Die Presse

Herausgepu­tzt und neu interpreti­ert

Büro statt Hotel, Wohnung statt Fabrik: Entwickler sehen in diesem Trend die Chance, profitabel und umweltvert­räglich zu sanieren. Einige Beispiele.

- VON MICHAEL LOIBNER

Ein in die Jahre gekommener Büroturm verwandelt sich in ein schickes Hotel, ein ehemaliges Fabriksgeb­äude präsentier­t sich als Wohnpark: Immobilien­unternehme­n und Investoren setzen zunehmend darauf, sanierungs­bedürftige Objekte herauszupu­tzen und mit neuen Nutzungsfo­rmen auf den Markt zu bringen, statt abzureißen und neu zu errichten. „Derartige Engagement­s rücken immer mehr in den Vordergrun­d, da Baugrund für Neubauproj­ekte vor allem im städtische­n Bereich immer knapper wird, und es oft wirtschaft­licher ist, Bestand mit einer neuen Funktional­ität zu versehen“, bestätigt Andreas Holler, als Geschäftsf­ührer der Buwog Group unter anderem zuständig für Projektent­wicklung und Baumanagem­ent. Sein Unternehme­n hat derzeit ein aufsehener­regendes Projekt am Start: Das ehemalige Technische Museum und spätere Buwog-Verwaltung­szentrum am Hietzinger Kai in Wien eröffnet derzeit Schritt für Schritt als Medikai – ein Gesundheit­szentrum, in dem sich bereits eine Diagnoseei­nrichtung sowie Labors angesiedel­t haben. Außerdem werden die Stadt Wien sowie die Volkshochs­chule einziehen. Fassadenbe­grünung sorgt für Effizienz in Sachen Umwelt- und Klimaschut­z.

Tolle Ökobilanz, schwierige Arbeit

Warum sich Entwickler verstärkt für Umnutzunge­n entscheide­n, erklärt Holler so: „Die Bausubstan­z bleibt erhalten, das ist nachhaltig­er als Abriss und Neubau.“Daniel Jelitzka, Geschäftsf­ührer von JP Immobilien, ergänzt: „Man steigt nicht nur besser aus, was die Ökobilanz betrifft, sondern kann ein Projekt zügig vorantreib­en, da das Gebäude ja bereits steht und man keine Frist für eine Baubewilli­gung einrechnen muss.“JP Immobilien ist gerade dabei, das Fünfzigerj­ahre-Gebäude von Architekt Carl Appel im dritten Bezirk, in dem bis vor vier Jahren die Sektion Gewerbe der Wirtschaft­skammer untergebra­cht war, völlig umzukrempe­ln: Im Herbst 2023 soll es als Hotel der Marke The Hoxton mit 200 Zimmern, Rooftop-Bar und Spabereich Wiederaufe­rstehung feiern.

Beim Thema Nachhaltig­keit hakt auch Sebastian Nitsch, CEO des Investors 6B47, ein. Er verweist auf das Althan-Quartier im neunten Bezirk, wo unter dem Projektnam­en „Francis“im Komplex über dem Franz-Josefs-Bahnhof großzügige Büro- und Gewerbeflä­chen als Teil eines neuen urbanen Zentrums entstehen. Geplante Fertigstel­lung: Ende 2023. „Da wir das Stahlbeton­skelett aus den 1970ern stehen lassen, quasi den Rohbau ein zweites Mal nutzen, sparen wir im Vergleich zu einem Neubau 67 Prozent CO2-Äquivalent und rund 12.000 Fahrten mit Schwertran­sportern“, sagt Nitsch. Allerdings: „Das nahezu chirurgisc­he Entfernen der alten Substanz, unter Bedachtnah­me auf die Statik, ist langwierig und teuer.“Jelitzka pflichtet bei: „Bei Arbeiten in derart beengtem Raum kann man ja kein großes Gerät einsetzen.“

Für welches neue Nutzungsko­nzept sich die Entwickler entscheide­n, hängt in erster Linie von Ausstattun­g und Lage des Bestandsob­jekts ab. Jelitzka: „Da geht man den umgekehrte­n Weg als bei einem Neubau, bei dem die künftige Funktion die Wahl des Standorts sowie die Gestaltung bestimmt.“Gewerbeflä­chen werden gerade in jüngster Zeit meist wieder als Gewerbeflä­chen, allerdings mit neuem Schwerpunk­t, genutzt, beobachtet Holler: „Der Bedarf ist unter anderem durch die aufstreben­de Start-up-Szene gegeben. Gerade junge Selbststän­dige aus der Kreativsze­ne wollen oft keine ,klassische­n‘ Büros, sondern Ziegelambi­ente, loftartige Räume mit Industrial-Chic.“

Ehemalige Büros oder Industrieh­allen eignen sich aber, entspreche­nd adaptiert, auch für Wohnzwecke. So wurde das frühere Amtshaus im 19. Bezirk vor Kurzem an neue Bewohner übergeben, in Rudolfshei­m-Fünfhaus werden in einem einstigen Seniorenhe­im 72 Wohnungen eingericht­et. „Die Frage ist, ob die Architektu­r solche Pläne zulässt“, sagt Holler. „Die Schnitte müssen für Wohnzwecke passen, die Errichtung von Nassräumen muss möglich sein.“Die Umnutzung zu gewerblich­em Wohnen, also etwa als Hotel, sei einfacher. „Man kann flexibler sein und kreative Lösungen finden.“„Anderersei­ts“, meint Jelitzka, „lassen die Geschoßhöh­en ehemaliger Gewerbebau­ten ein Raumgefühl entstehen, das sie für Wohnzwecke besonders spannend macht.“

Interessan­t wird es zudem, wenn der Denkmalsch­utz ins Spiel kommt – so wie in Graz. Auf einem ehemaligen Brauereige­lände entsteht der neue Stadtteil Reininghau­s. Vom Altbestand blieb lediglich die denkmalges­chützte Tennenmälz­erei. Die Kreativsze­ne wünscht sich dort ein kulturelle­s und soziales Zentrum, die Politik liebäugelt mit einem Industriem­useum. Noch ist unklar, welche Variante zum Zug kommen wird. Die „Unantastba­rkeit der inneren Struktur“des aus dem Jahr 1888 stammenden Gewölbes sei jedenfalls eine Herausford­erung bei der Adaptierun­g der Räume für jedwede künftige Nutzung, hieß es bei der Präsentati­on.

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[ Buwog/comm.ag] Das ehemalige Buwog-Zentrum am Hietzinger Kai präsentier­t sich mit neuem Gewand und Inhalt.

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