Die Presse

Als Max Frisch neben Ingeborg Bachmann lag, war sie nicht da

Wer war der beste Brieffreun­d der großen Kärntner Dichterin? Celan, behaupten die einen. Henze, meinen andere. Oder doch ein Schweizer?

- VON NORBERT MAYER E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.co

„Du sollst zur Fremden sagen: Sieh, ich schlief bei diesen!“

In der Hauptabtei­lung „Amouröse Korrespond­enzen“entflammen im Gegengift verlässlic­h die Herzen, wenn das Oeuvre der von uns allen geliebten Ingeborg Bachmann brieflich erweitert wird. Dabei geht es nicht um bedingungs­lose Verehrung der Dichterin, sondern darum, welche ihrer Beziehunge­n zu Künstlern diverser Art am tiefsten gewesen sei.

„Paul Celan!“, jubeln Verehrer des großen Meisters. „Hans Werner Henze!!“, wenden die in ältere neue Musik verknallte­n Hörer fortissimo ein. Sie übertönen stillere Leser von Günter Eich und Ilse Aichinger. Selbst der Allround-Poet Hans Magnus Enzensberg­er bleibt nur ein Intermezzo – für einen kurzen Sommer der Anarchie.

Zwischendu­rch ist der Zwist über handschrif­tliche Exzesse bei uns abgeflaut. Nun aber erwarten wir einen Post-Orkan. Am 21. 11. kommt Bachmanns Briefwechs­el mit dem Schweizer Max Frisch heraus. Es verband sie eine qualvoll lange Affäre: „Wir haben es nicht gut gemacht.“Von „Jahrhunder­tliebe“schwärmt eine Feuilleton­istin in der „Zeit“, die offenbar diese gut 1000 Seiten mit Leidenscha­ft bereits verschlung­en hat. „Die Liebe – ein Fluch“wird in der Buchkritik über das „berühmtest­e Paar der deutschspr­achigen Literatur“behauptet.

Dem kann unsere Weimar-Fraktion nicht zustimmen. Für sie bilden weiterhin Goethe und Schiller das famoseste klassisch-romantisch­e Glamour-Paar seit dem 13. Juni 1794. Die Fortschrit­tlicheren aber müssen nun erneut studieren, wem die stärkste Schwäche der tollen Kärntnerin galt.

Wie beginnen? Fantastisc­h ist die Eröffnung von Celan. Kaum war 1948 der Kontakt hergestell­t, schrieb er sein Gedicht „Für Ingeborg“in einen Bildband: „In Aegypten“. Es endet so: „Du sollst zur Fremden sagen: / Sieh, ich schlief bei diesen!“Bald danach antwortete sie ihm schon ganz vertraut: „Würdest Du mich auch sehen wollen? – Eine Stunde, oder zwei.“

Fast so poetisch fängt Henze den Briefwechs­el 1952 an: „liebes fräulein bachmann – / ich sehe Sie nicht mehr? / montag früh fahre ich nach köln, wenn Sie wollen, /nehm ich Sie mit.“Er hat sie dann fast bis zum bitteren Ende in Rom begleitet. Ihr letztes Telegramm: BITTE MELDE DICH . . .“Wahre Freundscha­ft! Die beiden durften sich alles sagen.

Und Frisch? Ein Biedermann, der weiß, was ein Schwelbran­d ist. Er bewahrte entgegen ihrer Forderung („Verbrennen!“) nicht nur ihre Briefe auf, sondern auch Kopien der eigenen. Wie zerrissen klingt bei ihm hingegen im Vergleich der Beginn der Affäre 1958: „Ich liege neben Dir, Ingeborg, und Du bist nicht da. Wirst Du je wieder da sein? Ich bin glücklich und ratlos.“In 299 Schriftstü­cken kommen einige andere Emotionen hinzu. Darunter könnte sich auch ein Ungeheuer mit dem Namen Hans verbergen.

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