Asien setzt auf Lehre made in Austria
Ob Thailand oder Indonesien: Das Interesse an Österreichs dualer Ausbildung ist groß, das System soll nun nach Asien „exportiert“werden. Minister Martin Kocher hofft aber auch, dass junge Arbeitskräfte nach Österreich kommen.
Jakarta. Zu viele ältere Menschen, die kurz vor der Pension stehen. Zu wenige Junge, die die Lücke füllen. Und zu viele Jobs, die nicht besetzt werden können – willkommen in Österreich. Am anderen Ende der Welt hat man das gegenteilige Problem. „Hier gibt es viele junge Menschen und keine Jobs“, sagt Stefan Düss – und spricht von Indonesien. Die Bevölkerung in dem 270-Millionen-Einwohner-Staat in Südostasien ist vergleichsweise jung und wächst schnell. Düss ist Manager bei der Grazer Firma EEE. Das Unternehmen hat kürzlich ein Ausbildungszentrum im nördlichen Sumatra fertiggestellt. Und war dabei von der Renovierung des Gebäudes bis zur Software für alles verantwortlich. Knapp 500 junge Erwachsene machen dort jedes Jahr eine Ausbildung. Die meisten von ihnen zum Koch, Kellner, Rezeptionisten oder Zimmerservice-Personal, ein Teil zum
Tischler. Allesamt Berufe, in denen in Österreich ein Mangel herrscht.
Die duale Ausbildung ist ein österreichisches Alleinstellungsmerkmal. Einzig in Deutschland und der Schweiz ist sie ebenso verbreitet. Die Hälfte der 15- bis 20-Jährigen in Österreich macht eine Lehre. Das Modell findet international wachsendes Interesse. Nun soll die Lehre, in vereinfachter Form, ihren Weg nach Südostasien finden. In Indonesiens Hauptstadt Jakarta unterzeichnete Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher am Donnerstag eine Absichtserklärung mit der indonesischen Arbeitsministerin, Ida Fauziyah. Ein ähnliches Memorandum wird Kocher am Montag mit dem thailändischen Arbeitsminister unterzeichnen. Und mit den USA schloss man eine Vereinbarung im Frühling.
Ziel ist die Ausbildung von Fachkräften nach österreichischem Modell. In Südostasien gibt es das System der beruflichen Ausbildung in dieser Form nicht. Laut Angaben des österreichischen Wirtschaftsministeriums sind aktuell rund 23.400 Lehrlinge im ganzen Land in Ausbildung. Aber die Ausbildung ist mit der österreichischen nicht vergleichbar.
Zu viele junge Menschen, zu wenige Jobs
Acht Monate dauert die Ausbildung zum Tischler oder zum Koch im Ausbildungszentrum im indonesischen Medan. „Es gibt in
Indonesien zu viele junge Leute für die Jobs, die zur Verfügung stehen“, sagt Kocher. Deshalb könnte es ein willkommener Nebeneffekt der verstärkten Zusammenarbeit mit Indonesien sein, dass junge Arbeitskräfte nach Österreich kommen. Um den Zuzug von Arbeitsmigranten in Mangelberufen zu erleichtern, trat im Oktober eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte in Kraft. Jemand, der in Indonesien acht Monate lang ausgebildet wurde und zwei Jahre Berufserfahrung gesammelt hat, könnte damit zum Arbeiten nach Österreich kommen – weil die Anrechnung von Ausbildungen aus dem Ausland vereinfacht wurde. Das primäre Ziel der Zusammenarbeit mit den südostasiatischen Ländern sei es aber nicht, Arbeiter nach Österreich zu holen, sagte Arbeitsminister Kocher. Denn die Regierung sei „nicht die Rekrutierungsagentur der österreichischen Wirtschaft“.
Diesen Job erledigt die Wirtschaftskammer. Sie begab sich parallel zu Kochers Reise auf eine „Fact Finding Mission“nach Südostasien zu der Frage, „ob man hier Fachkräfte für Österreich rekrutieren kann“, sagte die stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin Mariana Kühnel.
Die EU verhandelt seit sechs Jahren ein Freihandelsabkommen mit Indonesien. Bis zuletzt spießte es sich an der Palmöl-Frage: Indonesien ist der weltgrößte Produzent von Palmöl. Die EU plant, Palmöl als Bestandteil von Biokraftstoffen künftig nicht mehr als nachhaltiges Produkt anzuerkennen. Ziel ist der komplette Verzicht auf Biokraftstoffe aus Palmöl in der gesamten EU bis zum Jahr 2030. Vor drei Jahren reichte Indonesien sogar eine Klage bei der Welthandelsorganisation gegen das EU-Vorhaben ein.
Hier gibt es viele junge Menschen und keine Jobs. Stefan Düss Managing Director EEE
Zukunftsmarkt Indonesien
Trotz des Handelsstreits sieht man Indonesien in Österreich als Zukunftsmarkt. „Die Bevölkerungszahl und der Rohstoffreichtum bieten ein enormes wirtschaftliches Potenzial“, heißt es im Wirtschaftsbericht der WKÖ. 2020 war die Wirtschaftsleistung bedingt
Die Bevölkerungszahl und der Rohstoffreichtum bieten ein enormes wirtschaftliches Potenzial.
Aus dem Wirtschaftsbericht der WKÖ
durch Corona eingebrochen. Voriges Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 3,7 Prozent, und heuer dürfte mit gut fünf Prozent das Vor-Covid-Niveau wieder erreicht werden. Indonesien zählt zu den 20 größten Volkswirtschaften der Welt – und ist heuer sogar Gastgeber des G20-Gipfels, der nächste Woche auf Bali stattfindet. Auf dem Gipfel ist ein Treffen von US-Präsident Joe Biden mit Chinas Präsident Xi Jinping geplant.
Österreichs Botschafter in Jakarta, Thomas Loidl, verweist auf die zunehmende „Festigung der Demokratie“in Indonesien in der jüngeren Vergangenheit. Es gebe eine freie, kritische Presse und keine Zensur. Österreichischen Unternehmen, die in Indonesien investieren wollen, rät er, sich einen lokalen Partner zu suchen. Problematisch sei derzeit noch die vergleichsweise schwach ausgeprägte Rechtssicherheit. „Wenn es so weit kommt, dass sie vor Gericht gehen müssen, haben sie bereits verloren.“Derzeit sind 32 österreichische Unternehmen in Indonesien angesiedelt, eine Handvoll, etwa die Voest und Lenzing, haben Produktionsstandorte. Chancen für österreichische Firmen bietet der Bau der neuen Hauptstadt, die Nusantara heißen soll. 56.180 Hektar Land sind dafür auf der Grünen Wiese vorgesehen, und mehr als 30 Milliarden USDollar Budget. Bis zum Jahr 2045 sollen dort 1,9 Millionen Menschen leben. Von der indonesischen Regierung aktiv genannt wurden laut Wirtschaftsminister Kocher in den Treffen der Seilbahn-Hersteller Doppelmayr und der Anlagenbauer Andritz. Aber auch in den Bereichen Wassermanagement und Klimatechnik gibt es Bedarf.