Die Presse

Der tiefe Fall des Krypto-Robin-Hood

Crash. An einem Tag verlor der FTXGründer sein Milliarden­vermögen. Dabei wollte er doch nur die Welt retten.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Sam Bankman-Fried – in der Krypto-Szene besser bekannt als SBF– verstand sich als Weltverbes­serer. Mit seiner Kryptobörs­e FTX wollte er die Finanzwelt demokratis­ieren, betonte er immer wieder. Irgendwie kaufte man ihm seine Geschichte ab. Auch Investoren. „FTX soll ein Ort sein, an dem man mit seinen Dollar alles machen kann, was man will. Man kann Bitcoins kaufen. Man kann Geld in allen möglichen Währungen an seine Freunde schicken. Man kann eine Banane kaufen“, sagte SBF im Juli des Vorjahrs vor Investoren. Sie waren begeistert. Die Finanzieru­ngsrunde brachte der Kryptobörs­e eine Milliarde Dollar ein. Heute, gut ein Jahr später, steht das Unternehme­n am Abgrund. Und mit ihm sein Gründer.

In der Nacht auf Mittwoch wurde der ohnehin taumelnde Kryptomark­t durch ein Kurs-Erdbeben erschütter­t. Bitcoin rasselte auf ein Jahrestief, andere Kryptowähr­ungen rutschten noch tiefer nach unten. Der Crash hat ein Gesicht – eines, das dieser Tage einem unterlegen­en Boxer gleichscha­ut, der auf seine Verteidigu­ng vergessen hat: Sam Bankman-Fried. Bei seiner Kryptobörs­e klaffte ein acht Milliarden großes Finanzieru­ngsloch auf. Am Freitag reichte FTX Konkurs ein, was nun eine weitere Kettenreak­tion auf dem Kryptomark­t auslösen könnte, befürchten Analysten.

Bis vor wenigen Tagen war die Welt des 30-Jährigen noch in Ordnung. Von internatio­nalen Finanzmaga­zinen wurde er als nächster Warren Buffett gefeiert. SBF galt als Kryptoguru, als „Messias“der Branche. Nun dürfte er in die Geschichte eingehen als derjenige Milliardär, der den bisher größten

AUF EINEN BLICK

Die Kryptobörs­e FTX sucht händeringe­nd nach frischem Geld. Gleichzeit­ig froren mehrere Staaten Aktiva des Unternehme­ns ein, um die Folgen eines Kollapses für die Branche zu begrenzen. FTX-Konkurrent­en kämpften am Freitag darum, von den Turbulenze­n nicht mit in den Abgrund gerissen zu werden. Die US-Börsenaufs­icht SEC ermittelt.

Tagesverlu­st erlitten hat: Mit dem Untergang von FTX soll BankmanFri­ed 95 Prozent seines Vermögens verloren haben, fast 15 Milliarden Dollar. Mehr als ein blaues Auge.

Es ist der tiefe Fall eines Superstars, der zuvor einen rasanten Aufstieg hingelegt hat. Noch im März dieses Jahres traf sich SBF mit Goldman-Sachs-CEO David Solomon, im Mai veranstalt­ete er eine Konferenz mit Teilnehmer­n wie Bill Clinton, Tony Blair und Football-Superstar Tom Brady.

Idealist mit dickem Konto

Auf dem Podium mit den Mächtigen der Welt trat er auf wie immer – in Shorts, T-Shirt und alten Turnschuhe­n. Freilich kokettiert­e er mit seinem für einen Milliardär ungewöhnli­chen Auftreten. Im Gegensatz zu anderen neureichen FinStars, die stets gestriegel­t und gekampelt auftraten, machte SBF seinen zerzausten Lockenkopf zu seinem Markenzeic­hen.

Bei allem, was er tat, verfolge er nur ein Ziel, betonte SBF immer wieder: so reich zu werden, wie es nur geht. Geld sei für ihn

aber nur Mittel zum Zweck – den Großteil seines Vermögens spendet er. Im US-Präsidents­chaftswahl­kampf zahlte er persönlich 5,2 Mio. Dollar an Joe Biden und war damit einer der größten privaten Geldgeber des Demokraten. Seine Kryptobörs­e spendete nach eigenen Angaben ein Prozent ihres Umsatzes für wohltätige Zwecke.

SBF tat all das aus Überzeugun­g. Der nun gestrandet­e KryptoRobi­n-Hood wurde utilitaris­tisch erzogen: Wie können wir mit unserem Handeln den größtmögli­chen Nutzen für die Menschheit erzielen? Mit Fragen wie diesen beschäftig­te sich die Familie Bankman-Fried beim Abendessen.

Sam studierte Physik am MIT, bloggte über Utilitaris­mus, Baseball und Politik. Nebenbei schloss er sich der Organisati­on der Effektiven Altruisten an, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Ressourcen wie Zeit und Geld so effektiv wie möglich einzusetze­n, um das Leid auf der Welt zu lindern.

Mit 21 Jahren absolviert­e SBF ein Praktikum bei Jane Street Capital, einem Trading-Unternehme­n

im New Yorker Finanzdist­rikt, das mit börsenotie­rten Fonds handelt. Bald galt er dort als einer der besten Trader.

25 Millionen an einem Tag

Gerade als seine Karriere richtig Fahrt aufgenomme­n hatte, rutschte SBF in eine Lebenskris­e. Er kündigte seinen Job und begann wie fanatisch, sich mit Krypto-Technologi­e auseinande­rzusetzen. Im Jänner 2018 organisier­te er einen Arbitrage-Handel, bei dem er bis zu 25 Millionen US-Dollar an einem Tag umsetzte, als er vom höheren Bitcoin-Preis in Japan im Vergleich zu den Vereinigte­n Staaten profitiert­e.

2019 gründete er FTX. Das Timing hätte nicht besser sein können, der Kryptomark­t explodiert­e. Innerhalb kürzester Zeit wurde FTX eine der größten Kryptobörs­en der Welt, Risikokapi­talgeber investiert­en 40 Mrd. Dollar in das Unternehme­n. Der Großteil des Gelds ist nun weg, ebenso wie SBFs Eintrag im Bloomberg-Milliardär­s-Index. Seine Geschichte zeigt, wie schnell es nach oben, aber auch wieder nach unten gehen kann.

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Krypto-„Messias“Sam Bankman-Fried hat schonbesse­re Tage erlebt. Am Freitag trat er als Chef der Kryptobörs­e FTX zurück.
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[ Getty Images/Craig Barritt ]

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