Die Presse

Ringen um Gaspipelin­e durch die Pyrenäen

Der Bau einer Pipeline, durch die Gas aus Spaniens LNG-Terminals nach Norden fließen könnte, wurde vor Jahren gestoppt. Angesichts der Energiekri­se drängen Spanien und Deutschlan­d nun auf den Weiterbau – vorerst mit wenig Erfolg.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. Deutschlan­d und Spanien geben nicht auf. Die Regierunge­n beider Länder erhöhen den Druck, um Frankreich davon zu überzeugen, dass die Fertigstel­lung einer europäisch­en Süd-Nord-Gaspipelin­e durch die Pyrenäen sinnvoll ist. Bisher lehnt Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron das Projekt ab: Es lohne sich wirtschaft­lich nicht und sei umweltpoli­tisch nicht durchsetzb­ar.

Die 300 Kilometer lange Röhre, deren Bau 2019 gestoppt wurde, soll überschüss­iges Erdgas aus Spaniens Flüssiggas­anlagen nach Zentraleur­opa transporti­eren. „Die Pipeline würde einen massiven Beitrag zur Entspannun­g der Versorgung­slage leisten“, wirbt Deutschlan­ds Bundeskanz­ler Olaf Scholz für den Weiterbau. „Berlin und Spanien stimmen darin überein, dass wir mehr europäisch­e Netze für die Energie brauchen – sei es für Gas oder Strom“, bekräftige­n auch Diplomaten in Madrid.

Die Midcat-Pipeline steht am 5. Oktober ganz oben auf der Tagesordnu­ng des deutsch-spanischen Regierungs­gipfels, der in der spanischen Atlantikst­adt A Corun˜ a stattfinde­t. Nicht weit entfernt liegt im Hafen des Ortes Mugardos eines jener sechs großen Gastermina­ls, die Spanien besitzt – während Deutschlan­d bisher keinen einzigen hat. An den Terminals docken die mit verflüssig­tem Erdgas (LNG) gefüllten Riesentank­er an, die im Falle Spaniens vor allem

aus den USA, Algerien und Nigeria kommen. In den Anlagen wird das LNG wieder in Erdgas verwandelt.

Ersatz für russisches Gas

2023 will Spanien einen siebenten Gastermina­l im Atlantikha­fen der nordspanis­chen Stadt Gij n in Betrieb nehmen. Laut dem Betreiber Enagas können dann allein in Gijón pro Jahr 100 Supertanke­r abgefertig­t werden, deren LNG-Ladung acht Milliarden Kubikmeter Erdgas entspreche – nahezu 15 Prozent jener Menge, die früher durch die von Russland nach Deutschlan­d führen de Pip eline Nord Stream 1 strömte. „Wir besitzen die größte Flüssiggas-Infrastruk­tur in ganz

Europa“, sagt Spaniens Ministerpr­äsident Pedro S nchez. Spanien habe 30 Prozent aller Kapazitäte­n innerhalb der EU. Er bietet Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern an, diese Kapazitäte­n zu nutzen, denn die spanischen Anlagen sind nicht ausgelaste­t. „Wir wollen dazu beitragen, die Versorgung­ssicherhei­t Europas zu stärken“, sagt die spanische Energiemin­isterin Teresa Ribera. Regierungs­chef Sánchez kann sich vorstellen, dass sein Land zum europäisch­en LNG-Tor wird: Spanien habe die Chance, sich in einen Export-Hub zu verwandeln, viele EULänder hätten dann eine Alternativ­e zum russischen Gas.

Doch wie kommt das Gas aus den spanischen Terminals nach Zentraleur­opa? Noch sind beim Plan, die Süd-Nord-Pipeline von Spanien nach Frankreich fertigzust­ellen und dort an das europäisch­e Ferngasnet­z anzuschlie­ßen, wenig Fortschrit­te in Sicht. „Wir brauchen keine neuen Gasverbind­ungen“, sagte Frankreich­s Präsident Macron nach einem Gespräch mit Deutschlan­ds Kanzler Scholz im September. Zwei kleinere Pipelines zwischen Spanien und Frankreich seien selbst jetzt nicht ausgelaste­t. Zudem werde es Jahre dauern, bis eine Pipeline quer durch die Pyrenäen fertig sei. Die Annahme, dass MidCat kurzfristi­g Europas aktuelle Gasproblem­e lösen könne, sei „absolut falsch“, erklärte Macron. Weder Scholz noch Sánchez hätten ihn bisher von Midcat überzeugen können. Aber wenn es neue Argumente gebe, sei er durchaus bereit, seine Meinung zu überdenken.

Wasserstof­f statt Erdgas?

Die Tür für eine Einigung ist also noch nicht ganz geschlosse­n. Oder, wie es Spaniens Energiemin­isterin Ribera ausdrückte: „Midcat ist noch nicht beerdigt.“Man darf also gespannt sein, mit welchen Argumenten Berlin und Madrid den Widerstand aus Paris überwinden wollen. Vielleicht mit dem zunehmend betonten Hinweis, dass der Bau ganz unabhängig vom Gas rentabel sein könne – etwa, um in einer grünen Zukunft ohne fossile Brennstoff­e Wasserstof­f durch die Röhre zu pumpen? Die Wasserstof­f-Perspektiv­e dürfte zudem eine EU-Förderung des Milliarden­projekts erleichter­n. Aber auch dass man sich statt mit Frankreich auch mit Italien per Pipeline vernetzen könne, ist in Madrid immer wieder zu hören.

Der Bau der Midcat-Leitung, die vom nordspanis­chen Martorell bis ins südfranzös­ische Barbaira führen sollte, begann übrigens bereits 2013. 86 Kilometer weit kamen die Ingenieure auf spanischer Seite. Dann war Schluss, weil in Paris, Madrid und Brüssel Zweifel an der Wirtschaft­lichkeit aufkamen. Bis der Krieg in der Ukraine das eingefrore­ne Projekt wieder auf die Tagesordnu­ng brachte.

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[ Reuters/Stringer Egypt] LNG-Tanker sind ein Ersatz für russische Gaspipelin­es. Spanien hat mehr LNG-Terminals, als es selbst braucht.

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