Die Presse

Die achte Milliarde

Demografie. Die Weltb völkerung knackt einen neuen Rek d. Sie zählt jetzt acht Milliarde Einwohner. Ein Meilenstei­n, sagt die UNO, aber auch eine riesige Herausford­erung, die die Welt verändern wird.

- VONJÜR G EN STREI H AMMER

In Paris, in der Kathedral

Notre-Dame, ließ sich Napo leon zum Kaiser krönen, als ir gendwo auf dem Erdball ein ga besonderes Baby seinen ers en

Schrei ausstieß: Vermutlich 1804 kn kte die Weltbevölk­erung die Ein-Millia Menschen-Grenze. Zwischen dama s und heute liegt nur ein Wimpernsch­la wenn man die Menschheit­sgeschicht­e al Maßstab anlegt.

Heute geschieht wieder Historis hes. Die Weltbevölk­erung schwillt auf 8.000.000. Bewohner an. Also auf acht Milliarden. Das Datum 15. November 2022 ist von den Vereinten Nationen festgelegt und symbolisch zu verstehen, weil niemand genau sagen kann, wann di Welt die Rekordmark­e übertrifft.

Zartes Wachstum

Seit den Fünfzigern hat sich die Bevölkerun­g mehr als verdreifac­ht.

Mittlerwei­le verlangsam­t sich da

Wachstum zwar – erstmals seit Jahr zehnten liegt es unter einem Prozen

Aber es stoppt nicht. Noch nicht. Zu zeit legt die Zahl der Weltbewohn jedes Jahr in der Größenordn­ung r

Bevölkerun­g Deutschlan­ds, also m rund um 80 Millionen, zu. 2059 kö te die Welt die Zehn-Milliarden-Einwohner

Grenze knacken, bevor in den 2080ern wieder Historisch­es geschieht, nämlich Zahl der Weltbevölk­erung zu stagniere beginnt. Zumindest legen das heutige Progno en der Vereinten Nationen nahe. Andere Mo lle rechnen damit, dass der Höhepunkt schon früher erreicht wird.

Man darf sich diese Entwicklun­g nicht gleichförm­ig vorstellen. Zwischen Entwicklu s- und Industriel­ändern klafft eine riesige Lücke. ch zwischen Stadt und Land.

Europa schrumpft. Es überaltert. ubsahara-Afrika wäc hstinatemb­eraub endem Tempo. Afrika insgesamt könnte sich bis 2100 verdoppeln. Und von den acht Staaten, die den Großteil des weltweiten Wachstum bis 2050 ausmachen, liegen fünf Afrika (Nigeria, Ägypten, Demokratis­che Republi ongo, Äthiopien, Tansania), der Rest in Südasien (Indien, Pakistan, Philippine­n), also alle ausnahmslo­s in vergleichs­weise eher ärmeren Weltregion­en. Der gegenläufi­ge Trend eute wohnen 60 Prozent der Weltbevölk­erung in Staaten mit einer Fertilität­srate unter dem kritischen Wert von 2,1. Bringen Frauen im Schnitt weniger als 2,1 Kinder zu Welt, beginnt die Bevölkerun­g langfristi­g zu schrumpfen.

Afrika boomt

Das Afrika s üdlich der Sahara ist grün hinter den Ohren. 43 Prozent dort sind jünger als 15 Jahre. Keine Weltregion wächst schneller. In Niger bringt eine Frau im Schnitt sieben Kinder zur Welt. Das ist zwar weniger als früher, aber immer noch Weltrekord. Generell gilt: „Fehlende sexuelle Aufklärung und Zugang zu Sekundarbi­ldung für Mädchen und der Mangel an Verhütungs­mitteln führen dazu, dass die Frauen in vielen Regionen sehr viel mehr Kinder gebären, als sie sich wünschen und vor allem auch versorgen können“, erklärte neulich Jan Kreutzberg, Geschäftsf­ührer der Deutschen Stiftung Weltbevölk­erung. Aber es gibt auch in Afrika teils große Fortschrit­te beim Thema Familienpl­anung (siehe auch Seite 2).

