Mann drangsaliert Bewohner: Klage auf Räumung scheitert
Mietrecht. Der Versuch, einen Vater wegen seines Sohnes zu kündigen, scheitert vor dem Höchstgericht.
Wien. Dass der in der Wohnhausanlage lebende Mann ein Problemfall ist, zeigten diverse Vorfälle. Wiederholt lauerte er einer Hausbewohnerin im Stiegenhaus auf, verfolgte sie, stellte sich ihr in den Weg und fotografierte sie ohne Einverständnis. Manchmal geschah das mehrmals täglich. Noch schlimmer war, dass der Mann im Keller der Wohnhausanlage diese ihm missliebige Frau verletzte. Er packte sie, riss sie am Sweater und drückte sie gegen die Wand. Gern klopfte der Mann auch in seiner Wohnung an die Decke, um die Hunde derselben Frau (sie wohnt über ihm) zum Bellen zu bringen.
Auch zwei andere Mitbewohnerinnen passte der Mann wiederholt ab, einer ging er sogar nach. „Wiener Wohnen“als Vermieterin startete diverse Versuche, den Mann aus dem Haus zu bringen. Aber auch der jüngste juristische Anlauf dazu verfehlte das Ziel, wie ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) zeigt. Doch warum?
Strafrechtlich war der Mann wegen Körperverletzung und beharrlicher Verfolgung (Stalking) bereits verurteilt worden. Zivilrechtlich ist der Fall von einer Besonderheit geprägt. Der von den Vorwürfen betroffe ne Mann ist in der Wohnhausanlage einerseits selbst Mieter einer Wohnung. Andererseits ist sein Vater dort Mieter einer anderen Wohnung.
Der Sohn geht immer zwischen beiden Wohnungen hin und her.
Er isst und schläft aber in der Bleibe seines Vaters. Eine Kündigung des Mietvertrags des Sohnes war vor Gericht gescheitert. „Wiener Wohnen“hatte sich in dem Verfahren allerdings nicht auf den Kündigungsgrund „unleidliches Verhalten“gestützt. Sondern darauf, dass der Sohn die Miete nicht rechtzeitig zahle und er überdies das Mietobjekt gar nicht zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses verwende. Nun versuchte die
Stadt, den Mietvertrag des Vaters aufzulösen.
Wie der Sohn so der Vater?
Diesmal stützte sich die Vermieterseite auf den Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens. Der Vater müsse sich nämlich das Verhalten des bei ihm wohnenden Sohnes zurechnen lassen. Überdies müsse man dem Vater auch einiges vorwerfen. Er sei dabeigewesen, als der Sohn die Frau verletzte. Dann habe der Vater bei der Polizei zu Unrecht behauptet, die vom Sohn verletzte Hausbewohnerin habe selbst eine gefährliche Dro hung ausgestoßen. Im Strafverfahren gegen sein Kind habe der Vater dann noch unrichtig zugunsten seines Sohnes ausgesagt.
Der Vater entgegnete, in seiner Wohnung lebe der Sohn nicht. Also sei er auch nicht für ihn verantwortlich. Das Bezirksgericht Liesing und das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen befanden aber, dass der Vater sehr wohl seine Wohnung räumen müsse.
Auch der OGH betonte, dass es Fälle gebe, in denen Mieter sich das Verhalten einer anderen Person im Haushalt zurechnen lassen müssten. Sinn einer Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens sei aber, dass danach die Pro blemefür die Hausgemeinschaft beseitigt seien. Hier aber habe der Sohn ja unabhängig davon, ob sein Vater die Wohnung verliere, Zugang zu dem Haus. Schließlich habe der Sohn dort ja selbst noch eine eigene Wohnung. Wenn man dem Vater nun seine wegnehme, könne man trotzdem nicht verhindern, dass der Sohn weiterhin körperliche Übergriffe im Haus verübe oder die Hunde zum Bellen bringe. Bei dieser Sachlage fehle eine Rechtfertigung, den Mietvertrag des Vaters wegen des Verhaltens des Sohnes zu kündigen.
Doch noch eine Prüfung
Ganz ausgestanden ist die Sache für den Vater aber auch noch nicht. Denn eventuell könne man ihm die Wohnung wegen eines eigenen schwerwiegenden Fehlverhaltens wegnehmen, meinte der OGH (6 Ob 26/22z). Nämlich, wenn der Vater wirklich eine bewusst auf falschen Angaben beruhende Anzeigegegendieve rletzte Hausbewohnerin eingebracht und zugunsten seines Sohnes Falschangaben gemacht habe. Um das genau zu klären, geht der Fall zurück nach Liesing an die erste Instanz.