Sag niemals 2015 zu 2022
Krise? Welche Krise? Auch wenn nicht sein kann, was nicht sein darf, muss dennoch eine praktikable Lösung für das Asyl-Thema gefunden werden.
Beim Thema Migration haben viele Linke ein Mindset wie die Rechten beim Klimawandel: Hat es immer gegeben, wird es immer geben, Maßnahmen dagegen zu ergreifen also weitgehend sinnlos. Auf parteipolitischer Ebene heißt es dann: Es gebe keine Asylkrise (SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner Ende August und Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer Ende September). Da hatten die burgenländischen Genossen schon längst Alarm geschlagen: Wenn es so weitergehe, gebe es im Spätherbst eine Situation wie 2015, im Burgenland sei es schon jetzt so weit. Aus dem Innenministerium hörte man Ähnliches. Aber es kann nicht sein, was nicht sein darf. Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner meinte im Oktober 2022: „Wir haben eine Solidaritätskrise und keine Flüchtlingskrise.“Wortident dasselbe hatte Caritas-Präsident Michael Landau im September 2015 gesagt.
Sigrid Maurer argumentierte wie zahlreiche NGO-Vertreter: Die Situation sei mit 2015 nicht vergleichbar. Die Asylantragszahlen seien zwar hoch, würden sich aber nicht in der Unterbringung niederschlagen, weil viele Asylwerber weiterziehen würden. Da könnte man dann allerdings auch fragen: Sieht so die viel beschworene europäische Solidarität aus? Aus den Augen, aus dem Sinn? Sollen sie halt einfach weiterziehen?
Was sich derzeit in Europa abzeichnet, ist sehr wohl eine Flüchtlingskrise wie 2015. In Österreich ist währenddessen der Streit darüber entbrannt, wer schuld ist an der Krise, die keine sein darf: Der Innenminister? Die Länder? Die Gemeinden? Ferry Maier, einer der Flüchtlingskoordinatoren von 2015, findet, der Innenminister sei schuld. Es waren aber schon auch diverse Länder, die diesen immer wieder ins Leere laufen ließen. Die Zelte sind auch eine Drohkulisse.
Gerhard Karner hat frühzeitig vor dem gewarnt, was nun eingetreten ist. Als es noch geheißen hat, die ÖVP ziehe das Migrationsthema nur deswegen hoch, um von ihren eigenen Kalamitäten abzulenken. Das mag auch mitgespielt haben, ändert aber nichts an der Realität. Nur weil jemand politisches Kapital aus einem Thema schlagen kann, heißt es nicht, dass es dieses Thema und die damit einhergehenden Probleme nicht gibt.
Sinnvoll wäre es an sich, nicht mehr Menschen aufzunehmen, als man dann auch integrieren kann. Andernfalls landet man in „Athena“. Oder in Linz. Dessen Bürgermeister, also der von Linz, meinte Ende der Vorwoche: „Wir wissen, dass es einen Unterschied macht, ob Frauen mit Kindern kommen oder nur junge Männer, wie in den letzten zehn Jahren. Diese Leute kommen aus archaischen Gesellschaften, total männerorientiert, frauenfeindlich bis in die Knochen, mit extrem niedrigem Bildungsniveau.“
Auch das ein Faktum, das gern verleugnet wird: Es ist eben nicht egal, wer kommt. Eine Gesellschaft mit überdurchschnittlich vielen (zornigen) jungen Männern macht, wenn schon nicht Revolution, dann zumindest Probleme.
Man muss allerdings auch so realistisch sein, zu sehen, dass viele Menschen, die nun einmal da sind, nicht mehr weggehen werden, auch wenn sie keinen Anspruch auf Asyl im eigentlich gedachten Sinne haben. An der Integration, allen voran in den Arbeitsmarkt, führt kein Weg vorbei. Wobei das auch nicht einfach wird und ist: Laut Integrationsfonds ist das Bildungsniveau der über die Asylschiene Zugewanderten ein teils sehr niedriges bis hin zum Analphabetentum.
Die Integration in den Arbeitsmarkt ist dennoch ein erster Schritt, dem weitere folgen sollten. An Banlieues der sozial Deklassierten mit Gewalt- und Aufstandspotenzial besteht kein Interesse. An einer schleichenden, religiös motivierten Teilung der Gesellschaft übrigens auch nicht.
Vielleicht möchte sich der Bundespräsident zu diesem heiklen, für das Gefüge der Gesellschaft aber wesentlichen Thema auch einmal äußern. Deren liberale Ausrichtung mit persönlicher Freiheit, Demokratie und säkularem Rechtsstaat ist schließlich in vielen Herkunftsländern jener, die zu uns kommen, keine Selbstverständlichkeit.