Bisherigen Rechnern um Billionen Jahre voraus
Physik. Quantencomputer versprechen Fortschritte in Medizin und Umweltforschung. Tiroler Forschende sind dabei, solche Geräte noch mächtiger zu machen – und haben sich einen Millionenauftrag aus Deutschland geangelt.
Quantencomputer, die hochkomplexe Aufgaben lösen können, gelten als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Ein junges österreichisches Unternehmen könnte einer der Wegbereiter sein. Dem Team von ParityQC in Innsbruck ist es gelungen, eine Baustruktur zu entwickeln, die die Leistungsfähigkeit solcher Computer um ein Vielfaches erhöht. Für das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) bauen die Tiroler in den kommenden Jahren zwei Quantenrechner mit der von ihnen patentierten Architektur und einem eigenen Betriebssystem.
„Österreichische Technologie und Forschungsleistung stehen somit hinter einem Teil der mit insgesamt 208 Millionen Euro dotierten Aufträge – dem größten Paket, das auf dem Gebiet der Quantencomputer bisher vergeben wurde“, freut sich Wolfgang Lechner vom Institut für theoretische Physik der Universität Innsbruck, zugleich einer der Geschäftsführer von ParityQC.
Der von den Forschern erarbeitete Bauplan soll den Quantencomputern den Weg aus den technischen Laboren der Universitäten in die Industrie ebnen. Er macht es möglich, mit ein und demselben Chip mehrere Aufgaben zu lösen.
In Millisekunden zur Lösung
Lechner: „Dazu muss man verstehen, dass es bei Quantencomputern keine Programmiersprachen wie bei herkömmlichen Rechnern gibt, sondern die Rechenoperation immer dieselbe ist und man den Input variiert – dass man also für jedes zu lösende Problem ein neues Setup braucht.“Das umgehen die Forscher, „indem jede Information als relative Information gespeichert wird“. Lechner veranschaulicht das an einem Beispiel: „Wenn man drei Würfel hat, speichert man nicht die Würfel selbst, sondern die Verbindungen zwischen ihnen.“
Mit dieser Architektur seien auch modulare Quantencomputersysteme möglich, die die Rechenkapazität weiter steigern. Diese Kapazität wird in Qubits (Quantenbits) angegeben. Im Vorjahr wurde von einem Hersteller die 100-Qubit-Grenze geknackt. Quantenrechner dieser Dimension finden in einer Millisekunde Lösungen, für die herkömmliche Geräte mehrere Billionen Jahre tüfteln würden.
Lechner spricht aber sogar von „mehreren Tausend“Qubits, die mit zusammengeschalteten Modulen möglich seien, wobei jedes einzelne Qubit die Rechenleistung verdoppelt. Der Computer für das DLR soll das schaffen. Er arbeitet nach dem Prinzip der Ionenfallen, einer Methode, die sich gegenüber anderen durch größere Stabilität und damit durch geringere Fehleranfälligkeit und verlässlichere Daten auszeichnet.
Eingesetzt werden Quantencomputer vor allem für Simulationen und schwierige Optimierungsaufgaben, in denen zahlreiche Variable berücksichtigt werden müssen. „Sie können zum Beispiel die Medikamentenforschung unterstützen“, erklärt Co-Geschäftsführerin Magdalena Hauser. „Wenn es gelingt, die Wirkung pharmazeutischer Substanzen zu simulieren, könnten Medikamente mit weniger Aufwand entwickelt werden. Sie würden damit billiger und für jeden zugänglich sein.“Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist der Umweltbereich. „Noch exaktere Klimamodelle könnten der Schlüssel für wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel sein“, sagt Wolfgang Lechner. Die Entwicklungsarbeit bei ParityQC wird von der Austria Wirtschaftsservice AWS und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt.