Christoph Chorherrs letzte große Rede
Korruptionsprozess. Der unter Anklage stehende Ex-Planungssprecher der Wiener Grünen, Christoph Chorherr, hielt einen flammenden Verteidigungsvortrag. Und gestand zu, dass sein Spendensammeln eine „schiefe Optik“verursachte.
Wien. Er bekommt die Bühne. Und nutzt sie. Er spricht wie in seinen besten Zeiten als Gemeinderat der Wiener Grünen. Wild gestikulierend. Und ja, leidenschaftlich. Diese Rede muss auch sitzen.
Denn für Christoph Chorherr, die Zentralfigur der zehnköpfigen Angeklagten-Riege, geht es um viel. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat eine Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs und
Es tut mir für die anderen leid, die jetzt da vor Gericht sitzen müssen. Wenn ich meinen Fehler wieder gutmachen könnte, würde ich es tun.
Christoph Chorherr
Bestechlichkeit beantragt. Geht diese durch, landet der 61-jährige Ex-Politiker mit einiger Wahrscheinlichkeit im Gefängnis.
Doch so weit will keiner der Angeklagten blicken. Ganz im Gegenteil. Nach den ersten beiden Prozesstagen (der Auftakt war vorigen Dienstag) dominiert in allen Kulissengesprächen große Zuversicht. Kaum jemand sieht Verurteilungen zum Greifen nahe. Zu unbestimmt sei die Anklage, ist vielfach zu hören.
Zur Erinnerung: Es geht um die einfache Formel „vorteilhafte Flächenwidmung gegen Spendengeld“.
Chorherr soll als seinerzeitiger Stadtplanungssprecher der Wiener Grünen auf GrundstücksWidmungen unsachlich Einfluss genommen haben – und zwar immer dann, wenn Vertreter der Immobilienbranche an seinen Verein zugunsten hilfsbedürftiger südafrikanischer Kinder spendeten. Problem der Anklage: Die konkrete Verknüpfung zwischen Spenden und mutmaßlichem Befugnismissbrauch lässt sich wohl nur sehr schwer unter Beweis stellen.
Aber zurück zur Rede Chorherrs. Richter Michael Tolstiuk erlaubt ihm, auf der Verteidigerbank Platz zu nehmen. Das dürfen später auch die anderen Angeklagten – unter diesen sind (Vorwurf: Bestechung durch Spendengeld an den Chorherr-Verein) Branchengrößen wie René Benko, Michael Tojner oder Erwin Soravia. Die Verteidigerbank ist höher als die Anklagebank. Und somit darf Chorherr gleichsam vom Podest herunter zum Gericht sprechen.
Schon in den 1990-er-Jahren, nach der Freilassung von Nelson Mandela und der Überwindung des Apartheid-Systems habe er als Politiker gemeint, die wohlhabende Stadt Wien müsse in Südafrika helfen. Nicht durch Hilfsgelder, sondern durch Bau von Kindergärten und Schulen. Der damalige SPÖ-Bürgermeister Helmut Zilk habe aufgehorcht und ihn, Chorherr, zum Sondieren nach Südafrika geschickt: „Du bist die Wiener Delegation, fahr’ runter und schau, was wir tun können.“2003 sei der gemeinnützige Verein „S2Arch“gegründet worden.
Architekturstudenten aus mehreren europäischen Ländern planten damals Schulgebäude und beteiligten sich vor Ort an der Errichtung. Die Begeisterung für diese Idee ist dem Ex-Gemeinderat an diesem Montagvormittag noch immer anzumerken. Er unterstützt seine Eröffnungsrede mit Fotos von den in Südafrika errichteten Gebäuden („in Lehm-Stroh-Architektur“) und mit Aufnahmen von Schulkindern – die Bilder entfalten durchaus emotionale Wirkung. Chorherr mit den Armen rudernd in Richtung der Schöffen: „Ich könnte hier drei Stunden reden, aber ich muss mich kurz fassen.“
Alsdann erfährt man, wie er den (mitangeklagten) Unternehmer Wilhelm Hemetsberger von der Vereins-Idee begeisterte. Dieser habe begonnen viel Geld zu spenden. Immobilienprojekte hatte Hemetsberger gar keine im Laufen – die Formel „Geld gegen Widmung“lässt sich auf ihn kaum anwenden. Die Anklage meint aber: Hemetsberger sei mit der Geschäftstätigkeit von Michael Tojner verflochten (sämtliche Immobilienbranchen-Vertreter bekennen sich nicht schuldig). Übrigens: Auch öffentliche Gelder, von Stadt Wien und Bildungsministerium, stecken in den Schulprojekten.
Chorherr zu seiner politischen Tätigkeit vor dem Hintergrund des Hilfsvereins: „Ich habe mich nie unsachgemäß verhalten.“Aber: „Mein Fehler war, dass ich nicht 2010, als wir Grünen in die Wiener Stadtregierung kamen, die Vereins-Obmannschaft zurückgelegt habe.“Dies sei aus „Naivität oder aus Begeisterung zum Projekt“unterblieben. Sein Anwalt Richard Soyer hatte daher am ersten Prozesstag angeregt, man könne Chorherr eine Geldbuße im Rahmen einer Diversion auferlegen. Am Freitag wird weiterverhandelt.
Ja, es gab Treffen in den Büros der Baufirmen. Das Machtspiel, wer zu wem kommt, war mir egal. Ich bin gern mit dem Radl durch Wien gefahren.“
Christoph Chorherr