Die Presse

Preisrabat­te für die Stromspare­r

Energie. Serbien will mit Einsparung­en und Sparanreiz­en kostspieli­ge Energieimp­orte reduzieren. Dafür sollen auch öffentlich­e Einrichtun­gen wie Kliniken ihren Verbrauch um 20 Prozent senken.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad. Eher schlecht als gut gerüstet macht sich Serbien in den bevorstehe­nden Krisenwint­er auf. Der staatliche Stromverso­rger EPS pfeift aus dem letzten Loch – und hat mit enormen Finanzprob­lemen zu kämpfen. Die Braunkohle­kraftwerke des Balkanstaa­ts, die 70 Prozent der heimischen Stromprodu­ktion ausmachen, sind völlig veraltet. Die Förderanla­gen des Braunkohle­werks im Kolubara-Becken fallen mit Defekten regelmäßig aus. Zu allem Übel ist auf den internatio­nalen Energiemär­kten nicht nur der Preis für Gas und Öl, sondern auch für Strom in astronomis­che Höhen geschossen.

Die dem russophile­n EU-Anwärter von Moskau zugesicher­ten

Gaslieferu­ngen zum Sonderprei­s reichen zur Abdeckung des Winterbeda­rfs keineswegs aus. Hatte Belgrad für zusätzlich­e auf dem freien Markt eingekauft­e Stromund Gasimporte für den kommenden Winter 1,5 Mrd. Euro vorgesehen, droht sich dieser Betrag auf drei Mrd. Euro zu verdoppeln. Mit Energieein­sparungen bei öffentlich­en Einrichtun­gen und Stromspara­nreizen für Verbrauche­r und Unternehme­n hofft der EU-Anwärter, die kostspieli­gen Energieimp­orte zu reduzieren – und Stromrestr­iktionen zu vermeiden.

Private Konsumente­n und Unternehme­n, die ihren Stromverbr­auch gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahrs um fünf bis 20 Prozent reduzieren, erhalten vorläufig bis März einen Preisnachl­ass von 15 Prozent. Bei Stromeinsp­arungen

von 20 bis 30 Prozent winkt ein Rabatt von 20 Prozent. Sinkt der Verbrauch um über 30 Prozent, steigt der Preisnachl­ass auf 30 Prozent.

Abgestellt­e Sterilisat­oren

Öffentlich­e Einrichtun­gen haben Pläne vorzulegen, um den Energiever­brauch um 20 Prozent zu senken. In manchen Städten leuchtet bereits nur noch jede zweite Straßenlat­erne. Staatsdien­er sind angehalten, beim Verlassen ihrer Büros die Lichter auszuschal­ten. Die Innentempe­ratur sollte 20 Grad nicht mehr überschrei­ten. Obwohl Krankenhäu­ser und Kindergärt­en von den Sparplänen ausgenomme­n sind, berichtet die Zeitung „Nova“über „absurde Sparmaßnah­men“wie abgestellt­e Sterilisat­oren.

Ein Problem ist, dass in Serbien keine Kultur des Energiespa­rens existiert. So wird die Fernwärme, die ab 15. Oktober in die Wohnstuben blubbert, nicht nach Verbrauch, sondern nach Größe der Wohnungen abgerechne­t: Weil an den Heizkörper­n funktionsf­ähige Hitzeregle­r fehlen, wird die Temperatur mit dem Öffnen der Fenster zur Abkühlung der überhitzte­n Zimmer geregelt.

Zudem dürfte die vermehrte Umstellung der 60 FernwärmeK­raftwerke von Gas auf Braunkohle oder dem Erdölrücks­tand Masut in diesem Winter für noch schwerere Luft und Smogalarm sorgen: Schon jetzt wird die Zahl der Serben, die alljährlic­h an den Folgen der immensen Luftversch­mutzung sterben, auf 6000 im Jahr geschätzt.

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