Im neuen Künstlerquartier
Das Berliner Klavierunternehmen C. Bechstein hat in Wien vier Musikquartiere eröffnet, die sich auch als Coworking Spaces verstehen.
Aus einem Zimmer hört man die Tuba, im Stock darüber war es ein historisches Cembalo, und gleich hinter mehreren Türen vernimmt man Klavierklänge.
Es wird schon am frühen Vormittag viel geprobt hier im Musikquartier auf der Wieden, das in einem besonderen Gebäude entstanden ist: dem historischen Palais Ehrbar, das der Wiener Klavierfabrikant Friedrich Ehrbar einst, im 19. Jahrhundert, errichten ließ.
Schon damals, erzählt die heutige künstlerische Leiterin, die Sopranistin Cathrin Chytil, sei das Palais ein Treffpunkt der Künstler gewesen: Nicht nur der Komponisten wie Gustav Mahler und Arnold Schönberg, die im historischen (und nunmehr wiederbelebten) Ehrbar-Saal auch einige ihrer Werke uraufgeführt haben. Auch andere Künstler – Maler, Schriftsteller – konnten sich damals im Palais verwirklichen.
Mit dem neu geschaffenen Musikquartier wird nun also der Grundgedanke des Palais wiederbelebt „und in die Moderne geführt“: Hinter dem Projekt steckt wiederum ein anderer renommierter Klavierhersteller, das Berliner Unternehmen C. Bechstein, das nicht nur den denkmalgeschützten Ehrbar-Saal und die Räumlichkeiten des Palais renovieren ließ, sondern auch an drei weiteren Standorten in Wien sogenannte Musikquartiere eröffnet hat.
Der jüngste Zugang ist das Musikquartier in der Seestadt Aspern ( samt kleinem Konzertsaal, dem „See-Saal“). Die Grundidee ist an allen Standorten die gleiche: Man stellt den Künstlerinnen und Künstlern der Stadt, von Studierenden über Chöre, von Unis (wie der MUK) oder auch Bühnen (wie dem Theater an der Wien, das im Musikquartier in Mariahilf probt) Proberäume zur Verfügung. An die 90 gibt es an allen vier Standorten zusammen, alle sind mit einem Klavier ausgestattet, die Instrumente werden laufend gestimmt.
Die Größen der Räume variieren vom „sehr fancy Ballettsaal“(in Mariahilf, wo der Fokus generell mehr auf Musical und Tanz liegt) bis zum kleinen Proberaum. „Die Künstler haben sehr unterschiedliche Bedürfnisse“, sagt Chytil, „und an jedem Standort werden unterschiedliche Bedürfnisse erfüllt“. Was die Sopranistin, die als Studentin früher selbst immer auf der Suche nach leistbaren Probemöglichkeiten in der Stadt war, besonders freut: Auch Studierende mit wenig Budget können es sich leisten, einige Stunden am Stück zu proben: Die billigsten Räume gibt es ab drei Euro pro Stunde. Reserviert werden kann recht unkompliziert über die Homepage (siehe Infobox).
Das Interesse sei in Wien − einer Stadt mit vielen Musikerinnen und Musikern, aber tendenziell zu wenigen Probe-Möglichkeiten − jedenfalls da, die Räumlichkeiten schon sehr gut gebucht, teils auch mit Dauermietern wie der Universität für Musik und Darstellende Kunst (MDW). „Es ist schön zu sehen, wie es vorwärts geht. Man spürt nach den zwei Pandemiejahren, wie die Musiker nach vorn drängen“, sagt Chytil, die neben dem Standort auf der Wieden auch jenen auf der Mariahilfer Straße betreut.
Das Musikquartier versteht sich dabei auch als Coworking Space – oder anders gesagt: Man knüpft hier leicht neue Kontakte, kommt mit Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch, Philharmoniker proben hier ebenso wie Studierende. Hoffnung (und Grundgedanke) der Musikquartiere ist auch, dass sich Synergien ergeben, Chancen für die Jungen.
Klassik und Kabarett
Am Standort im vierten Bezirk hat man zudem mit dem kleinen EhrbarSaal im ersten Stock und dem größeren im Erdgeschoß zwei historisch bedeutsame Konzertsäle, die man ebenfalls mieten kann (einige Zyklen wie die Schubertiade Wieden finden hier schon regelmäßig statt). Chytils derzeitiges Büro wird demnächst in ein Tonstudio umgebaut, im Erdgeschoß folgt noch eine Weinbar, sonst aber ist die Renovierung des Palais im Grunde abgeschlossen, der Konzertbetrieb im Ehrbar-Saal habe sich bereits gut etabliert. Auch wenn der Fokus an diesem Standort auf der Klassik liegt, soll es hier auch Lesungen und Kabarettabende geben.
Auch an den anderen Standorten gibt es nicht nur Probe-, sondern auch Auftrittsmöglichkeiten, oder wie es Chytil formuliert: „Die Kreativität, die die Künstler hier entwickeln, können sie dann auch gleich auf die Bühne bringen. Ich finde, das ist eine tolle Kombination.“