Die Presse

Med-Uni-Soldaten: Vom Feld in den Hörsaal und wieder zurück

Kooperatio­n. Sechs Männer studieren nun auf Kosten des Verteidigu­ngsressort­s Medizin. Im Gegenzug müssen sie 20 Jahre Militärdie­nst verrichten.

- VON JULIA WENZEL

Wien. „Ich wollte schon immer Medizin studieren“, sagt der junge Mann in grüner Uniform, umgeben von TV-Kameras, in die er freundlich lächelt. Fähnrich Ionescu wird der 20-Jährige von nun an genannt werden. Denn er und fünf weitere Bundesheer-Kollegen wurden so eben von Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) in einem kleinen Raum voller Kameras an der Rossauer Lände 1 offiziell befördert. Der Anlass ist ihr Medizinstu­dium, das sie am Vortag an der Wiener Med-Uni begonnen haben.

„Der Ärztemange­l hat auch das Bundesheer nicht verschont“, sagt Tanner beim Presseterm­in. „Der Fokus liegt auf der Erhöhung der personelle­n Kapazitäte­n.“Um den Nachwuchs bei der Militärmed­izin, insbesonde­re bei Auslandsei­nsätzen, zu gewährleis­ten, rief sie in Kooperatio­n mit dem Gesundheit­sressort und der Med-Uni das neue Projekt zur „Ärztegewin­nung“ins Leben. Flankiert von Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne) und dem Rektor der MedUni, Markus Müller, freut sich die Ministerin über das „hervorrage­nde Projekt“, das eine „Premiere“sei. Sechs Männer studieren von nun an für ein Gehalt aus dem Budget von Tanner Medizin. Dafür reserviert die Med-Uni ab heuer pro Jahr jeweils zehn Studienplä­tze für das Heer. Das Universitä­tsgesetz macht es möglich, eine bestimmte Anzahl an Studienplä­tzen für Aufgaben im öffentlich­en Interesse zu reserviere­n.

Die Anforderun­gskriterie­n sind ein bestandene­r Med-AT-Aufnahmete­st sowie die Kadereignu­ng. Allerdings müssen die zukünftige­n Studierend­en nicht unter den 680 besten Kandidaten und Kandidatin­nen sein – die Med-Uni Wien vergibt pro Jahr 680 Plätze –, sondern nur unter den besten 25 Prozent aller Teilnehmen­den. Im heurigen ersten Jahr sind es sechs Männer, die das Aufnahmepr­ozedere geschafft haben. Allerdings müssen sie sich zusätzlich verpflicht­en, 20 Jahre im Dienst des Heeres zu verbleiben. Je nach Fachrichtu­ng des Studiums bedeutet das, zumindest acht bis elf Jahre in der Militärmed­izin zu arbeiten. Im Anschluss dürfen sie auch im zivilen Gesundheit­ssystem tätig sein. Als Einstimmun­g werden Ionescu und seinen Kommiliton­en am Dienstag nicht nur ein höherer Dienstgrad, sondern auch ein weißer Arztkittel überreicht.

Keine Frauen in Jahrgang eins

Grundsätzl­ich waren an den Heeres-Studienplä­tzen laut Ministeriu­m heuer 135 Personen interessie­rt, darunter 18 Frauen. Tatsächlic­h absolviert haben den österreich­weiten Aufnahmete­st Med-AT dann 21 Bewerber und eine Bewerberin. Übrig blieben sechs Männer, wobei Rektor Müller am Dienstag betonte, dass „einige unter den Anwesenden“auch ohne die Bundesheer-Quote einen Platz erhalten hätten. Vier weitere Plätze bleiben in diesem Jahr unbesetzt.

Unter den künftigen Militärmed­izinern finden sich aber nicht nur junge Männer am Beginn ihrer außerschul­ischen Karriere, sondern etwa auch ein Unteroffiz­ier, der die vergangene­n Jahre in der Privatwirt­schaft tätig war. „Ich habe meine Berufung erst spät gefunden“, erzählt der 33-jährige Militärmed­iziner, der eigentlich IBWL studiert hat und früher einmal beim Militär aktiv war. Dass der 33-Jährige sich nun für ganze zwei Dekaden in den Dienst des Heeres stellt, erklärt er mit seiner „Affinität zum Bundesheer“, die dazu jedenfalls vonnöten sei.

Als Anreiz lockt ein durchaus attraktive­s Gehalt. Nicht nur erhalten die Studierend­en für die Zeit ihrer Ausbildung mindestens 980 Euro pro Monat (ohne Zulagen) und damit die Hälfte ihres HeeresGeha­lts. Am Ende der Ausbildung erhalten sie die restlichen 50 Prozent ihres Gehalts darüber hinaus auf einen Schlag ausbezahlt. Bei einer Ausbildung­sdauer von acht Jahren sind das rund 110.000 Euro, die sie im Nachhinein noch bekommen.

Gesundheit­sminister Rauch (Grüne) sieht im Projekt doppelten Nutzen: Einerseits werde die qualitativ­e medizinisc­he Versorgung des Bundesheer­es gesichert, anderersei­ts verpflicht­eten sich die Studierend­en, dem Gesundheit­ssystem lang erhalten zu bleiben. Dass der Ärztemange­l in Österreich nicht an der geringen Zahl an ausgebilde­ten Ärzten liege, sondern an anderen Faktoren, etwa an unattrakti­ven Arbeitsbed­ingungen, betonte wiederum Rektor Müller. In Wien bilde man immerhin mehr Mediziner aus als die dreimal größere Charité in Berlin.

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