Als Max Frisch neben Ingeborg Bachmann lag, war sie nicht da
Wer war der beste Brieffreund der großen Kärntner Dichterin? Celan, behaupten die einen. Henze, meinen andere. Oder doch ein Schweizer?
„Du sollst zur Fremden sagen: Sieh, ich schlief bei diesen!“
In der Hauptabteilung „Amouröse Korrespondenzen“entflammen im Gegengift verlässlich die Herzen, wenn das Oeuvre der von uns allen geliebten Ingeborg Bachmann brieflich erweitert wird. Dabei geht es nicht um bedingungslose Verehrung der Dichterin, sondern darum, welche ihrer Beziehungen zu Künstlern diverser Art am tiefsten gewesen sei.
„Paul Celan!“, jubeln Verehrer des großen Meisters. „Hans Werner Henze!!“, wenden die in ältere neue Musik verknallten Hörer fortissimo ein. Sie übertönen stillere Leser von Günter Eich und Ilse Aichinger. Selbst der Allround-Poet Hans Magnus Enzensberger bleibt nur ein Intermezzo – für einen kurzen Sommer der Anarchie.
Zwischendurch ist der Zwist über handschriftliche Exzesse bei uns abgeflaut. Nun aber erwarten wir einen Post-Orkan. Am 21. 11. kommt Bachmanns Briefwechsel mit dem Schweizer Max Frisch heraus. Es verband sie eine qualvoll lange Affäre: „Wir haben es nicht gut gemacht.“Von „Jahrhundertliebe“schwärmt eine Feuilletonistin in der „Zeit“, die offenbar diese gut 1000 Seiten mit Leidenschaft bereits verschlungen hat. „Die Liebe – ein Fluch“wird in der Buchkritik über das „berühmteste Paar der deutschsprachigen Literatur“behauptet.
Dem kann unsere Weimar-Fraktion nicht zustimmen. Für sie bilden weiterhin Goethe und Schiller das famoseste klassisch-romantische Glamour-Paar seit dem 13. Juni 1794. Die Fortschrittlicheren aber müssen nun erneut studieren, wem die stärkste Schwäche der tollen Kärntnerin galt.
Wie beginnen? Fantastisch ist die Eröffnung von Celan. Kaum war 1948 der Kontakt hergestellt, schrieb er sein Gedicht „Für Ingeborg“in einen Bildband: „In Aegypten“. Es endet so: „Du sollst zur Fremden sagen: / Sieh, ich schlief bei diesen!“Bald danach antwortete sie ihm schon ganz vertraut: „Würdest Du mich auch sehen wollen? – Eine Stunde, oder zwei.“
Fast so poetisch fängt Henze den Briefwechsel 1952 an: „liebes fräulein bachmann – / ich sehe Sie nicht mehr? / montag früh fahre ich nach köln, wenn Sie wollen, /nehm ich Sie mit.“Er hat sie dann fast bis zum bitteren Ende in Rom begleitet. Ihr letztes Telegramm: BITTE MELDE DICH . . .“Wahre Freundschaft! Die beiden durften sich alles sagen.
Und Frisch? Ein Biedermann, der weiß, was ein Schwelbrand ist. Er bewahrte entgegen ihrer Forderung („Verbrennen!“) nicht nur ihre Briefe auf, sondern auch Kopien der eigenen. Wie zerrissen klingt bei ihm hingegen im Vergleich der Beginn der Affäre 1958: „Ich liege neben Dir, Ingeborg, und Du bist nicht da. Wirst Du je wieder da sein? Ich bin glücklich und ratlos.“In 299 Schriftstücken kommen einige andere Emotionen hinzu. Darunter könnte sich auch ein Ungeheuer mit dem Namen Hans verbergen.