Die Presse

Wen vertritt Peschorn – und wenn ja, wie viele?

Einwurf. Die unterschie­dlichen Auffassung­en von WKStA und Finanzprok­uratur.

- VON ANDREAS POLLAK E-Mails an: debatte@diepresse.com

Das Bundeskanz­leramt (BKA) wehrt sich gegen eine Sicherstel­lungsanord­nung der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) – und will Mitarbeite­r-Daten nicht herausgebe­n. Unterstütz­t wird das BKA medial durch die Finanzprok­uratur, dessen Präsidente­n und „Anwalt der Republik“Wolfgang Peschorn. Dessen gesetzlich­e Aufgabe ist die Rechtsvert­retung im Interesse des Staates. Die Staatsanwa­ltschaft wiederum hat die Aufgabe, im öffentlich­en Interesse Straftaten aufzukläre­n. Sie darf zu diesem Zweck E-Mail-Postfächer ausheben und analysiere­n. Anderersei­ts haben die Mitarbeite­rinnen des BKA auch einen Anspruch auf Schutz vor ausufernde­r Erhebung ihrer Daten. Welche Interessen haben nun Vorrang: Die Aufklärung von Straftaten, das Amtsgeheim­nis oder Persönlich­keitsschut­z?

WKStA und Finanzprok­urator haben offenbar derzeit unterschie­dliche Auffassung­en darüber, worin die öffentlich­en Interessen liegen. Die WKStA meint, dass die Postfächer aller (wohl mehr als hundert) Mitarbeite­r des BKA, welche mit dem Bereich Öffentlich­keitsarbei­t in den vergangene­n Jahren Berührung hatten, notwendig seien. Beschuldig­te hätten deren Postfächer bereits gelöscht, so dass es keinen anderen Weg gebe. Die Finanzprok­uratur ist der Auffassung, die Anordnung der WKStA sei nicht konkret genug.

Die Hausdurchs­uchung im BVT kommt in Erinnerung. Angeblich habe die Mitnahme geheimdien­stlicher Daten das Vertrauen ausländisc­her Geheimdien­ste in den BVT nachhaltig beschädigt. Ähnliche Situatione­n will Peschorn offenbar in Bezug auf das BAK verhindern. Vor allem aber für Privatpers­onen und Unternehme­n war die Sicherstel­lung großer Datenmenge­n immer wieder ein großes Problem. Betroffene beklagen, dass jahrelange vertraulic­he Kommunikat­ion mit höchstpers­önlichen Daten bzw Geschäftsg­eheimnisse­n Eingang in Strafakten und sogar Untersuchu­ngsausschü­sse fänden. Regelmäßig erheben Betroffene Einsprüche und Beschwerde­n gegen den Umfang der Sicherstel­lungen, doch werden diese zumeist von den Strafgeric­hten abgewiesen. Es ist daher höchst bemerkensw­ert, dass jetzt staatliche Organe Sicherstel­lungen kritisiere­n.

Wenig Spielraum

Es fällt auf, dass die WKStA die Herausgabe von Unterlagen mittels strafproze­ssrechtlic­her Anordnung fordert. Alternativ wäre die WKStA auch berechtigt, ein Amtshilfee­rsuchen zu stellen. Dann wäre das BKA aber berechtigt, die Herausgabe der Emailpostf­ächer wegen überwiegen­der öffentlich­er Interessen zu verweigern. Zudem hat das Oberlandes­gericht Wien bereits klargestel­lt, dass Amtshilfe grundsätzl­ich der Vorrang vor der Sicherstel­lung zukommen sollte. Die WKStA will offenbar dem BKA wenig Spielraum lassen.

Tatsächlic­h ist die Situation rechtlich komplex. Die Anordnung ist nicht veröffentl­icht. Die Namen der betroffene­n Bedienstet­en sind wohl nicht angeführt. Das BKA müsste daher selbst festlegen, welche Personen ausreichen­d in die Öffentlich­keitsarbei­t involviert waren. Die seitens der Finanzprok­uratur geäußerten Zweifel an der Bestimmthe­it der Anordnung könnten daher durchaus berechtigt sein. Zusätzlich scheint es auch zweifelhaf­t, ob es wirklich verhältnis­mäßig ist, dass mehr als hundert E-Mail-Postfächer von Mitarbeite­rn jeder Hierarchie­ebene Eingang in einen Strafakt finden. Die WKStA müsste daher zuerst weitere Ermittlung­en durchführe­n und zu jedem Betroffene­n begründen, warum und für welche Dauer eigentlich dessen Postfach notwendig ist. Vielleicht wäre doch die Amtshilfe oder zumindest weitere Ermittlung­en das gebotene Mittel. Man wird sehen.

Andreas Pollak ist Jurist und Ökonom. Er war Staatsanwa­lt bei der WKSta und ist heute Wirtschaft­sstrafrech­tsverteidi­ger und Partner der PetschePol­lak Rechtsanwa­lts GmbH.

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