Mut kann man trainieren
Porträt. Loyalität, Leistung und Integrität sind WienIT-CEO Daniela Lidl wichtig. Wertschätzung ebenfalls: „Ich bin darauf angewiesen, dass meine Mitarbeitenden mit mir mitgehen.“
Die Zeiten, in denen die Digitalisierung bedeutete, irgendwelche Papiere durch digitale Workflows zu ersetzen, sind vorbei. Heute gehe es längst um die digitale Transformation von Business-Modellen, sagt Daniela Lidl, Geschäftsführerin von WienIT, dem IT-Rückgrat der Wiener Stadtwerke-Gruppe. „Daten sammeln, analysieren und neue Lösungen finden“sei angesagt. Etwa wenn es um Predictive Maintenance geht, also darum, durch Datenauswertung einen künftigen Wartungsbedarf vorherzusagen – das sei eminent wichtig für die Konzernschwestern.
Schwieriger vorherzusagen sei hingegen das Ende des Fachkräftemangels, den auch Lidl spürt. Einige der offenen Stellen können nicht besetzt werden, weil die Arbeitskräfte auf dem Markt schlicht nicht verfügbar sind. Also versucht ihr Haus andere Wege zu gehen: „Wir holen Leute aus anderen Berufen und bilden sie selbst aus.“Durchaus mit Erfolg. „Eine ehemalige Konditorin ist jetzt als Change-&-Adoption-Managerin für uns tätig“, sagt die 46-Jährige. Sie begleitet Mitarbeitende, wenn neue Technologien für deren Arbeitsplatz eingeführt werden. Auch in die Serviceline konnte sie Mitarbeitende aus anderen Branchen lotsen. Quereinsteiger ins Coding zu holen sei schon schwieriger, aber nicht unmöglich. Die Fluktuation sei mit rund zehn Prozent
in einem gesunden Bereich, „doch durch das Home-Office ist es schwieriger, die Bindung mit den Mitarbeitenden zu halten.“Welcome-Back-Parties hätten da geholfen, in Summe sei aber sehr viel Beziehungsarbeit gefragt.
Konsens ist herausfordernd
Die ist sie bereit zu leisten: Bald nach ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin im Februar 2017 führte sie das Du-Wort im gesamten Unternehmen ein. Außerdem hat sie kein eigenes Büro, sondern sitzt bei ihren Mitarbeitenden, die sie „WienIT-Schätze“nennt. Sie versuche so viele Perspektiven wie möglich einzubeziehen, sagt sie, und Konsens zu schaffen – was mitunter eine Herausforderung sei. „Die Führungsposition ist eine Rolle, die man für eine Zeit einnimmt.“
Die man daher nicht überschätzen dürfe: „Ich bin darauf angewiesen, dass meine Mitarbeitenden mit mir mitgehen.“
Was sie sich von Mitarbeitenden erwartet, ist „Loyalität, Leistung und Integrität“. Wobei sie unter Integrität versteht, Dinge klar anzusprechen, auch Probleme, wenn sie sich ankündigen, Fehler einzugestehen, und ein gutes Miteinander – ohne dass der Spaß je zu kurz kommt. Das sind hohe Erwartungen, sagt sie, umgekehrt versuche sie viel zu geben: materiell ein ansprechendes Büro – „So schön wie zu Hause, nur die Kollegen sind auch da“– und vor allem höchstmögliche Wertschätzung im persönlichen Umgang.
Entscheiden, nicht zaudern
Auch wenn sie ihre berufliche Laufbahn als Programmiererin begonnen hat, Lidl kommt ursprünglich nicht aus der IT. Nach der Handelsakademie stand sie vor der Entscheidung zwischen Elektronik und Veterinärmedizin. Sie entschied sich für die Technik und bereute den Schritt nie: „Wenn es A ist, kann es nicht B sein. Getroffenen Entscheidungen“, sagt Lidl, „trauere ich nicht nach.“
Später war sie bei Magenta Telekom in verschiedenen Rollen und Abteilungen aktiv, scheute nicht davor zurück, Verantwortung zu übernehmen, und „lernte das Geschäft aus vielen Blickwinkeln kennen“. Als nach ihrem Wechsel als IT-Leiterin der Wien Energie die Stelle als WienIT-Geschäftsführerin ausgeschrieben wurde, traute sie sich zunächst nicht drüber, gab sich dann aber doch einen Ruck – und bekam den Job. „Frauen sollten ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen“, sagt sie. Ihr Rat: „Neugierig bleiben und keine Angst vor Neuem haben.“Diesen Mut, sagt sie, könne man trainieren.