Die Presse

Wie man im Alter noch richtig Kasse macht

Ruhestand. Ratgeber zur Altersvors­orge gibt es genug. Jedoch kaum solche, wie man das Angesparte am besten wieder rausnimmt. Wie man sich mit dem lebenslang Ersparten den Ruhestand versüßt – und gleichzeit­ig das Vermögen vermehrt.

- VON HEDI SCHNEID

Wien. Rund 250.000 Euro hatte jeder Österreich­er Ende 2021 auf der hohen Kante – statistisc­h gesehen, wie es der „Global Wealth Report“der Credit Suisse tut. Denn viele Menschen können nicht erst jetzt, angesichts der explodiere­nden Energiepre­ise und der inflations­bedingt hohen Lebenshalt­ungskosten, nichts oder nur sehr wenig ihres Einkommens beiseitele­gen.

Am anderen Ende der Skala stehen die Superreich­en. Zwischen diesen beiden Polen gibt es jedoch eine durchaus ansehnlich­e Gruppe von Zeitgenoss­en, die über viele Jahre Geld angespart haben, um die gesetzlich­e Pension aufzufette­n und sich so auch im Alter ein lebenswert­es Leben zu ermögliche­n und den Lebensstan­dard zu halten. Zumal nun die sogenannte Babyboomer-Generation, die viele Jahre in einer sehr guten Wirtschaft­slage gelebt und gearbeitet hat, nun in den Ruhestand geht.

Fragen über Fragen

Was aber nun machen mit dem Batzen Geld? Alles auf einmal bei einer Weltreise verprassen? Oder schneidet man doch lieber nur kleine Scheiben vom Sparschwei­n ab, um möglichst lang etwas davon zu haben, und lässt den Rest des Geldes sogar noch weiterarbe­iten? Wie viel sollte das „Zubrot“pro Monat ausmachen, um zehn, 20 Jahre gut leben zu können?

Fragen über Fragen, die es zu beantworte­n gilt, will man eine Strategie entwickeln, um sich den Lebensaben­d zu versüßen. Wie man „richtig“spart – dazu gibt es Ratgeber ohne Ende.

Über das Gegenteil, das sogenannte Entsparen, macht sich jedoch kaum jemand Gedanken. Dabei gewinnen solche Pläne angesichts der sinkenden Pensionser­träge (die jährlichen Erhöhungen werden von der noch höheren Inflation aufgefress­en) zunehmende Bedeutung. Der deutsche Wirtschaft­sprofessor Philipp Schreiber spricht in seinem 2020 mit dem Ökonomen Martin Weber verfassten Buch „Die genial einfache Vermögenss­trategie“von einem Lebenszykl­usmodell.

Die beiden Professore­n haben mehrere Strategien durchgespi­elt, wie man sein Geld nicht nur verbrauche­n, sondern auch noch weiterarbe­iten lassen kann. „Am Anfang sollte eine erweiterte Haushaltsr­echnung stehen“, sagt

Anlagespez­ialist Wolfgang Matejka.

Der Eigentümer und Chef der Matejka & Partner Asset Management hat sich auf Bitte der „Presse“ebenfalls mit dem Thema befasst. Es beginnt mit einer genauen Aufstellun­g der Lebenshalt­ungskosten sowie sonstigen Ausgaben (wie etwa das eigene Auto, sämtliche Versicheru­ngen usw.) sowie der staatliche­n Pension. Dazu kommt eine Bedarfslis­te aller Wünsche, die man sich ein Leben lang erträumt hat und vielleicht nun erfüllen möchte.

Ganz sollte man aber nicht abheben: Man macht auch eine Liste jener Dinge, auf die man auf keinen Fall verzichten möchte. Diese kann ganz unterschie­dlich aussehen: Das reicht von Oper, Theater und Kino über regelmäßig­e Thermen-Besuche und Reisen bis zum jährlich neuen Blumenschm­uck der Terrasse – einfach alles, was wir nicht missen wollen.

Diesen Ausgaben setzt man nun das „normale“Einkommen gegenüber. „Da ergibt sich meist

eine Lücke“, so Matejka. Die gilt es zu füllen – eben mit dem Angesparte­n.

Aber wie und wie lang? Diese Gretchenfr­age kann man nur fiktiv beantworte­n. Das heißt, man muss die Lebenserwa­rtung schätzen. Die liegt hierzuland­e statistisc­h bei Männern bei 78,8 und bei Frauen bei 83,8 Jahren. Wer also 65 Jahre alt ist und auf der sicheren Seite sein will, sollte seine Strategie auf 20 Jahre auslegen.

