Ohne CIA-Ausbildung nicht festzustellen
„Hoffentlich bekommt Plagiatsjäger Weber mich in sein Visier“, Quergeschrieben v. Anneliese Rohrer, 1.10. Die Verwunderung der Autorin, wie man die Suche nach (teilweise Jahrzehnte alten) Plagiaten in Abschlussarbeiten als Hobby betreiben kann, teile ich. Als Betreuer vieler Abschlussarbeiten würde ich allerdings um mehr Differenzierung bitten, wenn es um die Verantwortung der Betreuer geht:
Wenn in Abschlussarbeiten Sinnlos-Formulierungen auftauchen, die bspw. der stupiden Übernahme automatisierter Übersetzungen geschuldet sind, dann ist so etwas eindeutig der Schlampigkeit des Betreuers zuzuschreiben.
Offensichtlich wurden diese Passagen nicht gelesen. Wenn sich allerdings gut formulierte und sich wunderbar in den Erzählstrang einfügende Passagen rechtswidrig übernommen oder nur marginal angepasst werden, so ist das für den Betreuer oft nicht festzustellen. Dafür nutzt z.B. die Musikuniversität Wien, an der ich tätig bin, eine ausgeklügelte Plagiatssoftware. Ich habe erlebt, dass eine Studentin Texte aus einer Drittsprache ins Englische übersetzt und so – ohne die Quelle korrekt zu kennzeichnen – in ihre Arbeit übernommen hat. Ich weiß auch von einem Fall, wo eine chinesische Arbeit 1:1 ins Deutsche übersetzt und abgegeben wurde. Natürlich wurde die Arbeit ursprünglich gut bewertet, weil sie inhaltlich und formal gut war – aber eben nicht von der betreffenden Studentin.
Das in Österreich mittlerweile expressis verbis verbotene Ghostwriting wirft wieder eine neue Frage auf. Man kann in manchen Fällen mittlerweile ganze Abschlussarbeiten bei ausländi
schen „Agenturen“bestellen. Auch auf Korrekturwünsche des jeweiligen Betreuers wird dort flexibel eingegangen – also nicht einfach nur eine fertige Arbeit abgeliefert. Ein solches Vergehen ist für einen Betreuer ohne CIA-Ausbildung überhaupt nicht festzustellen.
Die Verantwortung der Betreuer soll hier keinesfalls kleingeredet werden. Mir ist es allerdings ein Herzensanliegen, die Grenzen unseres Handlungsspielraums aufzuzeigen. ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Vácha,
2483 Weigelsdorf