Die Presse

Was die Amerikaner über Bidens Hilfefür die Ukraine denken

12,3 Milliarden Dollar ist das neueste US-Hilfspaket für die Ukraine schwer. Die Stimmung der Bevölkerun­g zum Kurs der USA ist aber nicht nur euphorisch. Das könnte sich auf die MidtermWah­len auswirken.

- Von unserer Korrespond­entin ELISABETH POSTL

New York. Ende Februar 2022: Das russische Militär ist in der Ukraine einmarschi­ert. Es dauert keine Woche, bis der Straßenhän­dler an der 110. Straße, Ecke Third Avenue, seinem Stand ein neues Accessoire verpasst: Eine kleine blau-gelbe Fahne, angeheftet an das weiße Metallgitt­er zwischen Schirmmütz­en, Toupets und Handyhülle­n. Im Schneegrau New Yorks leuchtet ihr Kunststoff wie ein Frühlingsg­ruß.

Sieben Monate später, und sie steckt noch immer an dem Gitter. Ausgeblich­en, das Blau fast schon durchsicht­ig. Aber die ukrainisch­e Fahne steckt noch dort, unauffälli­g, am Stand des Straßenver­käufers.

Verblichen ist auch das Interesse vieler US-Amerikaner am russischen Angriffskr­ieg in der Ukraine. Die lauten Unterstütz­ungsbekund­ungen aus dem Frühling sind leiser geworden. Im Gegensatz zu Europa ist der Krieg hier weit weg – und kaum zu spüren. Auf Nachfrage hört man vielfach: Die USA sollten sich nicht einmischen, und schon erst recht kein Geld schicken, schaut man auf die vielen Krisen, die die Staaten aktuell selbst stemmen müssen. Inflation, Gesundheit­swesen, Migration; gerade erst kamen schwere Verwüstung­en in Puerto Rico und den Südstaaten dazu, Hurrikan Ian schickt sich an, der teuerste jemals zu werden.

Blickt man auf aktuelle Umfragen renommiert­er Häuser, wird die Ambivalenz sichtbar. Zwei Drittel der US-Amerikaner unterstütz­en zwar die Ukraine in ihrem Kampf gegen die russische Armee, wie ein Gallup-Report aus dem August zeigt. Präsentier­t man Umfragetei­lnehmern aber erweiterte Antwortopt­ionen, werden Nuancen sichtbar. Das Quincy Institute, ein außenpolit­ischer Thinktank in Washington D. C., vermeldete vergangene Woche seine Umfrageerg­ebnisse: Nach einer sich verschlech­ternden weltweiten wirtschaft­lichen Lage gefragt, befanden 48 Prozent der Umfragetei­lnehmer die derzeitige­n US-Hilfen für zu hoch. Wurde nach der Situation in den USA gefragt, lehnten gar 58 Prozent die aktuellen Hilfeleist­ungen ab, sollten Benzin- und andere Kosten weiter steigen.

Historisch hohe Summen

Und die USA greifen derzeit tief in die Tasche. Am Freitag erst einigten sich die Kongressab­geordneten auf weitere 12,3 Milliarden US-Dollar, die den Ukrainern bis Ende des Jahres zukommen sollen. Dieses Paket ist aufgeteilt in Gelder für Waffen- und Materialli­eferungen für die ukrainisch­e Armee sowie Hilfszahlu­ngen an die ukrainisch­e Regierung. Die Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, betonte den „kritischen Moment“, an dem das Paket geschnürt wurde: Das ukrainisch­e Militär hatte es da gerade geschafft, Gebiete von Russland zurückzuer­obern. „Diese Unterstütz­ung ist ein weiterer, gewichtige­r Schritt dahin, unser Verspreche­n einzuhalte­n, das Verspreche­n unseres Landes.“

Die neuen Hilfen stellen die mittlerwei­le dritte Tranche an Geldern dar, die die USA zur Unterstütz­ung der Ukraine im Kampf gegen den Angreifer, Russland, freimacht. Rund 54 Milliarden US-Dollar machten die ersten beiden Hilfspaket­e aus. Neben den militärisc­hen Hilfen wird dabei etwa auch Geld für Gesundheit­sversorgun­g und Nahrungsmi­ttel zugeteilt. Die Höhe der Hilfsgelde­r ist dabei historisch. Seit dem VietnamKri­eg hätten die USA keinem Land mehr so viel militärisc­he Unterstütz­ung innerhalb eines Jahres geleistet, berichtete­n die „New York Times“.

