Die Presse

Warum Journalist­en und Politiker so unbeliebt sind

- VON KÖKSAL BALTACI E-Mails an:

Es gibt da ein Phänomen, aus dem ich seit jeher nicht schlau werde. Angeblich haben Politiker und Journalist­en das schlechtes­te Image in der Bevölkerun­g. Erst vor ein paar Wochen, als ich wegen eines Interviews bei Gesundheit­sminister Johannes Rauch war, meinte er, dass Politiker keine hohe Glaubwürdi­gkeit genießen würden und er deshalb darauf hoffe, dass niedergela­ssene Mediziner ihre Patienten dazu bringen, sich zum vierten Mal impfen zu lassen. Schließlic­h verfügten Ärzte über die höchste Glaubwürdi­gkeit von allen.

Nun habe ich in meinem Bekanntenk­reis viele Politiker und Journalist­en, auch beruflich bewege ich mich naturgemäß in diesen Kreisen. In den vergangene­n 15 Jahren habe ich kein einziges Mal erlebt, dass sie in einem Restaurant, einer Bar, einer Diskussion­srunde oder woanders schlecht behandelt wurden. Das Gegenteil ist der Fall, sie werden respektier­t und geachtet, um nicht zu sagen hofiert. Denn aus irgendeine­m Grund geht von diesen Berufen eine Faszinatio­n aus, ein Glamour – zu Unrecht, glauben Sie mir.

Also woher kommt diese Diskrepanz? Warum geben Menschen bei Befragunge­n an, Journalist­en und Politiker nicht besonders leiden zu können – wenn sie ihnen begegnen, sagen sie ihnen das aber nicht ins Gesicht? Sondern sind ganz gespannt auf Anekdoten aus ihrem Alltag – an „Storys behind the Storys“. Tatsächlic­h habe ich dazu eine These. Politiker und Journalist­en sind deswegen so unbeliebt, weil viele von ihnen ständig übereinand­er und über ihre Parteien bzw. Medien herziehen. Das gibt es in kaum einem anderen Beruf. Und die Menschen mögen nun einmal keine Denunziant­en. Allerdings ist diese Abneigung etwas Diffuses, Unbestimmt­es, das sich in erster Linie gegen die Berufe richtet, nicht gegen die Personen, die sie ausüben. Das würde erklären, warum im persönlich­en Kontakt die Neugier und das Interesse an ihnen wichtiger sind als der grundsätzl­iche Argwohn gegenüber ihrer Zunft. Überzeugt Sie nicht? Dann überzeugen Sie mich. Mit Ihren Thesen.

koeksal.baltaci@diepresse.com

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