Hysterie und düstere Prognosen werden das Klima nicht retten
Menschlicher Fortschritt beruhte stets auf rationalem Denken und Erfindergeist. Mit dem Weltuntergang zu drohen, hat noch nie geholfen.
Antonio Guterres hatte schon immer einen Hang zur Melodramatik. Aber so schlimm wie jetzt war es noch nie: „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, sagte der UN-Generalsekretär in seiner Rede zur Eröffnung der Weltklimakonferenz in Ägypten. Entweder gebe es bald einen „Klimasolidaritätspakt oder einen kollektiven Selbstmordpakt“.
Schon in den Wochen vor der Konferenz hatte Guterres keine Gelegenheit ausgelassen, Tod und Verderben in Aussicht zu stellen. „Die Klimakrise bringt uns um“, erklärte er.
Der UN-General liegt voll im Trend, muss man sagen. Die Wortmeldungen aus Politik, Wissenschaft und Medien zum Thema Erderhitzung werden allgemein immer schriller. Im Vergleich zu den Schrecken, die da prophezeit werden, sind die biblischen Plagen ein Wellnessangebot. Sogar dem in der Sache gewiss nicht abtrünnigen ORF-Korrespondenten in Ägypten wird es langsam zu bunt. Jüngst beschwerte sich Karim El-Gawhary über all die „Fünf-vor-zwölf-Reden“, die keine Wirkung erzielten.
Die Veränderung des globalen Klimas ist eine Tatsache, und kaum ein Wissenschafter bezweifelt die Verantwortung des Menschen für diese Katastrophe. Ich frage mich nur, was das permanente Winken mit der Apokalypse bezwecken soll. Ist dem Planeten gedient, wenn Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken leben? Glaubt irgendwer, dass kollektives Hyperventilieren den CO2-Ausstoß verringern wird?
Es hänge von jedem einzelnen ab, ob der Kampf gegen die Erderhitzung gelingen könne, heißt es oft. Aber das stimmt einfach nicht. Gegen eine globale Bedrohung ist das Individuum machtlos. Unter anderem deshalb wurden Religionen gegründet; ein höheres Wesen soll einspringen, wo die Problemlösungskapazitäten von uns kleinen Erdlingen erschöpft sind. In der Klimapolitik gibt es keinen Gott, den man anrufen könnte. Also wird ersatzhalber an eine imaginäre Weltgemeinschaft appelliert, die „endlich etwas tun muss“.
Wie kompliziert es ist, die ganze Welt auf ein Ziel einzuschwören, zeigt sich bei der laufenden Klimakonferenz. Ausgerechnet die Staatspräsidenten jener Länder, die anteilig am meisten Dreck in die Luft pusten, hielten es nicht für nötig, nach Sharm-el-Sheikh zu reisen. Wichtigeres zu tun hatte etwa der chinesische Staatschef Xi Jinping. Weil sein Land für rund ein Drittel der jährlichen Emissionen verantwortlich zeichnet, ist das mehr als ein Schönheitsfehler. Immer mal wieder versprechen die Chinesen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um den Output zu verringern. Aber sie haben ebenfalls klar gemacht, dass sie nicht vorhaben, auch nur einen Zehntelprozentpunkt ihres Wirtschaftswachstums zu opfern, um bedrohte Südsee-Atolle oder Eisberge in der Arktis zu schützen. Indien und andere Schwellenländer sehen es ähnlich – und aus ihrer Sicht kann man das sogar verstehen: Wer jetzt arm ist, wird sich nicht damit abfinden wollen, es zu bleiben, nur damit die Erde zum Ende des Jahrhunderts vielleicht nur um 1,5 statt um 2,5 Grad wärmer sein wird als heute.
Herr Guterres und andere Untergangspropheten richten sich also vorwiegend an den Teil der Welt, der das Problem eh längst verstanden hat, mangels Masse aber wenig dagegen tun kann. Europa zum Beispiel ist Weltmeister in der Disziplin der Klimazerknirschung. Dummerweise würde es nicht einmal viel nützen, wenn wir beschlössen, den gesamten Kontinent emissionsfrei zu entsorgen.
Die Wortmeldungen aus Politik, Wissenschaft und Medien zum Thema Erderhitzung werden allgemein immer schriller.
Nach den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie müssten die Warnungen immer noch drastischer werden. Aber da wir schon beim bevorstehenden Weltuntergang angelangt sind, ist das schwierig. Verbale Abrüstung wäre vermutlich die bessere Idee. Menschlicher Fortschritt beruhte stets auf rationalem Denken und Erfindergeist. Hysterie hat noch nie geholfen.
Zur Autorin: Rosemarie Schwaiger ist freie Journalistin und Autorin. Sie lebt in Wien und im Burgenland.