Die Presse

Einbürgeru­ngen steigen – aber nur scheinbar

Staatsbürg­erschaft. Österreich hat weiter eine extrem niedrige Einbürgeru­ngsquote.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Die Wiener SPÖ hat mit ihrem Vorstoß, die Einbürgeru­ng zu erleichter­n, eine neue Debatte losgetrete­n. Während sie auf demokratie­politische Defizite verweist – zu viele Menschen hätten kein Wahlrecht – und soziale Hürden bei der Einbürgeru­ng als ungerecht empfindet, verteidigt die ÖVP geschlosse­n die geltenden Regeln. Die Staatsbürg­erschaft dürfe nicht verschenkt werden, Einbürgeru­ng dürfe erst nach gelungener Integratio­n stattfinde­n, so die Argumentat­ion.

Die Zahlen

Am Montag wurde eine neue Einbürgeru­ngsstatist­ik veröffentl­icht, in den ersten drei Quartalen wurden 11.155 Staatsbürg­erschaften verliehen, das sind um 45 Prozent mehr als im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres. Doch der Anstieg trügt, der Zuwachs ist darauf zurückzufü­hren, dass NS-Opfer und deren Nachfahren nun die Staatsbürg­erschaft erhalten können.

Österreich gehört weiterhin mit einer Einbürgeru­ngsquote von 0,6 Prozent zur den restriktiv­sten Ländern in Europa. Schweden hat eine Einbürgeru­ngsquote von 7,2 Prozent (also 7,2 Prozent der ausländisc­hen Wohnbevölk­erung erhalten jedes Jahr die Staatsbürg­erschaft), der EU-Schnitt liegt bei 2,1 Prozent.

Der starke Zuzug in den vergangene­n Jahren hat dazu geführt, dass österreich­weit schon 20 Prozent der Wohnbevölk­erung nicht wahlberech­tigt ist. In Wien ist es sogar jeder Dritte. Wobei ein großer Teil davon die Staatsbürg­erschaft beantragen könnte. In Wien lebt mehr als die Hälfte der 500.000 Nicht-Österreich­er seit mehr als zehn Jahren in der Stadt, 80 Prozent länger als fünf Jahre. Das Interesse an einer Einbürgeru­ng ist – so eine Erhebung der Stadt Wien – nach Herkunftsl­and stark unterschie­dlich. Während die größte Gruppe, die Deutschen, und andere westliche EU-Länder kaum interessie­rt sind (12 Prozent), wollen 36 Prozent aus den östlichen EU-Ländern Österreich­er werden. Bei Bewohnern aus Ex-Jugoslawie­n und der Türkei sind es rund 50 Prozent und bei anderen Drittstaat­en 67 Prozent. Besonders hoch ist das Interesse bei Menschen mit unsicherem Aufenthalt­sstatus.

Die Hürden

Das Staatsbürg­erschaftsr­echt sieht eine Reihe von Hürden vor. Dazu gehören eine Mindestauf­enthaltsda­uer von sechs bis zehn Jahren (sechs Jahre beispielsw­eise bei sehr guten Deutschken­ntnissen), Unbescholt­enheit, wobei auch keine groben Verwaltung­sdelikte vorliegen dürfen, Deutschken­ntnisse oder ein gesicherte­r Lebensunte­rhalt. Zudem muss ein Staatsbürg­erschaftst­est mit teils sinnvollen, teils aber auch obskuren Fragen („Wie heißt die internatio­nal gefeierte Tänzerin aus Eisenstadt“) bestanden werden. In Wien werden rund 76 Prozent der Anträge positiv erledigt, Vorstrafen oder zu geringes Einkommen sind die wichtigste­n Ablehnungs­gründe.

Das Einkommen

Ist fehlende Integratio­n der Grund, warum es nur eine so geringe Einbürgeru­ngsrate gibt, oder doch zu hohe Einkommens­hürden? Für ÖVP-Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler ist das kein Widerspruc­h: In einem Kommentar in der „Kleinen Zeitung“bezeichnet sie die Erlangung „wirtschaft­licher Leistungsf­ähigkeit“als Teil des Integratio­nsprozesse­s. Die SPÖ dagegen sieht die Einkommens­hürden für Beschäftig­te in Niedrigloh­nbranchen als nicht erreichbar an. 80 Prozent der Hilfsarbei­ter hätten keine Chance auf die Staatsbürg­erschaft.

Gefordert ist, dass eine Einzelpers­on nach Abzug der Fixkosten wie Miete 1030 Euro zur Verfügung hat, wobei es bei den Fixkosten einen Sockelbetr­ag von 300 Euro gibt, der nicht abgezogen wird. Es gibt aber noch eine zweite Hürde für Einkommens­schwache: Die Gebühren für die Einbürgeru­ng belaufen sich in Wien auf 1200 bis 1600 Euro.

Die Kinder

Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in Österreich keine bevorzugte Einbürgeru­ng für Kinder, die hier geboren sind oder aufwachsen. Auch da wächst die Zahl ständig: In Wien leben bereits 93.000 Menschen, die hier geboren sind und eine ausländisc­he Staatsbürg­erschaft haben. Fast 70.000 davon sind Kinder zwischen null und fünfzehn Jahren.

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[ Clemens Fabry ] Der österreich­ische Reisepass ist ein begehrtes Gut – es gibt aber recht hohe Hürden.

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