Im Namen des Naturschutzes
Umwelt. Wie der Schutz eines kleinen Vogels den Ausbau der B320 und die Rettung von Menschenleben verhindert.
Auf der B-320, der Ennstal-Bundesstraße zwischen Weißenbach bei Liezen und Haus am Kaibling, mahnen 49 weiße Kreuze. Jedes einzelne symbolisiert einen Verkehrstoten in den vergangenen 20 Jahren, den ein kleiner, unscheinbarer Vogel, dessen wissenschaftlicher Name Crex Crex ist, auf dem Gewissen hat. Der Wachtelkönig war es nämlich, der in den 1990er-Jahren zur Verhinderung des Ausbaus dieser 80 km langen Straße zwischen Liezen und Radstadt maßgeblich beigetragen hat. Wobei man dem Vogel nicht wirklich einen Vorwurf machen kann. Verhindert wurde der Ausbau durch Menschen im Namen des Naturschutzes.
Die Crux mit dem Crex ist aber: Gesehen hat den Vogel kaum jemand. Fotos, die sein Dasein im Ennstal nachweisen, sind Mangelware. Er ist ja so scheu. Zyniker werden argumentieren, nicht der Vogel, sondern der Mensch sei schuld, wenn er den Verkehrstod stirbt. Faktum ist aber: Wäre die B320 ordentlich ausgebaut worden, würden viele dieser weißen Kreuze nicht stehen. Offenbar hat aber auch schon vor mehr als 30 Jahren der Ruf eines Vogels ausgereicht, medial genügend Aufmerksamkeit zu erregen, damit etwas verhindert werden kann.
Die Crux mit dem Crex
Verhinderung ist nämlich das erste Gebot von vermeintlichen Naturschützern. Dabei heiligt der Zweck die Mittel. Beispiele, bei denen ein besonders schützenswertes Tier den Fortschritt hintanhält, die Aufrechterhaltung des Wohlstandes gefährdet oder gar Menschenleben kostet, sind mittlerweile Legende. Der Alpensalamander, der den Bau eines Pumpspeicherkraftwerks auf der Koralm verhindert. Hervorgezaubert im letzten Moment vor der endgültigen Genehmigung. Oder der Alpenbock, ein kleiner grauschwarz gefleckter Käfer, der wie durch ein Wunder erstmals im Grazer Becken gesichtet wird. Wobei auch hier kein direkter Blickkontakt
dokumentiert ist, sondern die von einem Naturschützer als typisch bezeichneten Bohrlöcher samt frischen Sägespänen ausreichen sollen, um die Erweiterung eines dringend benötigten, bestehenden Schotterabbaus zu verhindern. Oder der Triel, ein weiterer unscheinbarer Vogel, der mittlerweile bei jedem Ausbau eines Infrastrukturprojekts in Niederösterreich von Naturschützern als Verzögerer, wenn nicht gar als Verhinderer auserkoren wurde. Pikant für den Trielbestand ist, dass dieser Vogel bevorzugt in solchen Gebieten lebt, die zuvor vom Menschen geschaffen wurden, nämlich in ausgekiesten Schottergruben. Diese Liste könnte mit einer Vielzahl an Amphibien, Käfern, Schmetterlingen, Vögeln und anderem Getier, aber auch Pflanzen fortgesetzt werden. All diesen Tieren ist eines gemein. Sie stehen in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie der EU. Anhang II umfasst jene Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete auszuweisen sind. Anhang IV jene, die streng geschützt werden müssen.
Nun ist Umweltschutz ohne Zweifel ein wichtiger Puzzlestein, um den Fortbestand der Spezies Mensch auf dem Planeten Erde
zu sichern. Der Naturschutz ist jedoch nur ein klitzekleiner Bestandteil dieses Puzzlesteins. Von den Jüngern dieser Ersatzreligion werden die FFH-Richtlinie und die darauf basierenden Naturschutzgesetze aber regelmäßig so dargestellt, als ob das Überleben unserer Spezies, ja sogar des ganzen Planeten davon abhängt, dass ein Käfer, ein Schmetterling, eine Echse oder eben der im Ennstal zu trauriger Berühmtheit gelangte Crex Crex in gerade jenem Gebiet gerettet werden muss, in dem etwas zum Wohle, aber auch zum Schutz des Menschen geschaffen werden soll.
In letzter Zeit schlägt der Glaube an den Naturschutz, und dieser Gefahr ist jede Religion ausgesetzt, auch schon einmal in Extremismus um. Dann werden Hände, Füße oder der gluteus maximus in an Selbstverstümmelung grenzender Art auf Straßen festgeklebt oder an Bäume gekettet. Gepaart mit dem Getöse in der Öffentlichkeit, lieber selbst zu leiden, ja sogar zu sterben, als es zuzulassen, dass Tier und Pflanze Schaden zugefügt wird. Der Rechtsstaat wird angezweifelt, wenn er den eigenen Anschauungen entgegensteht, aber bis zum Exzess ausgenützt, wenn damit der Glaube durchgesetzt werden kann.
Wohlstand durch Fortschritt
Die Spezies Mensch hat bisher nicht deshalb überlebt, weil sie alles verhindert hat, sondern weil sie durch Fortschritt Wohlstand geschaffen hat. Und Fortschritt bedeutet Veränderung und damit Wandel. Ohne Wandel würden wir noch in Höhlen und auf Bäumen leben, es gäbe keine Kulturlandschaften, und viele der Naturschönheiten würden ohne unseren Eingriff nicht (mehr) existieren.
Es muss die Frage gestellt werden dürfen, ob es wichtiger ist, den Wohlstand der Menschen zu bewahren, Menschenleben zu retten – oder den Lebensraum eines Tieres an einer ganz bestimmten Stelle aufrechtzuerhalten. Jeder rationale Mensch, dem die Erhaltung seiner Spezies wirklich ein Anliegen ist, muss über diese Frage nicht lang nachdenken.