Indien Nummer eins

Vermutlich schon irgendwann im nächste Jahr vollzieht sich eine Zeitenwend­e: Indien wird dann das bevölkerun­gsreichste Land der Welt sein. Es überholt das autoritäre China und wird Schätzunge­n zufolge mehr als 1,4 Milliarden Bewohner zählen. Wobei sich in Indien die weltweiten Trends im Kleinen zeigen. Das Land ist demografis­ch zerrissen zwischen dem Bevölkerun­gswachstum im ärmeren Norden und dem vergleichs­weise wohlhabend­eren Süden. China könnte sich unterdesse­n bis 2100 aufr und 770 Millionen Einwohner nahezu halbieren und womöglich von Nigeria als Staat mit der zweitgrößt­en Bevölkerun­g überholt werden. Dabei ist es nur ungefähr 50 Jahre her, da war der afrikanisc­he Riese Nigeria nach Einwohnern nicht größer als das heutige Italien.

Die Folgen

Die Vereinten Nationen wähnen einen „Meilenstei­n“im Erreichen der Acht-Milliarden-Marke. Weil in der Zahl ja auch viele gute Nachrichte­n stecken. Dass sich das Gesundheit­swesen verbessert und die Kinderster­blichkeit verringert hat zum Beispiel.

Es gibt auch Experten, die das Wachstum in Subshara-Afrika als Chance begreifen. Sie setzen auf eine „demografis­che Dividende“. Dass also (konträr

zu Europa) ein wachsender Anteil junger Erwerbstät­iger die Armenhäuse­r Afrikas in neuen Wohlstand führen könnte. So wie das einst bei Asiens Tigerstaat­en gelungen ist. Aber dazu müssten die Geburtenra­ten in vielen Teilen Afrikas schneller sinken, als sie es zurzeit tun, analysiert­e neulich das deutsche Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g.

Die Risiken sind gleichfall­s gewaltig. Im schlimmste­n Fall drohen heftige Verteilung­skonflikte und große Migrations­ströme, weil es nur zum Beispiel immer weniger fruchtbare­n Boden – Stichwort Klimawande­l – für immer mehr Menschen gibt. Oder zu wenig Jobs für die wachsenden Generation­en. Oder einen Mangel an Trinkwasse­r. In Pakistan etwa ist Wassermang­el schon heute ein Problem. Der fortschrei­tende Klimawande­l bei zeitgleich­em Bevölkerun­gswachstum dürften die Notlage verschärfe­n.

Das Potsdamer Instituts für Klimafolge­nforschung PIK hat sich der Frage vor einiger Zeit angenähert. Demnach kann die Welt schon jetzt nur 3,4 Milliarden Menschen ernähren, ohne dabei den Planeten zu überforder­n. Die hoffnungsv­olle Botschaft: Theoretisc­h wären auch zehn Milliarden möglich. Nur müsste die Menschheit teils radikal umstellen – bei der Bewirtscha­ftung ihrer Äcker genauso wie bei der Zusammenst­ellung ihrer Speiseplän­e (weniger Fleisch zum Beispiel).

Auswirkung­en auf Klimawande­l

Die Verbindung zwischen Klimawande­l und Bevölkerun­gswachstum ist unter Gelehrten ein heißes Eisen. Einen Zusammenha­ng gibt es. Aber Wohlstand ist ein größerer Faktor. Experten zeigen auf Zahlen, wonach fast die Hälfte der globalen CO2-Emissionen von den zehn Prozent mit dem höchsten Einkommen verursacht werde und der Anteil der ärmeren Hälfte der Weltbevölk­erung nur gering sei.

Demnach müsste es vor allem gelingen, armen Regionen zu Wohlstand zu verhelfen, ohne dabei deren CO2-Fußabdruck zu erhöhen. Eine Herkulesau­fgabe für die Menschheit.

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