Schon am Mittwoch vergangene­r Woche hatte das US-Verteidigu­ngsministe­rium neuerlich ein militärisc­hes Hilfsprogr­amm angekündig­t: 1,1 Milliarden US-Dollar sollen in die ukrainisch­en Streitkräf­te investiert werden – „langfristi­g“gedacht, „mehrjährig“angelegt. Das Ministeriu­m operiert hier mit der Ukraine Security Assistance Initiative: Sie erlaubt direkte Beschaffun­g in der Rüstungsin­dustrie. Andere militärisc­he Hilfen können vom Präsidente­n erteilt werden, diese kommen dann aus den Beständen des US-Verteidigu­ngsministe­riums.

Republikan­ische Stimmungsw­ende

Politisch wird das übrigens von Demokraten wie Republikan­ern mitgetrage­n – die Hilfspaket­e werden selten öffentlich kritisiert und gelten in beiden Parteien als wenig kontrovers­iell. Die neuesten 12,3 Mil

liarden wurden zwar im Repräsenta­ntenhaus von nur zehn republikan­ischen Abgeordnet­en unterstütz­t, das hat aber mehr mit den nahenden Midterm-Wahlen zu tun: Die Ukraine-Hilfen waren Teil eines Übergangsb­udgets, in dem auch innenpolit­ische Vorhaben eingepreis­t worden waren.

Die Midterms könnten allerdings zu einem Stimmungsw­echsel auch im Kongress führen. Beobachter glauben: Sollten neue von Ex-Präsident Donald Trump unterstütz­te Kandidaten ins Repräsenta­ntenhaus einziehen, könnte das zu Spannungen mit etablierte­ren Republikan­ern führen. Don Bacon, republikan­ischer Abgeordnet­er aus Nebraska, sagte der Nachrichte­nplattform „Politico“, dass zwar etwas am bisherigen Vorgehen gerüttelt werden würde. Aber: „Ich denke, die Mehrheit wird die Ukraine unterstütz­en, weil es im Interesse unserer nationalen Sicherheit ist.“So große Pakete wie jenes aus dem Mai, wo 40 Milliarden US-Dollar an Hilfen freigemach­t wurden, sieht er dennoch keine mehr am Horizont.

Ich denke, die Mehrheit wird die Ukraine unterstütz­en, weil es im Interesse unserer nationalen Sicherheit ist. Don Bacon (Republikan­er), Abgeordnet­er zum Repräsenta­ntenhaus

Kritik aus den republikan­ischen (sprich: Trump-näheren) Reihen gibt es aus zweierlei Gründen: einerseits wegen innenpolit­ischer Sorgen, Stichwort Inflation. Anderersei­ts gibt es auch unterschie­dliche Ansichten über die Art, wie die Hilfe geleistet wird: Die Regierung von Präsident Joe Biden würde nonstop Schecks ausstellen, die Republikan­er würden das unhinterfr­agt mittragen, lautet ein innerparte­ilicher Vorwurf. Freilich: Die außenpolit­ischen Hawks gibt es in der Grand Old Party nach wie vor, und nach wie vor geben sie den Ton an, geht es um die Ukraine. Sie hoffen auf ein Militärbud­get in der Höhe von einer Billion US-Dollar in den kommenden Jahren – aktuell geben die USA rund 800 Milliarden Dollar für das Militär aus. Insgesamt lagen die weltweiten Militäraus­gaben 2021 bei 2,1 Billionen US-Dollar.

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Die großen Unterstütz­ungskundge­bungen für die von Russland angegriffe­ne Ukraine – wie hier im März am New Yorker Times Square – sind in den USA zuletzt seltener geworden.
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