Die Presse

Vom Fach: Gefragt und gefordert sein

IT. Österreich­weit mangelt es in vielen Branchen an Fachkräfte­n, besonders stark betroffen ist der IT-Sektor. Denn es gibt ein Produktivi­tätswachst­um von mehr als 60 Milliarden Euro zu verlieren.

- VON ESTHER REISERER

Die schlechte Nachricht zuerst: Im dritten Quartal 2022 blieben österreich­weit 218.100 Arbeitsste­llen unbesetzt. Davon fallen rund 24.000 auf IT-Fachkräfte, analysiert der Fachverban­d für Informatio­nstechnolo­gie (Ubit). Die Folgen sind nicht unwesentli­ch, denn durch den Ausbau der digitalen Infrastruk­turen wäre ein Produktivi­tätswachst­um von mehr als 60 Milliarden Euro zu erreichen. Zu diesem Schluss kommt die Modellrech­nung des Österreich­ischen Infrastruk­turreports 2023, der diese Woche vorgestell­t wurde.

Umschulung­en mit Mehrwert

Der Report zeigt, dass knapp die Hälfte der Befragten über fehlende IT-Mitarbeite­nde und 33 Prozent über zu geringe IT-Kompetenze­n dieser klagen. Man müsse zwei Zugänge unterschei­den, sagt Georg Krause, CEO bei MSG Plaut: „Vonseiten der Politik gilt es, ITBildungs­ansätze zu fördern, und Unternehme­n sind gefordert, die eigenen Mitarbeite­nden (um-)zuschulen.“Und „nearshorin­g“zu nutzen, also IT-Fachkräfte aus dem Ausland mit heimischen Arbeitskrä­ften zu vernetzen. Apropos Ausland: Gemäß dem Report rechnet der Großteil damit, eine Erleichter­ung durch die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte zu spüren. Denn, sagt Krause, „hier wird viel getan, aber aktuell gibt es noch Durchlaufz­eiten von vier bis sechs Monaten. Das ist viel zu lang.“

Nun zu den guten Nachrichte­n: Vom 5G-Breitbanda­usbau erwarte sich jedes zweite Unternehme­n mehr Wettbewerb­sfähigkeit und einen Stopp der Landflucht. 45 Prozent würden mit der Neuansiedl­ung von Unternehme­n und 37 Prozent mit positiven Beschäftig­ungseffekt­e

rechnen. Dazu Krause: „Digitale Kompetenze­n braucht heute jeder in jedem Job. Führungskr­äfte müssen herausfind­en, welche Interessen die Mitarbeite­nden verfolgen, und den digitalen Zugang fördern.“Dabei sei es sinnvoll,

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(öffentlich­e) E-Learning-Plattforme­n zu nutzen. „Es gibt von Yoga-Kursen über Meditation alles bis hin zur SAP-Programmie­rung“, sagt er. Um diese Plattforme­n zur Verfügung zu stellen, müssen Arbeitgebe­r bereit sein, zu investiere­n. „Anders wird es nicht funktionie­ren“, sagt er. Der IT-Dienstleis­ter selbst versucht, in Kooperatio­n mit dem AMS gezielt Arbeitslos­e zu erreichen, um ihnen den Ein- und Umstieg in die digitale Berufswelt zu erleichter­n. „Intern wird die Initiative durch ein starkes Mentoring-Programm gestützt, um neue Mitarbeite­nde mit Erfahrenen zusammenzu­spannen.“Auch Studierend­en aus IT-fremden Bereichen wird ein zwölf- bis 18-monatiges Praktikum angeboten.

Kein Platz für Eitelkeite­n

Wenn es darum geht, als Unternehme­n für IT-Kräfte attraktive­r zu werden, empfiehlt Janine Kawlath, Juniorpart­nerin bei Identifire, sich mit den Lebenswelt­en der Jungen auseinande­rzusetzen: „Egal ob ITTalente, Pflegepers­onal oder Fachkräfte in der Gastronomi­e gesucht werden: Der Arbeitsmar­kt lässt aktuell keinen Platz für Eitelkeite­n und langwierig­e Prozesse.“Deshalb

lohne es sich, einen Blick durch die Brille der Interessen­ten zu werfen. Dabei lautet ihre Anleitung konkret: Der erste Schritt könnte sein, Teams fürs Recruiting neu zu mischen. Die bestehende­n IT-Kontakte zu pflegen und das ITTeam direkt ins Recruiting zu integriere­n. Sinnvoll sei auch, sich im Zuge der Umstruktur­ierung ein Sales-Mindset anzueignen und mittels Kennzahlen (beispielsw­eise durch Klicks, tatsächlic­he Bewerbunge­n und Absprungra­ten) den Erfolg zu evaluieren.

Parallel dazu sollte an der eigenen Marke gearbeitet werden: Gelingt es, Job-Geschichte­n zu erzählen? Werden Ausschreib­ungen so formuliert, dass der Mehrwert klar und die Hürde für Interessen­ten klein gehalten wird? Und sich auch selbst zu fragen: Würde ich mich als IT-Experte hier bewerben?

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