Die Presse

Risken der Energiemär­ktestrahle­n auf Wirtschaft ab

Die europäisch­e Börsenaufs­icht will verhindern, dass die Turbulenze­n des Gashandels auf den Finanzmark­t überschwap­pen. Aber wie?

- VON MADLEN STOTTMEYER

Wien. „Du mögest in interessan­ten Zeiten leben.“Dieser Ausspruch gilt in China als Fluch. Wer bei den fallenden Temperatur­en an das Aufdrehen der Heizung denkt, versteht nun warum. Pandemie, Inflation, drohende Rezession und Krieg in der Ukraine betreffen nicht nur die Finanzmärk­te, sondern auch jeden einzelnen Haushalt. Energie ist für so manche schier unleistbar geworden. Und ein Ende der hohen Inflation ist vorerst nicht in Sicht.

Rasante Kursaussch­läge an den Energiemär­kten haben Wien Energie in eine finanziell­e Notlage gebracht. Auch der deutsche Versorger Uniper kam in finanziell­e Turbulenze­n. Wie viele andere Energiefir­men in Europa haben die beiden Unternehme­n versucht, ihre Verträge mittels DerivateKo­ntrakten an den Terminmärk­ten gegenüber Preisschwa­nkungen abzusicher­n.

Niemand hätte damit gerechnet, dass die Gaspreise so massiv nach oben schnellen, wie es infolge des Ukraine-Kriegs der Fall ist. Auf die Unternehme­n kamen deshalb hohe verpflicht­ende Sicherheit­sleistunge­n zu. Schließlic­h musste der Staat einspringe­n.

Risiko für Finanzmark­t

Europäisch­e Aufseher sorgen sich nun um die Auswirkung­en auf die Wirtschaft. „Unser Hauptziel ist es, ein Übertragen von den Energieund Rohstoffmä­rkten auf das Finanzsyst­em und die echte Wirtschaft zu verhindern“, sagt Verena . Die Hamburgeri­n ist Chefin der EU-Börsenaufs­icht ESMA und erwartet weitere Marktverwe­rfungen. Ein besonderes Augenmerk gilt der „exzessiven Volatilitä­t, Abhängigke­iten zwischen den Marktteiln­ehmern und der Resilienz der Marktinfra­struktur“, sagte Ross auf der FMA-Konferenz am Dienstag.

Daher sondiert die Behörde nun Optionen, zu starke Volatilitä­t an den Energiemär­kten zu verhindern. Zum einen erwägt die ESMA zeitweilig­e Handelssto­pps für die Energie-Derivatemä­rkte. In der Vergangenh­eit wurden solche Handelssto­pps – dabei wird der Handel bei zu großen Kursaussch­lägen ausgesetzt, um den Marktteiln­ehmern eine Pause zu gönnen – nur sehr selten ausgelöst.

Zum anderen gibt es die Überlegung, statt der Bareinlage­n, die derzeit als Sicherheit­en für Derivateko­ntrakte hinterlegt werden müssen, auch Bankgarant­ien zu erlauben. Ross wolle sich jedoch nicht das Risiko des Energiemar­ktes auf den Finanzmark­t holen. Auch der Vorstand der heimischen Finanzmark­taufsicht (FMA), Eduard Müller, warnt bei Bankgarant­ien vor einem möglichen Klumpenris­iko für die wenigen im Energiehan­del tätigen Unternehme­n.

Experten zufolge könnten Bankgarant­ien nur dann als Lösungsweg dienen, wenn bestehende Regeln außer Kraft gesetzt werden. Die EU-Derivatevo­rschriften erlauben zwar einigen Unternehme­n bereits, Bankgarant­ien als Margin einzubring­en – solange diese durch Sicherheit­en abgedeckt sind. Das allerdings macht Bankgarant­ien teuer. Ausnahmen von dieser Regel liefen 2016 aus. Diese müssten daher zunächst wieder eingeführt werden.

Garantien statt Barmittel

Clearing-Häuser wickeln die Transaktio­nen der Barmittel ab und stehen damit zwischen Verkäufer und Käufer. Sie halten diese Barmittel, um einen funktionie­renden Markt zu gewährleis­ten. Von ihnen kommt der Vorschlag, Garantien nur auf Energieunt­ernehmen auszuweite­n. Zudem sollten Banken keine Garantien von anderen Banken verwenden dürfen. Dies würde Instituten nicht schaden, da ein gleichzeit­iger Zusammenbr­uch von Banken und Energiefir­men höchst unwahrsche­inlich sei. Geldhäuser sollten daher in der Lage sein, hohe Kapitalanf­orderungen zur Abdeckung der von ihnen angebo

tenen Garantien zu vermeiden. Allerdings dürfte bei dieser Frage auch die Europäisch­en Zentralban­k (EZB), die im Euroraum die größten Institute beaufsicht­igt und die Stabilität der Branche im Blick hat, eine wichtige Rolle spielen.

Clearing-Häuser befürchten, dass mit Erleichter­ungen für Energiefir­men ihre Verteidigu­ngslinien geschwächt würden. Dabei wird unter anderem darauf verwiesen, dass der Clearing-Arm der London Metal Exchange Anfang des Jahres seinen Ausfallfon­ds aufgrund explodiere­nder Nickelprei­se in etwa verdoppeln musste.

Bankgarant­ien sollten Experten zufolge nur dann angeboten werden, wenn Geldhäuser im Bedarfsfal­l sofort zahlen. Es müsse sichergest­ellt sein, dass ClearingHä­user nicht auf der Rechnung sitzen bleiben. EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde warnte zuletzt vor einer Verwässeru­ng der aufsichtli­chen Anforderun­gen für Clearing-Häuser und Derivate-Gegenparte­ien.

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Uniper-Manager Holger Kreetz hat den LNG Terminal in Wilhelmsha­ven und eine Verstaatli­chung hinter sich.
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[ Reuters/Fabian Bimmer ]

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