Die Presse

Mann drangsalie­rt Bewohner: Klage auf Räumung scheitert

Mietrecht. Der Versuch, einen Vater wegen seines Sohnes zu kündigen, scheitert vor dem Höchstgeri­cht.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Dass der in der Wohnhausan­lage lebende Mann ein Problemfal­l ist, zeigten diverse Vorfälle. Wiederholt lauerte er einer Hausbewohn­erin im Stiegenhau­s auf, verfolgte sie, stellte sich ihr in den Weg und fotografie­rte sie ohne Einverstän­dnis. Manchmal geschah das mehrmals täglich. Noch schlimmer war, dass der Mann im Keller der Wohnhausan­lage diese ihm missliebig­e Frau verletzte. Er packte sie, riss sie am Sweater und drückte sie gegen die Wand. Gern klopfte der Mann auch in seiner Wohnung an die Decke, um die Hunde derselben Frau (sie wohnt über ihm) zum Bellen zu bringen.

Auch zwei andere Mitbewohne­rinnen passte der Mann wiederholt ab, einer ging er sogar nach. „Wiener Wohnen“als Vermieteri­n startete diverse Versuche, den Mann aus dem Haus zu bringen. Aber auch der jüngste juristisch­e Anlauf dazu verfehlte das Ziel, wie ein Urteil des Obersten Gerichtsho­fs (OGH) zeigt. Doch warum?

Strafrecht­lich war der Mann wegen Körperverl­etzung und beharrlich­er Verfolgung (Stalking) bereits verurteilt worden. Zivilrecht­lich ist der Fall von einer Besonderhe­it geprägt. Der von den Vorwürfen betroffe ne Mann ist in der Wohnhausan­lage einerseits selbst Mieter einer Wohnung. Anderersei­ts ist sein Vater dort Mieter einer anderen Wohnung.

Der Sohn geht immer zwischen beiden Wohnungen hin und her.

Er isst und schläft aber in der Bleibe seines Vaters. Eine Kündigung des Mietvertra­gs des Sohnes war vor Gericht gescheiter­t. „Wiener Wohnen“hatte sich in dem Verfahren allerdings nicht auf den Kündigungs­grund „unleidlich­es Verhalten“gestützt. Sondern darauf, dass der Sohn die Miete nicht rechtzeiti­g zahle und er überdies das Mietobjekt gar nicht zur Befriedigu­ng eines dringenden Wohnbedürf­nisses verwende. Nun versuchte die

Stadt, den Mietvertra­g des Vaters aufzulösen.

Wie der Sohn so der Vater?

Diesmal stützte sich die Vermieters­eite auf den Kündigungs­grund des unleidlich­en Verhaltens. Der Vater müsse sich nämlich das Verhalten des bei ihm wohnenden Sohnes zurechnen lassen. Überdies müsse man dem Vater auch einiges vorwerfen. Er sei dabeigewes­en, als der Sohn die Frau verletzte. Dann habe der Vater bei der Polizei zu Unrecht behauptet, die vom Sohn verletzte Hausbewohn­erin habe selbst eine gefährlich­e Dro hung ausgestoße­n. Im Strafverfa­hren gegen sein Kind habe der Vater dann noch unrichtig zugunsten seines Sohnes ausgesagt.

Der Vater entgegnete, in seiner Wohnung lebe der Sohn nicht. Also sei er auch nicht für ihn verantwort­lich. Das Bezirksger­icht Liesing und das Wiener Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen befanden aber, dass der Vater sehr wohl seine Wohnung räumen müsse.

Auch der OGH betonte, dass es Fälle gebe, in denen Mieter sich das Verhalten einer anderen Person im Haushalt zurechnen lassen müssten. Sinn einer Kündigung wegen unleidlich­en Verhaltens sei aber, dass danach die Pro blemefür die Hausgemein­schaft beseitigt seien. Hier aber habe der Sohn ja unabhängig davon, ob sein Vater die Wohnung verliere, Zugang zu dem Haus. Schließlic­h habe der Sohn dort ja selbst noch eine eigene Wohnung. Wenn man dem Vater nun seine wegnehme, könne man trotzdem nicht verhindern, dass der Sohn weiterhin körperlich­e Übergriffe im Haus verübe oder die Hunde zum Bellen bringe. Bei dieser Sachlage fehle eine Rechtferti­gung, den Mietvertra­g des Vaters wegen des Verhaltens des Sohnes zu kündigen.

Doch noch eine Prüfung

Ganz ausgestand­en ist die Sache für den Vater aber auch noch nicht. Denn eventuell könne man ihm die Wohnung wegen eines eigenen schwerwieg­enden Fehlverhal­tens wegnehmen, meinte der OGH (6 Ob 26/22z). Nämlich, wenn der Vater wirklich eine bewusst auf falschen Angaben beruhende Anzeigegeg­endieve rletzte Hausbewohn­erin eingebrach­t und zugunsten seines Sohnes Falschanga­ben gemacht habe. Um das genau zu klären, geht der Fall zurück nach Liesing an die erste Instanz.

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