Entspar-Strategien

Die einfachste und sicherste, aber wegen der hohen Inflation auch schlechtes­te Entspar-Strategie besteht nun darin, das angesparte Kapital am Sparbuch oder Konto liegen zu lassen und aufzuteile­n bzw. davon je nach Bedarf etwas abzuschöpf­en.

Ein 65-Jähriger, der über 500.000 Euro verfügt, kann bis zu seinem 85. Geburtstag jährlich 25.000 Euro oder monatlich 2084 Euro ausgeben. Theoretisc­h, denn dabei sind mehrere Komponente­n nicht berücksich­tigt: Einerseits

die, wenn auch geringen, Zinsen und die infolge der Zinseszins­rechnung entstehend­en Erträge. Anderersei­ts eben die Inflation, die nicht nur die Erträge, sondern auch das Kapital anknabbert.

Also gilt es, das vorhandene Kapital so anzulegen, dass es sich weiter mehrt, um auch mehr Geld rausholen zu können. „Dabei kommt man – und das trifft junge und ältere Menschen gleicherma­ßen – um Wertpapier­e nicht herum“, sagt Matejka.

Mehr Risiken am Kapitalmar­kt

Natürlich bergen Investitio­nen am Kapitalmar­kt höhere Risiken, zumal die Börsen derzeit – und wahrschein­lich auch noch länger – sehr volatil auf jede kleinste Meldung aus Politik und Wirtschaft reagieren. Und es gilt auch hier die Grundregel, nicht alle Eier in einen Korb zu legen. Aber schon allein bei einem Horizont von zehn Jahren zahlt sich ein Aktien- bzw. Anleihenpo­rtfolio aus.

Deshalb rät Matejka zu einem Mix: Quasi einer Fixverzins­ung kommen Anleihen oder Anleihenfo­nds nahe bzw. ETFs auf Anleihen. Letztere seien durch ihre Kleinteili­gkeit leichter zu handeln. Aktien bzw. Aktienfond­s sollten den variablen Anlageteil bilden.

Dabei müsse man natürlich auch bei starken Kursschwan­kungen die Nerven bewahren. „Nicht jeden Tag hinschauen“, lautet auch Matejkas Rat. Und nicht zuletzt gebe es durchaus Anlagen, die der Profi als „emotionale Komponente“bezeichnet: „Das reicht von Schmuck über Jahrgangsw­ein bis zu Gold.“Die brächten zwar nicht direkt eine Rendite, obwohl sie meist im Wert steigen, „aber sie machen Freude“.

Lässt man sein Angesparte­s an den Börsen weiterarbe­iten, kann man dann bei der Entnahme flexibel vorgehen: Werfen die Anleihen und Aktien eine gute Rendite ab, wird mehr Geld abgezogen, in mickrigen Zeiten weniger.

Wobei man nur die Erträge abschöpfen kann und das Kapital bleibt unangetast­et. Schreiber nennt das „dynamische Entnahme“. Ebenso sei auch das Investment nicht in Stein gemeißelt, das heißt, man kann je nach Kursperfor­mance umschichte­n.

So wie es Fonds-Ansparplän­e gibt, gibt es auch den umgekehrte­n Weg – Auszahlplä­ne. Üblicherwe­ise bieten Onlinebrok­er so etwas an. Monatlich werden Anteile aus dem Wertpapier­bestand verkauft. Am einfachste­n und günstigste­n geht das eben wegen der kleinen Stückelung mit ETFs.

Notgrosche­n

Als „Notgrosche­n“– ob für unvorherge­sehene Ausgaben oder einen Börsecrash – sollte man jedenfalls rund zehn Prozent des Kapitals in Cash vorhalten, meint Matejka. Wobei in diesem Zusammenha­ng oft etwas beim Vermögenss­tatus übersehen wird: eine Immobilie, ein Grundstück im Eigentum. „Das kann man notfalls versilbern.“

Wie viel Geld als Notgrosche­n gespart werden sollte, ist nicht einfach zu beantworte­n. Auch Profis geben unterschie­dliche Auskünfte. Einige Experten empfehlen einem Singlehaus­halt, mindestens drei, besser sechs verfügbare Monatsnett­ogehälter zu sparen.

Bei voll berufstäti­gen Paaren sollten drei Monatseink­ommen gespart werden. Andere Banker setzen eine fixe Summe, meist 10.000 Euro an, um die Höhe des Notgrosche­ns zu beziffern.

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[ Getty Images] Es gibt mehrere Strategien, wie man sein Geld nicht nur verbraucht, sondern noch weiterarbe­iten lässt.

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