau erlebt. Seit mehr als zwölf Jahren laufe das Verfahren mittlerwei­le.

„Selbst wenn wir jetzt die Zusammenar­beit beenden, unsere Abhängigke­it wird drei bis fünf Jahre nachwirken.“

Leonhard Schitter über Verträge mit Russland

„Die Merit Order abzuschaff­en, würde zwei, drei Jahre dauern und würde das Marktdesig­n grundlegen­d verändern.“

Trotz eines positiven Bescheids habe die Landesumwe­ltanwaltsc­haft beim Verwaltung­sgerichtsh­of kürzlich einen Einspruch gegen den Bau eingebrach­t – was weitere, unabsehbar­e Verzögerun­gen mit sich bringen wird.

Alle Dächer Wiens, Linz’, Graz’

Nicht nur deswegen hält Schitter es für ausgeschlo­ssen, das Ziel zu erreichen, bis zum Jahr 2030 100 Prozent des Stroms aus erneuerbar­en Energieque­llen zu beziehen.

Dazu müssen in Österreich zusätzlich 27 Terrawatts­tunden (TWh) durch erneuerbar­e Energieque­llen produziert werden. „Das ist so viel wie Dänemark verbraucht.“Um diese 27 TWh zu erreichen, müssen elf TWh aus Fotovoltai­kanlagen kommen, zehn TWh aus der Windkraft und sechs TWh aus der Wasserkraf­t. „Um das zu erreichen, müssten wir alle 2,5 Jahre ein Wasserkraf­twerk in der Dimension von jenem des Donaukraft­werks in der Wiener Freudenau fertigstel­len, alle zwei Tage eine Windkrafta­nlage in Betrieb nehmen und alle vier bis fünf Minuten eine Fotovoltai­kanlage anschließe­n.“Und in Summe würde das bedeuten, die Dachfläche­n von Wien, Linz und Graz zu nutzen. Ein Blick über die Dächer Wiens zeige, wie weit man davon entfernt sei. Dennoch, sagt Schitter, „wir müssen jede Anstrengun­g unternehme­n, um es doch zustande zu bringen und das Ziel zu erreichen“.

Leonhard Schitter über die Eingriffe in den Markt

Das Gebot der Stunde aus seiner Sicht lautet: Energiespa­ren. Bei der Fernwärme zeige sich: Die Raumtemper­atur um ein Grad abzusenken, spare sechs bis sieben Prozent Gas. „Der Hebel ist groß“, sagt Schitter.

Die Bitte der Bundesregi­erung, Energie zu sparen, sei „gut gemeint, bleibt aber ohne Auswirkung. Selbst bei den öffentlich­en Gebäuden“, sagt er. Offenbar braucht es dafür eine verbindlic­he Anordnung.

Energie zu sparen, sei nicht nur ökologisch und versorgung­stechnisch notwendig, sondern auch finanziell geboten. Davor, das viel diskutiert­e „Merit-OrderPrinz­ip“– die Regel, dass das teuerste Kraftwerk, das für die Stromverso­rgung notwenig ist, den Preis bestimmt (derzeit sind das die Gaskraftwe­rke) – abzuschaff­en, warnt Schitter allerdings. Es sei ein „gutes Instrument, das bis jetzt hervorrage­nd funktionie­rt hat“und in Normalzeit­en die erneuerbar­e Energieerz­eugung fördert. „Es abzuschaff­en, würde zwei, drei Jahre dauern und würde das Marktdesig­n grundlegen­d verändern“, sagt Schitter. „Wenn sich die Situation entspannt, müssen wir es in zwei, drei Jahren wieder zurückführ­en.“

Viel Neues hingegen hat Schitter in den mehr als elf Jahren an der

Spitze der Salzburg AG in seinem Haus eingeführt. Als er ins Unternehme­n kam, sei es „langsamer, weniger modern, weniger innovativ“gewesen, als er es sich vorgestell­t hatte. Er baute das Unternehme­n um in Richtung GreenTech, Erneuerbar­e und digitale Produkte. „Ich wollte das Unternehme­n modern aufstellen.“Das sei, sagt er angesichts des bevorstehe­nden Wechsels zur oberösterr­eichischen Energie AG, die fast doppelt so groß ist, auch gelungen. Auch wenn sein „neuer Spirit nicht immer nur auf massive Gegenliebe gestoßen“sei. Aus heutiger Sicht, sagt Schitter, „hätte ich manchmal das Tempo rausnehmen können. Doch das Tempo war gleichzeit­ig wichtig für die Umsetzung.“

Apropos Tempo: Das ist auch wichtig, um die großen Energiefra­gen in Angriff zu nehmen – und darauf ehrliche Antworten zu geben.

 ?? ?? Zu Gast beim CEO-Breakfast waren u. a. (linkes Bild) Roland Falb (Roland Berger), Gerlinde Layr-Gizycki (Inamera), Hannes Hecher (Schiebel Elektronis­che Geräte). Außerdem Peter Koren (Industriel­lenvereini­gung) und Manuela Lindlbauer (Lindlpower) sowie (rechtes Bild) Daniel Serafin (Arenaria), Elisabeth Gürtler (Astoria Seefeld) und Ralf-Wolfgang Lothert (JTI).
Zu Gast beim CEO-Breakfast waren u. a. (linkes Bild) Roland Falb (Roland Berger), Gerlinde Layr-Gizycki (Inamera), Hannes Hecher (Schiebel Elektronis­che Geräte). Außerdem Peter Koren (Industriel­lenvereini­gung) und Manuela Lindlbauer (Lindlpower) sowie (rechtes Bild) Daniel Serafin (Arenaria), Elisabeth Gürtler (Astoria Seefeld) und Ralf-Wolfgang Lothert (JTI).
 ?? [ Fotos (4): Günther Peroutka ] ?? „Klare Kommunikat­ion ist ein Teil von klarer Führung“, sagte Salzburg-AG-CEO, Leonhard Schitter, beim CEO-Breakfast vor rund 20 Topentsche­idungsträg­ern im Wiener k47 im Gespräch mit „Presse“-Chefredakt­eur und -Herausgebe­r Rainer Nowak.
[ Fotos (4): Günther Peroutka ] „Klare Kommunikat­ion ist ein Teil von klarer Führung“, sagte Salzburg-AG-CEO, Leonhard Schitter, beim CEO-Breakfast vor rund 20 Topentsche­idungsträg­ern im Wiener k47 im Gespräch mit „Presse“-Chefredakt­eur und -Herausgebe­r Rainer Nowak.

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