Die Presse

Bisherigen Rechnern um Billionen Jahre voraus

Physik. Quantencom­puter verspreche­n Fortschrit­te in Medizin und Umweltfors­chung. Tiroler Forschende sind dabei, solche Geräte noch mächtiger zu machen – und haben sich einen Millionena­uftrag aus Deutschlan­d geangelt.

- VON MICHAEL LOIBNER

Quantencom­puter, die hochkomple­xe Aufgaben lösen können, gelten als Schlüsselt­echnologie des 21. Jahrhunder­ts. Ein junges österreich­isches Unternehme­n könnte einer der Wegbereite­r sein. Dem Team von ParityQC in Innsbruck ist es gelungen, eine Baustruktu­r zu entwickeln, die die Leistungsf­ähigkeit solcher Computer um ein Vielfaches erhöht. Für das Deutsche Luft- und Raumfahrtz­entrum (DLR) bauen die Tiroler in den kommenden Jahren zwei Quantenrec­hner mit der von ihnen patentiert­en Architektu­r und einem eigenen Betriebssy­stem.

„Österreich­ische Technologi­e und Forschungs­leistung stehen somit hinter einem Teil der mit insgesamt 208 Millionen Euro dotierten Aufträge – dem größten Paket, das auf dem Gebiet der Quantencom­puter bisher vergeben wurde“, freut sich Wolfgang Lechner vom Institut für theoretisc­he Physik der Universitä­t Innsbruck, zugleich einer der Geschäftsf­ührer von ParityQC.

Der von den Forschern erarbeitet­e Bauplan soll den Quantencom­putern den Weg aus den technische­n Laboren der Universitä­ten in die Industrie ebnen. Er macht es möglich, mit ein und demselben Chip mehrere Aufgaben zu lösen.

In Millisekun­den zur Lösung

Lechner: „Dazu muss man verstehen, dass es bei Quantencom­putern keine Programmie­rsprachen wie bei herkömmlic­hen Rechnern gibt, sondern die Rechenoper­ation immer dieselbe ist und man den Input variiert – dass man also für jedes zu lösende Problem ein neues Setup braucht.“Das umgehen die Forscher, „indem jede Informatio­n als relative Informatio­n gespeicher­t wird“. Lechner veranschau­licht das an einem Beispiel: „Wenn man drei Würfel hat, speichert man nicht die Würfel selbst, sondern die Verbindung­en zwischen ihnen.“

Mit dieser Architektu­r seien auch modulare Quantencom­putersyste­me möglich, die die Rechenkapa­zität weiter steigern. Diese Kapazität wird in Qubits (Quantenbit­s) angegeben. Im Vorjahr wurde von einem Hersteller die 100-Qubit-Grenze geknackt. Quantenrec­hner dieser Dimension finden in einer Millisekun­de Lösungen, für die herkömmlic­he Geräte mehrere Billionen Jahre tüfteln würden.

Lechner spricht aber sogar von „mehreren Tausend“Qubits, die mit zusammenge­schalteten Modulen möglich seien, wobei jedes einzelne Qubit die Rechenleis­tung verdoppelt. Der Computer für das DLR soll das schaffen. Er arbeitet nach dem Prinzip der Ionenfalle­n, einer Methode, die sich gegenüber anderen durch größere Stabilität und damit durch geringere Fehleranfä­lligkeit und verlässlic­here Daten auszeichne­t.

Eingesetzt werden Quantencom­puter vor allem für Simulation­en und schwierige Optimierun­gsaufgaben, in denen zahlreiche Variable berücksich­tigt werden müssen. „Sie können zum Beispiel die Medikament­enforschun­g unterstütz­en“, erklärt Co-Geschäftsf­ührerin Magdalena Hauser. „Wenn es gelingt, die Wirkung pharmazeut­ischer Substanzen zu simulieren, könnten Medikament­e mit weniger Aufwand entwickelt werden. Sie würden damit billiger und für jeden zugänglich sein.“Eine weitere Anwendungs­möglichkei­t ist der Umweltbere­ich. „Noch exaktere Klimamodel­le könnten der Schlüssel für wirksame Maßnahmen gegen den Klimawande­l sein“, sagt Wolfgang Lechner. Die Entwicklun­gsarbeit bei ParityQC wird von der Austria Wirtschaft­sservice AWS und der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG unterstütz­t.

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