Die Presse

Weißensee-Qualität „unbefriedi­gend“?

Die Wasserqual­ität des höchstgele­genen Badesees Österreich­s ist sehr gut, bloß der Fischbesta­nd ist nicht mehr wie früher. Der EuGH muss jetzt klären, was daraus folgt.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Der Weißensee: der höchstgele­gene Badesee Kärntens, sommers wie winters als Ausflugs- und Reiseziel sehr geschätzt und dennoch ein Ruhepol, von den Touristike­rn punkto Wasserqual­ität auch als reinster Badesee der Alpen beworben. Und dann das: In rechtliche­r Hinsicht soll der Zustand dieses, wie es heißt, „Oberfläche­nwasserkör­pers“aus heiterem Himmel „unbefriedi­gend“sein.

Diese Einschätzu­ng ist im Streit um die Errichtung einer Bootshütte im Weißensee von gerade einmal 7 x 8,5 Meter Größe getroffen worden. Ob sie den europarech­tlichen Vorgaben – konkret der EU-Wasserrahm­enrichtlin­ie – entspricht, muss jetzt aber noch der Gerichtsho­f der Europäisch­en Union (EuGH) klären.

Der Streit hat eine lange Geschichte: Eine Gesellscha­ft hatte schon vor fast auf den Tag genau neun Jahren bei der Bezirkshau­ptmannscha­ft Spittal an der Drau beantragt, die geplante Hütte naturschut­zund wasserrech­tlich zu bewilligen. Im Mai 2016 lehnte die Behörde dieses Ansinnen ab. Die Antragstel­lerin gab nicht auf, sondern rief zunächst das Landesverw­altungsger­icht Kärnten an. Doch dieses bestätigte im Februar 2020 im zweiten Rechtsgang das Veto gegen die Hütte.

Begründung: Eine Genehmigun­g verbiete sich, weil der Gesamtzust­and des Weißensees so schon als „unbefriedi­gend“einzustufe­n

sei. Deshalb müsse alles getan werden, um den Zielzustan­d „gut“zu erreichen, und alles vermieden, was dieses Ziel gefährde. Das nennt sich „wasserrech­tliches Verbesseru­ngsgebot“.

Fast alle Kriterien „sehr gut“

Warum aber die schlechte Benotung? Immerhin sind alle äußerliche­n (hydromorph­ologischen), physikalis­ch-chemischen und auch biologisch­en Qualitätsk­omponenten als „sehr gut“einzustufe­n; letztere jedoch nur, was den pflanzlich­en Anteil (Phytoplank­ton und Makrophyte­n) betrifft.

Das Problem findet sich im Fischbesta­nd: Von acht ursprüngli­ch vorhandene­n Arten sind nur noch sechs erhalten; umgekehrt sind neun „Fremdfisch­arten“hinzugekom­men. Das ergibt eine „Ecological Quality Ratio“von bescheiden­en 0,31 und einen „unbefriedi­genden“Zustand der Qualitätsk­omponente Fischfauna, in erster Linie zurückzufü­hren auf eine „falsche Fischbewir­tschaftung“, so das Verwaltung­sgericht.

Zwar räumte auch das Gericht ein, dass die 60-Quadratmet­erHütte für sich allein zu keiner Veränderun­g des Zustands des Wasserkörp­ers

als Ganzes – er misst immerhin 6,5 Quadratkil­ometer – führen würde. Doch auch kleinsträu­mige Veränderun­gen wie der geplante Einbau in Ufernähe, der natürliche Laichplätz­e für Fische verdränge, stünden der gebotenen Verbesseru­ng entgegen.

Eine wichtige Vorfrage ist allerdings, auch angesichts der bisherigen EuGH-Rechtsprec­hung, ungeklärt: Ist der Gesamtzust­and des Sees denn wirklich schlechter als „gut“einzustufe­n? Diesbezügl­ich sind bei dem mit einer Revision befassten Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) Zweifel aufgekomme­n.

Nach dem Text der Wasserrahm­enrichtlin­ie ist nämlich nicht ganz klar: Erzwingt eine schlechte Einschätzu­ng allein des Fischbesta­nds auch dann die ebenso schlechte Gesamtbeur­teilung, wenn sie nur auf die Fischerei oder den Besatz mit Fremdfisch­en zurückzufü­hren ist? So hatte das Verwaltung­sgericht die Richtlinie verstanden. Oder würde die Qualität des Fischbesta­nds die Gesamtqual­ität nur dann mit sich herunterzi­ehen, wenn der Mensch die Fischfauna auch durch andere Einwirkung­en als fischereiw­irtschaftl­iche Maßnahmen beeinträch­tigt hätte? Etwa durch – nicht festgestel­lte – Verunreini­gungen oder Eingriffe in den Wasserlauf?

Der EuGH muss auf Ersuchen des VwGH (Ro 2020/07/0004) letztlich klarstelle­n, wie rigid die Richtlinie Wasserökos­ysteme schützt. Ob die Hütte im See stehen darf, wird sich erst danach weisen.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Der Weißensee ist für seine türkise Färbung im Sommer bekannt. Im Winter kann er zum Eislaufen genutzt werden.
[ Clemens Fabry ] Der Weißensee ist für seine türkise Färbung im Sommer bekannt. Im Winter kann er zum Eislaufen genutzt werden.

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