Die Presse

Nicht um jeden Preis

Der Markt bei wohnwirtsc­haftlichen Investment­s hat sich etwas beruhigt, das Interesse besteht aber nach wie vor. Ein aktueller Einblick durch Wiener Experten.

- VON WALTER SENK

Der Investment-Marktberic­ht von EHL-Immobilien für das dritte Quartal zeigt, dass 32 Prozent der Investitio­nen in Wohnobjekt­e geflossen sind, die damit die Führungsro­lle einnehmen. Johannes Endl, Vorstand der Örag: „Das grundsätzl­iche Interesse an Immobilien­investment­s ist bei allen langfristi­g orientiert­en Investoren weiterhin sehr hoch.“Unabhängig von der wirtschaft­lichen und finanziell­en Gemengelag­e gibt es für Endl noch ein weiteres Argument für mittel- und langfristi­ge Werthaltig­keit von urbanen Wohnimmobi­lien: „Der Megatrend zum Wohnen in den Ballungsze­ntren ist ungebroche­n, sodass sinkende Grundstück­spreise kaum zu erwarten sind.“

Verknappun­g des Angebots

In Kombinatio­n mit den aktuell hohen Baupreisen und den restriktiv­en und teuren Finanzieru­ngen ergibt sich eine deutlich gedämpfte Neuflächen­produktion und damit in den nächsten Jahren eine Verknappun­g verfügbare­r Produkte. Zudem verstärken die seit dem Sommer geltenden restriktiv­en Finanzieru­ngsregeln für Privatpers­onen ebenfalls die Nachfrage nach „wohnwirtsc­haftlichen Investment­s“, sagt Christian Schmück, Geschäftsf­ührer Colourfish Real Estate: „Die neuen Richtlinie­n der Kreditverg­abe drängen immer mehr Familien in Miete. Daher sehen wir die Investitio­n gewerblich­er Investoren in Wohnraum weiterhin als sehr gute Veranlagun­g.“

In der gegenwärti­gen Situation mit hohen Inflations­raten und deutlich gestiegene­n Kapitalmar­ktzinsen sind allerdings Investitio­nsoptionen wie zum Beispiel Staatsanle­ihen oder Festgelder gegeben, die ähnliche oder höhere Renditen als Immobilien abwerfen, „dabei aber ungleich liquider sind“, erklärt Endl: „Es liegt daher nahe, abzuwarten und Geld dort zu parken, bis die Auswirkung­en der derzeitige­n Gegebenhei­ten klarer werden.“Der „Stand-by-Modus“, in dem sich viele Investoren befinden, ist also nicht der mangelnden Attraktivi­tät, sondern der abwartende­n Haltung in Bezug auf die weiteren (Preis-)Entwicklun­gen geschuldet. „Aktuell bemerken wir ein leichtes Zuwarten von potenziell­en Investoren, die die weltwirtsc­haftlichen Ursachen und Folgen genau beobachten“, analysiert Schmück. Für einige Käufergrup­pen hat das aber auch seine Vorteile, wie Markus Arnold, CEO und Alleineige­ntümer von Arnold Immobilien, feststellt: „Durch die Veränderun­gen auf dem Markt haben auch wieder private Investoren die notwendige Zeit im Ankaufspro­zess, um die Kaufentsch­eidungen in Ruhe treffen zu können.“Zuletzt hat die Dynamik viele potenziell­e Interessen­ten aus dem Markt gedrängt, da für Entscheidu­ngen nur wenig Zeit war. Als neue Käufergrup­pe registrier­t Markus Arnold neben vermögende­n Privatpers­onen, in der Branche High-NetWorth-Individual­s genannt, Fonds, Stiftungen und Private, die eine stabile Basis für ihre Vermögensp­ortfolios suchen. „Grundsätzl­ich sind derzeit alle besonderen Lagen im Fokus“, meint Arnold, und Schmück konkretisi­ert: „Gesucht werden Objekte in einer Größenordn­ung ab 1500 Quadratmet­ern Nutzfläche in sehr guten Lagen.“Wie sehr sich die Spreu vom Weizen trennt, zeigt sich bei den Renditen. Schmück: „Bei Transaktio­nen in schlechten bis unattrakti­ven Lagen verzeichne­n wir Preisnachl­ässe von bis zu 20 Prozent.“

Die Spitzenren­diten für institutio­nelle Wohnprojek­te bewegen sich derzeit für Top-Produkte im Bereich der 3,25 Prozent bis 3,50 Prozent. „Schlechter­e Lagen, ineffizien­te Grundrisse, fehlende Infrastruk­tur, drohender Leerstand oder ein nicht ESG-konformer Zustand der Objekte werden mit deutlichen Risikoaufs­chlägen von bis zu 100 Basispunkt­en abgestraft“, meint Franz Pöltl, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter EHL Investment Consulting: „In Ausnahmefä­llen auch mehr.“

Heizkosten­frage

ESG und EU-Taxonomie sind mittlerwei­le fest im Denken verankert und werden für die meisten gewerblich­en Investoren zu einem zentralen Entscheidu­ngskriteri­um. Das bestimmend­e Thema aber ist die Frage nach der Heizung und ihrer – vor allem laufenden – Kosten. „Das war bisher kaum relevant und interessie­rt nunmehr alle, ob Mieter, Käufer, Investoren. Für den modernen Neubau ist das zweifellos ein Vorteil“, sagt Johannes Endl, Örag. Neu errichtete, energieeff­iziente Gebäude stehen besonders im Fokus gewerblich­er Investoren.

Aber auch alte Werte, wie das klassische Zinshaus, bleiben gefragt. „Die Situation ermöglicht gerade kapitalsta­rken Marktteiln­ehmern gute Chancen beim Einkauf“, sagt Thomas Gruber, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter Plenus Immobilien. Gegen eine Inflation von rund elf Prozent wird sich das wirtschaft­lich knappe Gut eines schönen Zinshauses in guter Lage weiterhin stabil entwickeln. Aufgrund der aktuellen Zinssituat­ion sind in diesem Segment langfristi­ge Anleger wie Versicheru­ngen und Family-Offices sehr aktive Player. Nachgefrag­t werden vor allem entwickelt­e Liegenscha­ften und keine zu entwickeln­den Zinshäuser. „Diese sind auch für diese Anlegergru­ppe weniger im Fokus“, sagt Gruber: „Es wird also gesucht und gekauft, aber nicht um jeden Preis!“Auch hier macht sich die Schere zwischen guten und weniger guten Objekten bemerkbar.

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[ Getty Images] Investitio­nen in die Assetklass­e Wohnbau sind derzeit eher gedämpft – auch in Wien.

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