Missbrauch: Neue Feriencamp-Opfer
Ermittlungen. Auch am Wolfgangsee soll ein Wiener Sportlehrer Jugendliche missbraucht haben. Die Wiener Jugendanwaltschaft steht unter Kritik.
Wien. Der Missbrauchsfall um einen Sportlehrer, der bis zu seinem Suizid im Mai 2019 an einer Wiener Mittelschule etliche Buben im Alter von neun bis 14 Jahren missbraucht haben dürfte und womöglich zwei Mittäter hatte, zieht weitere Kreise.
In einem Feriencamp am Wolfgangsee gibt es, wie der Verein Ferienhort am Dienstag bekannt gab, weitere Betroffene. Nach einem schon bekannten Fall – ein ehemaliger Camp-Teilnehmer hatte 2013 wegen eines bei einer Massage erfolgten Missbrauchs gegen den Wiener Sportlehrer Anzeige erstattet, die aus nach wie vor nicht geklärten Umständen versandete – hat sich nun ein weiterer Betroffener gemeldet. Dieser sei „um 2008“vom Wiener Pädagogen missbraucht worden, der seit 1990 bis 2010 mit Unterbrechungen während der Sommermonate außerschulisch als Ferien-Betreuer im Salzkammergut im Einsatz war, sagte Philipp Schrangl, Vorstandsmitglied und Rechtsberater des Vereins.
Bei dem nun bei der Ombudsstelle des Vereins gemeldeten Vorfall habe es sich um „keine Vergewaltigung“gehandelt, „aber das Opfer hat es als sexuellen Übergriff empfunden“, sagte Schrangl. Man werde den Betroffenen – sofern gewünscht – entweder zur Polizei begleiten, um den Sachverhalt aufnehmen zu lassen, oder den Weißen Ring bitten, den Mann dabei zu unterstützen.
Schrangl sagte außerdem, dass zumindest einer der beiden möglichen Mittäter des Wiener Pädagogen, ein früheren Schüler des Sportlehrers, von diesem im Ferienhort „eingeschleust“wurde. Er hatte „nie eine Funktion“in dem Camp, wurde aber 2008 für drei Tage von dem Pädagogen mitgenommen, um beim Geräteturnen zu assistieren. Übergriffe seien jedoch nicht bekannt. Allerdings soll der junge Mann nach dem Camp einem Mädchen anstößige Videos geschickt haben. Dieser Fall werde nun „eingehend untersucht“, sagte Schrangl.
Kritik an Stadt Wien
Indes gerät die Wiener Kinderund Jugendanwaltschaft (KJA) unter immer mehr Kritik. Die dem Kindeswohl verpflichtete Ombudsstelle wusste seit Herbst 2018 von mutmaßlich übergriffigem Verhalten eines möglichen Mittäters, einem Basketballtrainer, informierte aber nicht die Staatsanwaltschaft. Diese erfuhr erst 2019 von den Vorwürfen, nachdem sich der Wiener Basketballverband an die Polizei wandte. Auch die Bildungsdirektion Wien sagte, sie habe entsprechende Informationen erst „letzte Woche“erhalten.
Das Agieren der KJA löste am Dienstag scharfe politische Kritik der Oppositionsparteien aus. „Die Verfehlungen“bei der KJA „stehen sinnbildlich für das Systemversagen in Wien“, sagte ÖVP-Gemeinderat Harald Zierfuß. Ähnlich die grünen Bildungssprecher Julia Malle und Felix Stadler. Auch sie orten Systemversagen und verlangen eine unabhängige Untersuchungskommission.