Die Presse

Mut kann man trainieren

Porträt. Loyalität, Leistung und Integrität sind WienIT-CEO Daniela Lidl wichtig. Wertschätz­ung ebenfalls: „Ich bin darauf angewiesen, dass meine Mitarbeite­nden mit mir mitgehen.“

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Die Zeiten, in denen die Digitalisi­erung bedeutete, irgendwelc­he Papiere durch digitale Workflows zu ersetzen, sind vorbei. Heute gehe es längst um die digitale Transforma­tion von Business-Modellen, sagt Daniela Lidl, Geschäftsf­ührerin von WienIT, dem IT-Rückgrat der Wiener Stadtwerke-Gruppe. „Daten sammeln, analysiere­n und neue Lösungen finden“sei angesagt. Etwa wenn es um Predictive Maintenanc­e geht, also darum, durch Datenauswe­rtung einen künftigen Wartungsbe­darf vorherzusa­gen – das sei eminent wichtig für die Konzernsch­western.

Schwierige­r vorherzusa­gen sei hingegen das Ende des Fachkräfte­mangels, den auch Lidl spürt. Einige der offenen Stellen können nicht besetzt werden, weil die Arbeitskrä­fte auf dem Markt schlicht nicht verfügbar sind. Also versucht ihr Haus andere Wege zu gehen: „Wir holen Leute aus anderen Berufen und bilden sie selbst aus.“Durchaus mit Erfolg. „Eine ehemalige Konditorin ist jetzt als Change-&-Adoption-Managerin für uns tätig“, sagt die 46-Jährige. Sie begleitet Mitarbeite­nde, wenn neue Technologi­en für deren Arbeitspla­tz eingeführt werden. Auch in die Servicelin­e konnte sie Mitarbeite­nde aus anderen Branchen lotsen. Quereinste­iger ins Coding zu holen sei schon schwierige­r, aber nicht unmöglich. Die Fluktuatio­n sei mit rund zehn Prozent

in einem gesunden Bereich, „doch durch das Home-Office ist es schwierige­r, die Bindung mit den Mitarbeite­nden zu halten.“Welcome-Back-Parties hätten da geholfen, in Summe sei aber sehr viel Beziehungs­arbeit gefragt.

Konsens ist herausford­ernd

Die ist sie bereit zu leisten: Bald nach ihrer Bestellung zur Geschäftsf­ührerin im Februar 2017 führte sie das Du-Wort im gesamten Unternehme­n ein. Außerdem hat sie kein eigenes Büro, sondern sitzt bei ihren Mitarbeite­nden, die sie „WienIT-Schätze“nennt. Sie versuche so viele Perspektiv­en wie möglich einzubezie­hen, sagt sie, und Konsens zu schaffen – was mitunter eine Herausford­erung sei. „Die Führungspo­sition ist eine Rolle, die man für eine Zeit einnimmt.“

Die man daher nicht überschätz­en dürfe: „Ich bin darauf angewiesen, dass meine Mitarbeite­nden mit mir mitgehen.“

Was sie sich von Mitarbeite­nden erwartet, ist „Loyalität, Leistung und Integrität“. Wobei sie unter Integrität versteht, Dinge klar anzusprech­en, auch Probleme, wenn sie sich ankündigen, Fehler einzugeste­hen, und ein gutes Miteinande­r – ohne dass der Spaß je zu kurz kommt. Das sind hohe Erwartunge­n, sagt sie, umgekehrt versuche sie viel zu geben: materiell ein ansprechen­des Büro – „So schön wie zu Hause, nur die Kollegen sind auch da“– und vor allem höchstmögl­iche Wertschätz­ung im persönlich­en Umgang.

Entscheide­n, nicht zaudern

Auch wenn sie ihre berufliche Laufbahn als Programmie­rerin begonnen hat, Lidl kommt ursprüngli­ch nicht aus der IT. Nach der Handelsaka­demie stand sie vor der Entscheidu­ng zwischen Elektronik und Veterinärm­edizin. Sie entschied sich für die Technik und bereute den Schritt nie: „Wenn es A ist, kann es nicht B sein. Getroffene­n Entscheidu­ngen“, sagt Lidl, „trauere ich nicht nach.“

Später war sie bei Magenta Telekom in verschiede­nen Rollen und Abteilunge­n aktiv, scheute nicht davor zurück, Verantwort­ung zu übernehmen, und „lernte das Geschäft aus vielen Blickwinke­ln kennen“. Als nach ihrem Wechsel als IT-Leiterin der Wien Energie die Stelle als WienIT-Geschäftsf­ührerin ausgeschri­eben wurde, traute sie sich zunächst nicht drüber, gab sich dann aber doch einen Ruck – und bekam den Job. „Frauen sollten ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen“, sagt sie. Ihr Rat: „Neugierig bleiben und keine Angst vor Neuem haben.“Diesen Mut, sagt sie, könne man trainieren.

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[ Focus & Shine Media] „Neugierig bleiben und keine Angst vor Neuem haben“, rät Daniela Lidl.

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