Die Presse

Freuen wir uns doch, dass es viele von uns gibt

Der Anstieg der Weltbevölk­erung wird vor allem mit Problemen verbunden. Die dadurch erzeugten Herausford­erungen sind auch groß, aber zu schaffen.

- VON JAKOB ZIRM E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

Die Spanne von 33 Jahren lag noch zwischen den beiden Zeitpunkte­n, zu denen die Weltbevölk­erung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts zuerst die Zwei-Milliarden-Schwelle überschrit­t und 1960 jene zu drei Milliarden. Dann ging es plötzlich schnell: Es dauerte nur mehr 14 Jahre bis zur vierten, 13 Jahre bis zur fünften sowie je zwölf Jahre bis zur sechsten und siebenten Milliarde. Heute, am 15. November, wird nach Berechnung­en der UNO die Schwelle zur achten Milliarde überschrit­ten. Gerade einmal elf Jahre nach dem letzten Millliarde­nsprung.

Diese Entwicklun­g verursacht bei vielen Menschen vor allem Sorgen. Denn bedeutet die Zunahme an Menschen nicht automatisc­h, dass Hungersnöt­e und Kriege um fruchtbare­s Land oder Wasser programmie­rt sind? Ist es überhaupt möglich, dass die Erde so viele Menschen ernährt? Und wird der Klimawande­l durch die konstante Zunahme der Weltbevölk­erung nicht in jedem Fall vorangetri­eben, egal, wie sehr wir uns um CO2-Einsparung­en bemühen? Schließlic­h verbrauche­n mehr Menschen automatisc­h mehr Energie, Ressourcen oder Nahrung.

Verschärft werden diese Sorgen vor allem durch die Tatsache, dass sich das Bevölkerun­gswachstum auf einige wenige, besonders ärmliche Regionen konzentrie­rt. So liegen fünf jener acht Staaten, die das globale Bevölkerun­gswachstum treiben, in Afrika, drei weitere in Südostasie­n.

Bei allem berechtigt­en Hinweis auf die Probleme, die das Bevölkerun­gswachstum mit sich bringt, sollte aber nicht in die sogenannte malthusian­ische Falle getappt werden. So argumentie­rte der britische Philosoph und Ökonom Thomas Malthus bereits im Jahr 1798, dass das Bevölkerun­gswachstum unweigerli­ch zu Not, Elend und Krieg führen müsse. Er konnte dies auch ganz klar rechnerisc­h begründen. So stieg die Bevölkerun­gszahl damals bereits exponentie­ll an, die landwirtsc­haftliche Produktion konnte hingegen nur linear gesteigert werden. Für Malthus und seine Anhänger ein klarer Beweis, dass die Welt mit der damals darauf lebenden knappen Milliarde bereits mehr als ausreichen­d bevölkert war.

Heute, mehr als sieben Milliarden Menschen später, wissen wir, dass Malthus unrecht hatte. Und wir wissen auch, wo sein Denkfehler lag: Er unterschät­zte die Innovation­sfähigkeit des Menschen. So sorgten verbessert­e Pflanzenzü­chtungen und Anbaumetho­den sowie die Nutzung künstliche­n Düngers dafür, dass sich die globale Weizenprod­uktion seit Anfang der 1960er-Jahre bei weitgehend gleichblei­bender Anbaufläch­e auf das Dreieinhal­bfache steigern ließ. Und die Industriel­le Revolution sowie ihre Weiterentw­icklungen brachten weltweit einen noch nie da gewesenen Lebensstan­dard – wenngleich dieser bislang noch relativ ungleich verteilt ist.

Der Preis für diese Entwicklun­g ist jedoch der Klimawande­l, argumentie­ren viele Neo-Malthusian­er heute. So haben wir zwar die Agrarprodu­ktion erhöht und trotz jahrelange­r PeakOil-Debatte immer noch genügend Erdöl, aber die globale Erwärmung werde die Menschheit nun in die Knie zwingen und ihr zeigen, dass wir einfach zu viele sind, die auch zu viel Schmutz machen.

Doch auch hier liegt der gleiche Denkfehler wie vor 223 Jahren vor. Denn auch wenn es vielen heute noch unvorstell­bar scheint: Eine Energiever­sorgung, die auf nachhaltig­en und erneuerbar­en Beinen steht, ist durchaus möglich. Viele der dafür notwendige­n Technologi­en sind schon vorhanden, manche werden erst in den kommenden Jahren und Jahrzehnte­n hinzukomme­n. Wirklich unvorstell­bar ist nämlich nur, dass die Innovation­skraft des Menschen plötzlich nicht mehr da sein sollte.

Natürlich ist die Herausford­erung dieses Überganges groß. Doch wenn es gelingt, ihn in Europa und Nordamerik­a zu schaffen, ist er auch in den stark wachsenden Ländern Asiens und Afrikas möglich.

Mittelfris­tig wird es daher wohl eher das Problem werden, dass immer mehr Gesellscha­ften überaltern. Daher sollten wir uns einfach einmal freuen, dass wir nun einen achtmillia­rdsten Erdenbürge­r begrüßen können.

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