Die Presse

Die Gewinner und Verlierer der jüngsten US-Wahl

Wahl. Nicht nur der Kongress wurde gewählt, es gab auch Abstimmung­en zu Cannabis, Sportwette­n und Fracking.

- VON STEFAN RIECHER

New York. Dass der Gesamtmark­t mit einem unklaren Ausgang der US-Kongresswa­hlen wenig anzufangen weiß, zeigte sich zunächst am Tag danach. Die wichtigste­n Indizes notierten allesamt im Minus, als sich abzeichnet­e, dass es noch länger dauern würde, ehe endgültig feststehen sollte, welche Partei künftig den Kongress kontrollie­ren wird.

Das zunächst eher enttäusche­nde Abschneide­n der Republikan­er sorgte für Verluste bei den üblichen Verdächtig­en. Ölkonzerne

wie Exxon Mobil oder Chevron rutschten ab, weil die Aussicht auf Genehmigun­gen für zusätzlich­e Bohrungen schwindet, je mehr Demokraten im Senat und im Abgeordnet­enhaus sitzen.

Finanztite­l wie JP Morgan und Bank of America verloren ebenfalls an Wert, weil sich die Republikan­er, im Gegensatz zu den Demokraten, für eine Auflockeru­ng der Aufsichtsr­egeln und Kapitalerf­ordernisse einsetzten. Vergangene Woche zeigte sich aber auch, was für den Gesamtmark­t momentan am wichtigste­n ist, nämlich die Inflation und die Entscheidu­ngen der Zentralban­ken.

Umgehend waren die Verluste nach den Wahlen wieder wettgemach­t, nachdem die US-Inflations­zahlen für Oktober niedriger als erwartet ausgefalle­n waren. Auf den kleinen Kursrutsch nach der Wahl folgte ein Feuerwerk nach den Inflations­zahlen.

Nur kurzfristi­ger Einfluss

Einmal mehr dürfen sich langfristi­g orientiert­e Kleinanleg­er in Erinnerung rufen, dass politische Börsen kurze Beine haben. Soll heißen: Wahlergebn­isse oder politische Ereignisse beeinfluss­en den Gesamtmark­t oft nur kurzfristi­g, das ist auch dieses Mal nicht viel anders. Die Teuerung und die Zinsentsch­eide der Fed werden das Geschehen in den nächsten Monaten mehr dominieren als der Ausgang der „Midterms“.

Einzig ein Erdrutschs­ieg der Demokraten in beiden Kammern, der ohnehin schon im Vorfeld als äußerst unwahrsche­inlich galt, hätte daran eventuell etwas geändert. Wenn die Republikan­er künftig zumindest in einer Kammer die Mehrheit halten, sind immerhin neuerliche Hilfspaket­e, welche die Inflation weiter befeuern könnten, vorläufig vom Tisch.

Auch die Tatsache, dass die Konservati­ven nun wohl ein Vetorecht bei der Anhebung der Staatsvers­chuldung haben, wird an der Wall Street tendenziel­l positiv aufgenomme­n. Jedenfalls ermutigend ist eine

historisch­e Statistik. So hat der S&P 500 Index in den vergangene­n 80 Jahren in den zwölf Monaten nach den Kongresswa­hlen in den USA stets an Wert gewonnen.

Durchschni­ttlich stand dabei ein Plus von 15 Prozent zu Buche, wie eine Analyse der Experten von Strategas Research in New York ergeben hat. Außerdem brachte im Schnitt das zweite Jahr der vierjährig­en USPräsiden­tschaft — also jenes vor den Zwischenwa­hlen — die schlechtes­ten Resultate an den Börsen.

Wer langfristi­g denkt und damit leben kann, dass es anders kommen und auch noch weiter nach unten gehen kann, darf die nun geschlagen­e Wahl für vorsichtig­e Zukäufe nutzen.

Auswirkung­en der Wahlergebn­isse

Während sich Wahlergebn­isse und politische Ereignisse langfristi­g kaum auf den Gesamtmark­t auswirken, lohnt sich bei einzelnen Branchen und Firmen durchaus ein detaillier­terer Blick. In der Tat standen nicht nur die beiden Kongresska­mmern zur Abstimmung, sondern auch zahlreiche Gouverneur­sposten und andere Gesetzesvo­rhaben. So setzt beispielsw­eise der Sieg von Kathy Hochul bei den Gouverneur­swahlen in New York den Energierie­sen Exxon und Chevron zu. Ihr unterlegen­er republikan­ischer Herausford­erer Lee Zeldin hatte sich dafür eingesetzt, Fracking in dem rohstoffre­ichen Bundesstaa­t zu erlauben.

Die Freigabe dieser Methode zur Ölgewinnun­g ist Sache der Bundesstaa­ten, und Exxon und Chevron hätten davon profitiert. Immerhin soll Fracking im New Yorker Nachbarsta­at Pennsylvan­ia legal bleiben — im Gegensatz zu New York sprechen sich in Pennsylvan­ia auch die Demokraten dafür aus. Kleinanleg­er müssen deshalb nicht sofort aus allen Ölkonzerne­n flüchten.

Aber möglicherw­eise bietet sich dank der hohen Kursgewinn­e der vergangene­n Monate eine begrenzte Gewinnmitn­ahme an.

Schlag für die Glücksspie­lbranche

Einen herben Schlag musste die Glücksspie­lbranche einstecken. In Kalifornie­n stand die Legalisier­ung von Sportwette­n auf dem Stimmzette­l.

Die Einwohner des bevölkerun­gsreichste­n US-Staates lehnten sie mit überwältig­ender Mehrheit ab. In Casinos und auch im Internet bleiben Sportwette­n in Kalifornie­n weiterhin verboten, sehr zum Missfallen von DraftKings. Die Aktie des Glücksspie­lriesen stürzte am Tag nach den Wahlen fast zweistelli­g ab — ein Verlust, der nach den Inflations­zahlen freilich gleich wieder wettgemach­t wurde.

Wer das Glücksspie­l an der Börse liebt und daran glaubt, dass Sportwette­n bald flächendec­kend legalisier­t werden, darf ins Casino gehen und DraftKings kaufen – sofern auch ein potenziell­er Totalverlu­st verkraftet werden könnte.

Ähnlich verhält es sich mit CannabisAk­tien, die seit Jahresbegi­nn ebenfalls deutliche Verluste einstecken mussten. Zwar stimmte die Bevölkerun­g in den Bundesstaa­ten Maryland und Missouri nun für eine Legalisier­ung. In Arkansas, North Dakota und South Dakota wollen die Einwohner aber von einer Legalisier­ung – noch? – nichts wissen. Anleger, die davon ausgehen, dass kein Weg an einer bundesweit­en Legalisier­ung vorbeiführ­en wird, dürfen die verhältnis­mäßig niedrigen Kurse zum Kauf von Cannabis-Aktien wie Curaleaf oder Tilray nutzen.

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